Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid
Jobcenter deckt Betrugsversuche auf
Mit scharfem Auge, gesundem Menschenverstand und Recherchen kommen die Sachbearbeiter im Solinger Jobcenter mitunter Versuchen von Sozialleistungsbetrug auf die Spur. Welche Fälle ihnen in diesem Jahr bereits auffielen.
SOLINGEN Das Jobcenter in Solingen hat im laufenden Jahr mehrere Versuche von Sozialleistungsmissbrauch angezeigt. Insgesamt waren es von 2020 bis einschließlich 2023 genau 603 Verdachtsfälle, die das Jobcenter der Staatsanwaltschaft und dem Zoll meldete. Das sind im Durchschnitt 150 pro Jahr. Zum Vergleich: Im März dieses Jahres zählte das Solinger Jobcenter 14.690 Leistungsberechtigte. Davon gelten 10.330 als erwerbsfähig und 4360 als nicht erwerbsfähig. Damit liegt die Zahl der Betrugsversuche pro Empfänger rein rechnerisch bei durchschnittlich einem Prozent.
Allerdings fallen den Sachbearbeitern des Jobcenters immer wieder auch markante Fälle auf. Auf vier davon warf Sachgebietsleiter Sascha Bizjak jetzt in einem Pressegespräch ein Schlaglicht. Sie haben sich im ersten Vierteljahr 2024 ereignet. An ihnen ist abzulesen: Des Sozialleistungsbetrugs kann sich bereits verdächtig machen, wer vergisst, den Behörden Veränderungen zu melden. Es wird aber auch kriminelle Energie zutage gelegt, um die eigene finanzielle Situation zu verbessern. Die Botschaft des Jobcenters müsse daher lauten: „Sozialleistungsbetrug lohnt sich nicht.“Denn oft investieren erfahrene Mitarbeiter des Jobcenters viel Zeit in die Recherche zu besonders fragwürdigen Forderungen – selbst in Zeiten, in denen die Personalnot beim Jobcenter groß ist.
In einem dieser Fälle ging es um eine vierköpfige Familie, die ins Ausland gezogen war. Sie hatte sich zwar beim Einwohnermeldeamt abgemeldet, nicht aber beim Jobcenter. Das stellte sich erst beim jährlichen Datenabgleich zwischen beiden Behörden heraus. Bis dahin waren über vier Monate bereits rund 8000 Euro zu viel an die Familie geflossen. Das sagt zwar auch viel über die verbesserungsbedürftige Kommunikation zwischen Ämtern und Behörden aus. Fest steht aber auch, und das ist gesetzlich geregelt, dass der Leistungsempfänger in der Pflicht steht, dem Jobcenter Änderungen der eigenen Situation mitzuteilen. Eine E-Mail reiche, heißt es. Tut er es nicht, begeht er mindestens eine Ordnungswidrigkeit. Das Verfahren läuft noch.
Weitaus mehr kriminelle Energie bewies hingegen ein Leistungsberechtigter, der dem Jobcenter seinen Bescheid über den Bezug einer Erwerbsminderungsrente zustellen ließ. Damit gilt er nicht mehr als Sozialleistungsempfänger. Erst auf den zweiten Blick entdeckten die Sachbearbeiter, dass das Datum in dem Bescheid zugunsten des Klienten gefälscht war. Ein Anruf bei der zuständigen Behörde ergab: Der Mann bezog die Rente bereits seit drei Monaten. Gesamtschadenshöhe: 3700 Euro. Das Jobcenter hat den Fall an die Strafverfolgungsbehörden weiter gegeben.
Im dritten Fall hatte sich ein Paar getrennt. Der Mann blieb in der gemeinsamen Wohnung. Dieser teilte dem Jobcenter mit, dass sich die Frau die Kaution habe zurückzahlen lassen und er nun eine neue beibringen müsse. Dafür hätte er einen zinslosen Kredit des Jobcenters erhalten. Über die Vermieterin fand das Jobcenter indes heraus: Diese Angaben sind falsch – und überdies auch noch die Neben- und Heizkosten in dem Mietvertrag, den der Leistungsbezieher dem Jobcenter vorgelegt hatte. Es wurde Strafanzeige gestellt.
Im vierten Fall hat ein Leistungsempfänger dem Jobcenter bereits seit mehreren Jahren Rechnungen für Holz vorgelegt, das er zum Heizen braucht. Nun fiel auf: Die Rechnung scheint immer dieselbe zu sein, lediglich das Datum wurde geändert. Den an der Adresse angegebenen Holzhandel gibt es schon seit 2014 nicht mehr. Überdies erscheint dem Jobcenter der angegebene Jahresverbrauch von 18 Raummetern als zu hoch. Die genauen Zusammenhänge sind nun noch zu klären: Es wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Verwarngelder und Geldbußen im Gesamtwert von 6170 Euro wurden im vergangenen Jahr festgesetzt, heißt es. 2022 waren es noch 18.775 Euro. Doch in diesem Jahr, so beobachten es die Verantwortlichen jetzt schon, steige die Zahl wieder an.