Ganz weit draußen
So etwas macht man eigentlich nicht. Ibrahim Maalouf fängt seine Platte der Live- Aufnahmen des vergangenen Jahrzehnts mit einer Animationsnummer an, dem Stück, das sonst am Ende des Konzerts den Zuhörern die passende Melodie mit auf den Heimweg gibt. Das ist eigentlich ein Dramaturgiebruch, aber in diesem Fall passt es. Denn der exil- libanesische Trompeter schafft es, trotzdem und trotz sehr unterschiedlicher Orte, die Spannung zu halten, ja mit seiner Elegie an die zerstörte Heimat „ Beirut“als tatsächlichem Schluss des Albums die Intensität sogar noch zu steigern. Er hat Gäste dabei wie die Grande Dame des Chansons Juliette Gréco, die ihn bei seinem Konzert im Pariser Olympia beehrte, oder einen Jugendchor, der ihn bei zwei Stücken unterstützte. Es ist in der Lage, mit „ Nomade Slang“heftig zu rocken oder - nur auf der DVD der Edition zu sehen - eine brillante klassische Konzertetüde von Alexander Goedicke anzustimmen. Mal klingt er brüchig, lässt seine Vierteltontrompete seufzen, atmen, räsonieren, dann wieder hat er einen Ton am Leib, der Mauern einstürzen lassen könnte. Begleitet von seiner französischen Band um den Pianisten Frank Woeste entwickelt Maalouf einen bei allen Unterschieden klar identifizierbaren, sehr persönlichen und stimmnahen Sound, verknüpft Stilwelten vom Orient über Funk und Rock bis zum Jazz, ein Verknüpfer der Gefühle und Gegensätze. Grandios! Der einstige New Yorker Saxofonist Steve Lehman hat schon manch überzeugendes Konzept vorgelegt, aber ein HipHop- Projekt hatte er noch nie am Start. Seine enge Verbundenheit mit MBase und der Ästhetik Steve Colemans lässt er wieder erkennen, aber die organische Art, mit der er Rap, lineare Jazzimprovisationen und Minimal Music zusammenbringt, macht den Meister. Der andere Coleman, der die Harmolodics erfunden hat, hätte seine Freude an dem Album, denn „ Sélébéyone“ist in höchstem Maße harmolodisch. Weniger was die musikalischen Anteile angeht, die auch ohne Hierarchien auskommen, sondern vor allem auf transkultureller Ebene.