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Vitamin B18

Burmester bringt mit der neuen B18 einen bodenständ­igen Ableger der Regalbox B10 heraus. Doch könnte der Vater der Steilvorla­ge stolz sein auf den Familienzu­wachs?

- Stefan Schickedan­z

Vermutlich kennen Sie die Situation aus dem Bekanntenk­reis: Kaum hat man den Nachwuchs von Freunden oder Verwandten mal ein paar Jahre nicht gesehen, schon kommt einem der Satz „ Du bist aber groß geworden“über die Lippen. In diesem Fall dürfte es dem eigenen Vater so ergangen sein, als er die von ihm im Auftrag von Dieter Burmester geschaffen­e Regalbox B10 nach der Verwandlun­g in die Standsäule B18 wiedersah.

Das Entwickler­team, Jan Schuppe ( Design), Martin Lorenz ( Akustik) und Pascal Bings ( Konzept), das die neue 2,5- Wege- Konstrukti­on großgezoge­n hat, bat den Lautsprech­er- Konstrukte­ur Bernd Stark mit der Bitte um Feedback zum Hörtest. Dabei dürfte ihn der Vaterstolz überkommen haben. Die auf der CES in Las Vegas vorgestell­te B18 ist zwar fast dreimal so hoch wie die auf einem Abhörmonit­or für Dieter Burmester beruhende B10, orientiert sich aber am Design und der Bestückung der kleinen Schwester.

Was die Treiber betraf, ließ sich Stark seinerzeit von dem mit dem „ Goldenen Ohr 2016“prämierten High- End- 3D- System der S- Klasse von Mercedes- Benz leiten. Dort setzt Burmester nämlich nicht auf die von den bisherigen Boxen sowie den Fahrzeugen der Sportwagen­schmiede Porsche bekannten AMT- Bändchen. Stattdesse­n beliefert Burmester die anderen Schwaben mit Ringradiat­oren. Statt wie Canton, Focal oder B& W mit ihren Metall- oder Diamant- Hochtönern nach immer leichteren und steiferen Membran- Materialie­n zu suchen, spart man sich beim Ringradiat­or einfach den kritischen Teil in der Mitte und setzt allein auf den Rand der Membran, der direkt mit der Schwingspu­le verbunden ist und ihrer Bewegung daher trägheitsl­os folgen kann. Das resultiert in weniger „ Schlupf“wie beim Allradantr­ieb; die elektrisch­en AudioSigna­le werden trägheitsl­os und verzerrung­sarm in Luftschwin­gungen umgesetzt.

Burmester und Porsche

Kein Wunder also, dass Urgestein Bernd Stark unter In sidern als Anhänger des Ring- Werks gilt. Wegen der Verbindung zwischen Burmester und Porsche besann sich der Entwickler beim Tieftöner auf einen Chassis- Zulieferer aus dem Automotive- Bereich. Die Tief- Mitteltöne­r der B10- Boxen und deren Weiterentw­icklungen in der neuen B18 bauen auf diesen Technologi­e- Transfer. So besteht die 17- cm- Membran der mit einem aerodynami­sch optimierte­n Gusskorb versehenen Treiber aus Glasfaser.

Auf Basis dieser starken Leistung machte sich das

dreiköp ge Entwickler- Team daran, aus der kleinen B10 einen ausgewachs­enen, gleichwohl erschwingl­ichen ( zumindest nach den Maßstäben der Luxus- Marke Burmester) Standlauts­precher zu züchten. Das Ergebnis sieht sehr gut aus, ohne zu dick aufzutrage­n oder zu viel Raum zu beanspruch­en.

In der B18 trifft der speziell für Burmester gefertigte Ringradiat­or mit innen und außen aufgehängt­er Titanfolie auf zwei 17-cm- Koni mit Bassre ex- Gehäuse für den Tiefund mit geschlosse­ner Kammer für den Tief-Mittelton- Bereich. Die aufwendige, ebenfalls in einer separaten Kammer untergebra­chte 2,5- Wege- Weiche trennt bei 400 und 2300 Hertz. Zudem bietet sie die Möglichkei­t, den Lautsprech­er über ein schaltbare­s Hochpass lter an die Raumakusti­k anzupassen. In Verbindung mit den beigelegte­n Schaumstof­fpfropfen, mit denen sich die Bassre exÖffnung bedämpfen lässt, ergeben sich vier Abstimmung­svarianten für unterschie­dliche Räume und Geschmäcke­r.

Schlank und elegant

Einen weiteren Beitrag zur Harmonie zwischen der Box und der Behausung leistet das in vielen Echtholz- und Hochglanzl­ack-Ober ächen lieferbare Gehäuse des handgefert­igten Lautsprech­ers. Es wurde am Computer mithilfe der FEM- Analyse optimiert und besitzt ein neu entwickelt­es, computerbe­rechnetes FederMasse- Dämpfungss­ystem zur Entkopplun­g vom Boden. Die massive und besonders verwindung­ssteife Sandwich- Front aus Aluminium und MDF fördert ebenfalls die Präzision der Basswieder­gabe – nicht zuletzt durch reduzierte­s Nachschwin­gen, das sich sogar im mustergült­igen Zerfallssp­ektrum in unserem Labor nachweisen ließ.

Das schlanke, zeitlos elegante Design überzeugte die Augen der Hörjury auf den ersten Blick. Und es bedurfte auch keiner langen Arie, um die Ohren zu bezirzen. Die B18 besaß alle Tugenden, um ambitionie­rte Audiophile wie spaßorient­ierte Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Dass sie einen ausgewogen­en Klang bot, muss man bei den Erbanlagen der neuen Burmester- Box nicht betonen. Doch was man nicht stark genug unterstrei­chen kann, war ihre enorme Leichtigke­it und Spielfreud­e, mit der sie jede Art von Musik wiedergab. Der Ring- Radiator lieferte eine Hochtonau ösung jenseits üblicher Kalotten, wirkte dabei aber niemals streng oder vordergrün­dig. Die anderen Frequenzbe­reiche boten ein vergleichb­ares Niveau und sorgten dafür, dass man in der Darbietung versank. Man musste sich fast schon zwingen, über den immensen Hörspaß – Stichwort Boogie- Faktor – die Technik nicht zu vergessen. Zumindest in unserem Test bestand darin die eigentlich­e Herausford­erung, denn die Wiedergabe wirkte wie aus einem Guss.

Ein weiteres Luxus- Problem: Weil die B18 so edel aussah und so erwachsen aufspielte, galt es, sich immer wieder den Preis und ihren Platz in der Modellhier­archie in Erinnerung zu rufen. Denn sonst lief man Gefahr, dem postfaktis­chen Zeitgeist folgend nach der gefühlten Preisklass­e im fünfstelli­gen Bereich zu urteilen, wo man viele ihrer Tugenden zumindest in Einzeldisz­iplinen schon mal erlebt hatte. Doch Fakt ist, dass die Burmester B18 nur halb so viel kostet, wie sie hermacht.

Auch sonst bereitete sie dem Musikliebh­aber immense Freude, während sie den auf nüchterne Bewertung erpichten inneren Erbsenzähl­er au aufen ließ. Abgesehen von ihrer feinzeichn­enden, eleganten Art, war diese Box mit bekannten Schemata kaum zu packen. Ja, der Oberbass war eher etwas saftig als trocken. Und ja, sie kam nicht besonders tief in den Keller. Ihre Abbildung war zwar relativ groß und stabil, lag aber nicht unbedingt auf Rekordkurs in Sachen Plastizitä­t. Aber wer will auch schon den Lautsprech­er hören und nicht die Musik?

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