Mitglieder des West- Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim, Pierre Boulez ( 2010/ 12)
Daniel Barenboims Hommage an den 2016 gestorbenen Pierre Boulez richtet das Ohrenmerk zugleich auf die glanzvollen Solisten in den Reihen des West- Eastern Divan Orchestra, das sonst ja bevorzugt als friedenspolitische Nahost- Initiative gewürdigt wird. Die Live- Einspielungen von 2010 und 2012 versammeln keine Orchesterwerke, sondern Ensemblekompositionen und Kammermusikalisches. Und dem ästhetischen wie spieltechnischen Extremismus der Boulez- Werke werden die Interpretationen mehr als nur gerecht. Im gut dreiviertelstündigen „ Dérive 2“mit seiner wimmelnden Strukturpolyphonie der Farben, Figuren und Attacken, seinen Momenten der von gleichsam kapillaren Klangbahnen durchpulsten Erstarrung wird dank Barenboims Leitung auch die spezifische Aggressivität der „ Sacre“- Reflexionen hörbar. Den „ Marteau sans maître“wiederum dirigierte Boulez selbst als sinnlichste Klangrecherche: fein geädert und hoch gespannt in der freilich nur näherungsweise realisierbaren Mikrodynamik. Mit der fast diseusenhaften, dabei punktgenauen Altistin Hilary Summers klingt es wie eine Entgrenzung von Schönbergs „ Pierrot Lunaire“: entrückt und erdig emotional zugleich. Perfekt ( wie auf seiner Solodebüt- CD) Michael Barenboims Violininteraktion mit der Live- Elektronik in „ Anthèmes 2“, ebenso das trillernde, flirrende Spiel des Klarinettisten Jussef Eisa mit seinem elektronischen Schatten in „ Dialogue de l‘ ombre double“. Alles zusammen eine wahrlich faszinierende Hommage an den Großmeister radikaler Moderne.