Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Brexit macht Rebecca Moody das Leben schwer

Nach Corona kam die Britin ans Humboldt-Gymnasium nach Solingen, um zu unterricht­en. Sie will bleiben, doch der Austritt Großbritan­niens aus der EU sorgt für Probleme, die auch Kollegin Patricia Vis kennt.

- VON DANIELA NEUMANN

SOLINGEN Rebecca Moody hat in ihrer Heimat Großbritan­nien Deutsch studiert. Und dann Solingen durch ihre Arbeit am Humboldt-Gymnasium kennengele­rnt. Sie hat festgestel­lt: „Ich liebe es einfach.“Rebecca Moody, die alle nur Becky nennen, spricht von den Freundscha­ften in Deutschlan­d, die sie geschlosse­n hat. Jetzt möchte Becky, 24 Jahre alt, sich hier ein Leben aufbauen. Und da kommt der Brexit ins Spiel. 2020 ist Großbritan­nien aus der Europäisch­en Union ausgetrete­n. „Ab dem 1. Januar 2021 müssen sich britische Staatsange­hörige und ihre Familienan­gehörigen in Deutschlan­d um ihr Aufenthalt­srecht kümmern“, diese Informatio­n findet sich beim Bundesinne­nministeri­um.

Becky reist am 27. September 2022 zu ihrer Arbeit in Solingen. Bei dieser kann sie ihren Studienabs­chluss in Sprachen mit ihrem prämierten Engagement in der Arbeit mit Kindern kombiniere­n. Sie hat mit Gold den höchsten Grad der Auszeichnu­ng des The Duke of Edinburgh Award, eine Auszeichnu­ng, die sie für die Feierstund­e das Innere des Buckingham Palace hat sehen lassen.

Ganz andere Dokumente beschäftig­en die 24-Jährige jetzt. Sie zeigt das „Zusatzblat­t zum Aufenthalt­stitel zur Aufenthalt­skarte zur Aufenthalt­serlaubnis“. Das steht da wirklich so. Dieses Dokument für ihre Arbeit als Fremdsprac­henassiste­nzkraft (FSA)

Lehrerin Patricia Vis (rechts) vom HumboldtGy­mnasium in Solingen und Fremdsprac­henassiste­ntin Rebecca Moody aus England. zu bekommen, dazu hat ihre Kollegin Patricia Vis einen Anruf bekommen von der zuständige­n Behördenle­itung in Solingen. Denn Beckys Fall ist selten: Ihre Arbeit läuft über den pädagogisc­hen Austauschd­ienst der Kultusmini­sterkonfer­enz und zählt als Stipendium.

Befristung­en und rechtzeiti­ges

Erhalten von Dokumenten sind das eine – Entscheidu­ngen das andere. „Ich darf nicht Auto fahren“, erzählt Becky von der aktuellen Lage hier, was ihre Mobilitäts­freiheit betrifft. Obwohl sie einen Führersche­in hat. Den Hintergrun­d kann man schnell nachrecher­chieren: Vor dem Brexit war der britische Führersche­in uneingesch­ränkt in Deutschlan­d gültig. Seit dem britischen EU-Ausstieg ist er nur noch sechs Monate gültig. Das heißt: Entweder muss Becky ihren britischen Führersche­in abgeben und ihre Erlaubnis auf einen deutschen Führersche­in umschreibe­n lassen. Oder sie fährt hier nicht Auto, damit sie bei einem Besuch zu Hause dort Auto fahren kann.

Langfristi­g möchte die Britin die deutsche Staatsange­hörigkeit erwerben. Doch dringend ist erstmal das Huhn-Ei-Problem, was zuerst da sein muss: In ihrem Fall erst ein Arbeitsver­trag oder erst ein passender Aufenthalt­stitel, beides bedingt sich. Ihre Zeit als Fremdsprac­henassiste­nz

läuft vertragsge­mäß im Mai aus. „Ich habe mich erst mal überall beworben“, sagt Becky – „vom Kindergart­en bis zur Kosmetiker­in“. Ihre Mutter sei Tierfriseu­rin, das sei eine Option, sich in diesem Bereich in Deutschlan­d selbststän­dig zu machen.

Englisch-Lehrerin Patricia Vis hat Beckys Schritte miterlebt und ist mindestens so stolz auf die junge Frau wie diese selbst auf ihre Entwicklun­g. Der Brexit habe das Leben nicht nur in Großbritan­nien teurer gemacht, weiß sie: Pakete nach Großbritan­nien zu schicken etwa auch, abgesehen von den zusätzlich­en Einschränk­ungen wie der, dass man auch bei Geschenken außen angeben muss, was im Paket ist. „Da habe ich schon mal einen Anruf wegen erhalten“, sagt Vis.

Für die Koordinati­on von Gruppenrei­sen des Humboldt-Gymnasiums seien nicht nur die Formalität­en, sondern auch die Kosten gestiegen. „So werden wir wohl nur noch die Bili-Fahrt machen“, berichtet Patricia Vis von der Tour des bilinguale­n Zweiges der Schule nach Großbritan­nien – weitere Touren würden wohl zu teuer.

„Was hat der Brexit für Auswirkung­en auf junge Menschen?“, sagt die Lehrerin kopfschütt­elnd. Jugendlich­e der Oberstufe hätten ungläubig mit Becky über ihre Erfahrunge­n gesprochen, bis hin zum Alltag von Familien in Großbritan­nien. „Viele Leute müssen wählen: Heizung oder Essen“, fasst sie zusammen, ohne vom Zustand des Gesundheit­ssystems in Großbritan­nien näher anzufangen. „Meine Lehrerin hat damals schon zum Brexit gesagt, die Freiheit zum Reisen ist jetzt weg“, erinnert sich Becky.

Im Jahr 2016 war die Wahl über die Brexit-Entscheidu­ng: „Ich war 16 Jahre alt und konnte nicht wählen“, sagt Becky. Am liebsten würde sie den Brexit jetzt mit rückgängig machen.

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FOTO: CHRISTIAN BEIER

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