3. Generation
Aller guten Dinge sind drei – sagt man. Gilt das auch für die Canton Vento 896 DC, die in der dritten Generation auf Hörer in aller Welt losgelassen wird? Die Gene der Reference- Serie sollen helfen.
Die Weiterentwicklung eines Lautsprechers hat den großen Vorteil, dass man nicht bei null anfangen muss. Man kann auf Erfahrungen aufbauen und hat ein Fundament vor sich, mit dem man im Idealfall schon recht zufrieden war. Im Laufe des Produktzyklus’ hat man aber – sei es durch Feedback der Kunden oder durch mehr Erfahrung mit dem Produkt – ein paar Ideen entwickelt, wie es weitergehen, was man verbessern könnte.
Gute Gene
Da Lautsprecher in der Regel einige Jahre auf dem Markt sind, kann man bei der Entwicklung der nächsten Generation oftmals auf verbesserte Software zurückgreifen, die dann unter Umständen auch die Grenzen des Machbaren verschiebt. Noch etwas kommt hinzu: Wenn man nicht gerade das Flaggschiff verfeinert, kann man häu g auf Technologien höherer Baureihen zugreifen und diese – oftmals in leicht vereinfachter Version – in günstigere Serien ein ießen lassen.
So ist es auch bei der VentoBaureihe passiert. In ihr stecken viele Gene der Canton- TopReihe Reference K. Dazu gehört etwa die Membranform der
Treiber für Bässe und Mitten, die als Triple Curved Cones ausgeführt sind. Mit Simulationen fanden die Entwickler heraus, dass die Membranen besonders leistungsstark werden, wenn sie aus drei verschiedenen Radien bestehen, die der Membran eine höhere Stabilität verleihen. Das wiederum wirkt sich positiv auf die Belastbarkeit und die Verzerrungen aus.
Titanium
Stabilität ist vielleicht das entscheidende Wort für diesen Test. Denn gleich an mehreren Stellen wurde diese erhöht: etwa bei den Tief- und Mitteltönern. Hier kocht jeder Entwickler ein mehr oder weniger eigenes Süppchen. In der Vento-, der Chrono- Reihe und bei der Karat Jubilée 3 kommen für Mittel- und Tiefton Chassis aus einer Aluminium- Titan- Legierung zum Einsatz. Die aus den Vorgängern bekannten AluMembranen wurden also entsprechend beschichtet. Die Stei gkeit soll nun deutlich höher ausfallen. Das Ergebnis nennt sich Titanium und konnte uns schon mehrfach von seinen klanglichen Vorzügen überzeugen ( vgl. stereoplay 2/ 16, 3/ 16 und 6/ 16).
Gleich zwei 20-mm- Tieftöner sitzen in jeder Box. Ganz oben be ndet sich der 18- mmMitteltöner in einer eigenen Kammer. Dort kann er seiner Arbeit ab 250 Hz ungetrübt durch die Auslenkungen der Basschassis nachgehen. Optisch unterscheidet er sich nicht nur durch die Größe von den Tieftönern, sondern auch durch seine deutlich kleinere Staubschutzkalotte.
Bleibt noch der Hochtöner, der aus der Reference-K- Serie stammt. Der Computer- optimierte Keramikhochtöner soll das Frequenzspektrum nach oben hin klanglich perfekt abrunden.
Volle Kontrolle, bitte!
Etliche Canton- Lautsprecher tragen den Zusatz „ DC“. Wer dabei direkt an Superman und Batman denkt, liegt in diesem Fall daneben. Hinter dem Kür- zel verbirgt sich Cantons seit Langem eingesetzte und bewährte Hochpass ltertechnik. DC steht für Displacement Control und bezeichnet ein Subsonic- Filter, das Frequenzen unter 30 Hz abschneidet und unkontrollierte Membranauslenkungen somit effektiv verhindert. Das kommt der Sauberkeit der Basswiedergabe zugute.
Aber mit einem Hochpass allein ist es nicht getan. Auch die Aufhängungen der Lautsprecher- Chassis, also die Sicken, spielen eine wichtige Rolle, wenn es um Sauberkeit geht. Die Wave- Sicke der Vento ist dreifach gefaltet, um hohe Auslenkungen sowie einen hohen Schalldruck zu ermöglichen, ohne dass es zu starken Partialschwingungen – unerwünschten, einander entgegengesetzten Bewegungen benachbarter Membranbereiche – kommt.
Dämpf it, Baby!
Wer einen Lautsprecher öffnet, ndet im Inneren neben Frequenzweiche, Kabeln und Chassis ( beinahe) immer auch dämp- fendes Füllmaterial. Nun könnte man denken, dass dieses am Ende nach Gefühl in das Gehäuse eingebracht wird: ein bisschen hier, ein bisschen da. Dem ist aber nicht so. Die Menge des Materials wird berechnet und anschließend in langen Hörsitzungen feingetunt. Dieser Schritt ist schon deshalb unvermeidlich, weil sich die Nachgiebigkeit des Luftvolumens nur schlecht simulieren lässt.
