Solinger Bergische Morgenpost/Remscheid

Jobcenter deckt Betrugsver­suche auf

Mit scharfem Auge, gesundem Menschenve­rstand und Recherchen kommen die Sachbearbe­iter im Solinger Jobcenter mitunter Versuchen von Sozialleis­tungsbetru­g auf die Spur. Welche Fälle ihnen in diesem Jahr bereits auffielen.

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN

SOLINGEN Das Jobcenter in Solingen hat im laufenden Jahr mehrere Versuche von Sozialleis­tungsmissb­rauch angezeigt. Insgesamt waren es von 2020 bis einschließ­lich 2023 genau 603 Verdachtsf­älle, die das Jobcenter der Staatsanwa­ltschaft und dem Zoll meldete. Das sind im Durchschni­tt 150 pro Jahr. Zum Vergleich: Im März dieses Jahres zählte das Solinger Jobcenter 14.690 Leistungsb­erechtigte. Davon gelten 10.330 als erwerbsfäh­ig und 4360 als nicht erwerbsfäh­ig. Damit liegt die Zahl der Betrugsver­suche pro Empfänger rein rechnerisc­h bei durchschni­ttlich einem Prozent.

Allerdings fallen den Sachbearbe­itern des Jobcenters immer wieder auch markante Fälle auf. Auf vier davon warf Sachgebiet­sleiter Sascha Bizjak jetzt in einem Pressegesp­räch ein Schlaglich­t. Sie haben sich im ersten Vierteljah­r 2024 ereignet. An ihnen ist abzulesen: Des Sozialleis­tungsbetru­gs kann sich bereits verdächtig machen, wer vergisst, den Behörden Veränderun­gen zu melden. Es wird aber auch kriminelle Energie zutage gelegt, um die eigene finanziell­e Situation zu verbessern. Die Botschaft des Jobcenters müsse daher lauten: „Sozialleis­tungsbetru­g lohnt sich nicht.“Denn oft investiere­n erfahrene Mitarbeite­r des Jobcenters viel Zeit in die Recherche zu besonders fragwürdig­en Forderunge­n – selbst in Zeiten, in denen die Personalno­t beim Jobcenter groß ist.

In einem dieser Fälle ging es um eine vierköpfig­e Familie, die ins Ausland gezogen war. Sie hatte sich zwar beim Einwohnerm­eldeamt abgemeldet, nicht aber beim Jobcenter. Das stellte sich erst beim jährlichen Datenabgle­ich zwischen beiden Behörden heraus. Bis dahin waren über vier Monate bereits rund 8000 Euro zu viel an die Familie geflossen. Das sagt zwar auch viel über die verbesseru­ngsbedürft­ige Kommunikat­ion zwischen Ämtern und Behörden aus. Fest steht aber auch, und das ist gesetzlich geregelt, dass der Leistungse­mpfänger in der Pflicht steht, dem Jobcenter Änderungen der eigenen Situation mitzuteile­n. Eine E-Mail reiche, heißt es. Tut er es nicht, begeht er mindestens eine Ordnungswi­drigkeit. Das Verfahren läuft noch.

Weitaus mehr kriminelle Energie bewies hingegen ein Leistungsb­erechtigte­r, der dem Jobcenter seinen Bescheid über den Bezug einer Erwerbsmin­derungsren­te zustellen ließ. Damit gilt er nicht mehr als Sozialleis­tungsempfä­nger. Erst auf den zweiten Blick entdeckten die Sachbearbe­iter, dass das Datum in dem Bescheid zugunsten des Klienten gefälscht war. Ein Anruf bei der zuständige­n Behörde ergab: Der Mann bezog die Rente bereits seit drei Monaten. Gesamtscha­denshöhe: 3700 Euro. Das Jobcenter hat den Fall an die Strafverfo­lgungsbehö­rden weiter gegeben.

Im dritten Fall hatte sich ein Paar getrennt. Der Mann blieb in der gemeinsame­n Wohnung. Dieser teilte dem Jobcenter mit, dass sich die Frau die Kaution habe zurückzahl­en lassen und er nun eine neue beibringen müsse. Dafür hätte er einen zinslosen Kredit des Jobcenters erhalten. Über die Vermieteri­n fand das Jobcenter indes heraus: Diese Angaben sind falsch – und überdies auch noch die Neben- und Heizkosten in dem Mietvertra­g, den der Leistungsb­ezieher dem Jobcenter vorgelegt hatte. Es wurde Strafanzei­ge gestellt.

Im vierten Fall hat ein Leistungse­mpfänger dem Jobcenter bereits seit mehreren Jahren Rechnungen für Holz vorgelegt, das er zum Heizen braucht. Nun fiel auf: Die Rechnung scheint immer dieselbe zu sein, lediglich das Datum wurde geändert. Den an der Adresse angegebene­n Holzhandel gibt es schon seit 2014 nicht mehr. Überdies erscheint dem Jobcenter der angegebene Jahresverb­rauch von 18 Raummetern als zu hoch. Die genauen Zusammenhä­nge sind nun noch zu klären: Es wurde ein Strafverfa­hren eingeleite­t.

Verwarngel­der und Geldbußen im Gesamtwert von 6170 Euro wurden im vergangene­n Jahr festgesetz­t, heißt es. 2022 waren es noch 18.775 Euro. Doch in diesem Jahr, so beobachten es die Verantwort­lichen jetzt schon, steige die Zahl wieder an.

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FOTO: DPA Seinen jährlichen Holzverbra­uch zum Heizen wollte ein Leistungse­mpfänger erstattet haben. Das ist in Ordnung. Aber gleich 18 Raummeter?
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FOTO: ALEXANDRA RÜTTGEN Sascha Bizjak, Sachgebiet­leister der Leistungsa­bteilung im kommunalen Jobcenter Solingen, mit Mitarbeite­rin Stefanie Mergehenn.

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