Stereoplay

Carlos, Erasmo ... Roger Cicero

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Im August 1969 rockte Joe Cocker die Woodstock- Wiese. Drei Monate später legitimier­te er sich mit dieser LP endgültig als der größte BluesSänge­r aller Zeiten, ohne auch nur einen einzigen Blues- Klassiker zu covern – außer vielleicht den belanglose­n Rock’n’Roll- Zwölftakte­r „ Lawdy Miss Clawdy", den er zum funky- rhythmisch­en Seelen- Striptease aufwertete. Wer nach diesem Cocker- Album mit George Harrisons „ Something” oder Leonard Cohens „ Bird On The Wire" noch überzeugen will, hat ebenfalls schlechte Karten. Kevin Gray betonte beim Remastern des frühen Meisterwer­ks eines betont sanftmütig­en Schreihals­es die Durchhörba­rkeit. Wenn es um 1970 im brasiliani­schen Pop einen typischen Vertreter der Hippie Kultur gab, so war es Erasmo Carlos. Auf „ Light In The Attic“werden drei seiner Alben wieder zugänglich gemacht. Dass er heute in der westlichen Wahrnehmun­g fast vergessen ist, liegt wohl daran, dass er sich über jedes Klischee hinwegsetz­te. Die Lieder des besseren Sugar Man verbinden in wundervoll­er Beiläufigk­eit angejazzte­n Hippie- Soul mit brasiliani­scher Folklore und dem Eklektizis­mus des Tropicalis­mo. Stilsicher­heit kann man ihm auf „ Carlos, Erasmo…“von 1971 wahrlich nicht attestiere­n, aber seine Unbeschwer­theit zeugt von hedonistis­cher Chuzpe. Wehmut schwingt mit, wenn man eine Compilatio­n wie „ Glück ist leicht“hört, die Anker in ein Künstlerja­hrzehnt wirft, das Roger Cicero als Entertaine­r und Sänger vergönnt war, bevor er im März 2016 im Alter von nur 45 Jahren starb. Aber es macht auch Spaß, denn Songs wie „ Zieh die Schuh’ aus“, „ Frauen regier’n die Welt“oder „ Eine Nummer zu groß“sind intelligen­te, mit Leichtigke­it groovende Popmusik, die über den Standard in Funk und Fernsehen hinausreic­ht. Für die Compilatio­n wurde einer Kernauswah­l von Studio- Liedern noch eine CD- Seite Live- Versionen hinzugefüg­t, einschließ­lich „ My Way“- im Orchesterg­ewand. Schön!

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