Ziel der Dämpfung ist immer, die Ein üsse von Schall, der von der Chassis- Rückseite ins Gehäuse abstrahlt, gering zu halten. So werden stehende Wellen im Lautsprecher sowie schwingende Gehäuse vermieden. Ändert sich an einem Modell in der nächsten Version etwa das Gehäusevolumen oder kommen andere Chassis zum Einsatz, muss auch der Bedämpfungsprozess erneut durchgeführt werden.
Stabiler Stand
Nicht neu, aber neu designt ist die Fußkonstruktion. Die Elemente, die Fußplatte und
Korpus fest miteinander verbinden, haben nun eine Kegelform. Diese Kegel sorgen zum einen für einen de nierten Abstand zwischen Bassre ex- Öffnung und Bodenplatte, zum anderen sollen sie für ein besseres Strömungsverhalten der austretenden Luft sorgen. Störende Geräusche, die den Bassgenuss trüben könnten, werden so weiter reduziert.
Darüber hinaus ist so eine Fußkonstruktion mit Down reBass auch deshalb von Vorteil, weil der Bodenbelag im Hörraum keinen Ein uss auf die Bassre ex- Abstimmung mehr hat. Der Abstand zwischen Schallöffnung und Bodenplatte ist durch sie eine feste Größe.
Stabilität spielt auch hier eine Rolle: im Sinne von Standsicherheit. Da der Fuß den Lautsprecherkorpus in Breite und Tiefe überragt, erhöht er die Stand äche.
Die Vento 896 DC ist in drei Ausführungen erhältlich. Neben der schwarzen und weißen in – übrigens makellosem – achtschichtigem Hochglanzlack gibt es noch eine hochglanzlackierte Kirschfurnier- Version. Die kostet zwar pro Paar 400 Euro mehr, sieht aber fabelhaft aus.
Verwandtschaft
Es liegt nahe, einen Lautsprecher wie die Canton Vento 896 DC nicht wandnah aufzustellen. Davon rät schon die bloße Membranmasse ab. Wir stiegen mit einem Wandabstand von etwa einem Meter in den Hörtest ein und halbierten diesen später auch. Ideal steht die Box etwa 70 cm vor der Rückwand. Leider hatten wir keine Reference K mehr zum Vergleich im Haus. Wir griffen daher auf die kleine Halbschwester Chrono 519 DC zurück ( getestet in
9/ 16), die im Paar 1800 Euro kostet. Jetzt könnte man sagen, ein solcher Vergleich sei unfair. Er brachte aber zum Vorschein, dass es eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den Chronos und Ventos gibt. Beide Lautsprecher sind klar auf der dynamikfreundlichen Seite und können beherzt loslegen, wenn man sie mit entsprechendem Material füttert. Beide bieten mitreißende Mitten, die auf Cremigkeit verzichten und Informationen ohne Schönfärberei transportieren.
Auch im Bass verwandt, überzeugten sowohl die Chrono 519 DC als auch die Vento 896 DC mit Präzision und De- tailfreude. Bei jedem abgespielten Titel war der Vorsprung der doppelt so teuren Vento aber einfach nicht zu leugnen. Ihre Abbildung ist stabiler, tiefer, ihre gesamte Performance in ihrer homogenen Stimmigkeit einfach „ erwachsener“, reifer. Wer die beiden hört, weiß sofort, was damit gemeint ist.
Oben mit Keramik
Der größte Unterschied ndet sich in der Hochtonwiedergabe – kein Wunder, stehen sich doch hier Aluminium und Keramik gegenüber. Die Keramikkalotte kann ihre klaren Trümpfe ausspielen. Das Au ösungsvermögen ist bemerkenswert, davon pro tieren Streicher genauso wie Schlagzeugbecken oder Gitarre, von Stimmen ganz zu schweigen. Und wenn die Metallkalotte der Chrono manchmal bei ( ziemlich) hohen Pegeln etwas aufdringlich wird, dann spielt die Vento- Kalotte noch verhältnismäßig seidig.
Effekthascherei ist der Vento 896 DC ebenfalls fremd. Sie ist neutral und verbindet ihre angenehm unaufdringliche Spielfreude mit viel Liebe zur Genauigkeit. Von Hip Hop über Jazz und Klassik bis Pop zeigte die Vento keine Vorlieben. Am längsten verweilte Paul Simons „ The Rhythm Of The Saints“im CD- Player. Hier nden sich einige sehr rhythmusbetonte Stücke, die von gutem Timing und großer Sauberkeit im Bass ganz enorm pro tieren. Aber auch von detaillierten und präzisen Höhen: Die dezenten Details in „ The Obvious Child“etwa, die schnell hinter der Percussion verschwinden können, verschluckt die Vento nicht. Sie bringt sie, perfekt in den Gesamtklang eingebettet, bis an die Ohren der Hörer. Herrlich!