Vitamin B18
Burmester bringt mit der neuen B18 einen bodenständigen Ableger der Regalbox B10 heraus. Doch könnte der Vater der Steilvorlage stolz sein auf den Familienzuwachs?
Vermutlich kennen Sie die Situation aus dem Bekanntenkreis: Kaum hat man den Nachwuchs von Freunden oder Verwandten mal ein paar Jahre nicht gesehen, schon kommt einem der Satz „ Du bist aber groß geworden“über die Lippen. In diesem Fall dürfte es dem eigenen Vater so ergangen sein, als er die von ihm im Auftrag von Dieter Burmester geschaffene Regalbox B10 nach der Verwandlung in die Standsäule B18 wiedersah.
Das Entwicklerteam, Jan Schuppe ( Design), Martin Lorenz ( Akustik) und Pascal Bings ( Konzept), das die neue 2,5- Wege- Konstruktion großgezogen hat, bat den Lautsprecher- Konstrukteur Bernd Stark mit der Bitte um Feedback zum Hörtest. Dabei dürfte ihn der Vaterstolz überkommen haben. Die auf der CES in Las Vegas vorgestellte B18 ist zwar fast dreimal so hoch wie die auf einem Abhörmonitor für Dieter Burmester beruhende B10, orientiert sich aber am Design und der Bestückung der kleinen Schwester.
Was die Treiber betraf, ließ sich Stark seinerzeit von dem mit dem „ Goldenen Ohr 2016“prämierten High- End- 3D- System der S- Klasse von Mercedes- Benz leiten. Dort setzt Burmester nämlich nicht auf die von den bisherigen Boxen sowie den Fahrzeugen der Sportwagenschmiede Porsche bekannten AMT- Bändchen. Stattdessen beliefert Burmester die anderen Schwaben mit Ringradiatoren. Statt wie Canton, Focal oder B& W mit ihren Metall- oder Diamant- Hochtönern nach immer leichteren und steiferen Membran- Materialien zu suchen, spart man sich beim Ringradiator einfach den kritischen Teil in der Mitte und setzt allein auf den Rand der Membran, der direkt mit der Schwingspule verbunden ist und ihrer Bewegung daher trägheitslos folgen kann. Das resultiert in weniger „ Schlupf“wie beim Allradantrieb; die elektrischen AudioSignale werden trägheitslos und verzerrungsarm in Luftschwingungen umgesetzt.
Burmester und Porsche
Kein Wunder also, dass Urgestein Bernd Stark unter In sidern als Anhänger des Ring- Werks gilt. Wegen der Verbindung zwischen Burmester und Porsche besann sich der Entwickler beim Tieftöner auf einen Chassis- Zulieferer aus dem Automotive- Bereich. Die Tief- Mitteltöner der B10- Boxen und deren Weiterentwicklungen in der neuen B18 bauen auf diesen Technologie- Transfer. So besteht die 17- cm- Membran der mit einem aerodynamisch optimierten Gusskorb versehenen Treiber aus Glasfaser.
Auf Basis dieser starken Leistung machte sich das
dreiköp ge Entwickler- Team daran, aus der kleinen B10 einen ausgewachsenen, gleichwohl erschwinglichen ( zumindest nach den Maßstäben der Luxus- Marke Burmester) Standlautsprecher zu züchten. Das Ergebnis sieht sehr gut aus, ohne zu dick aufzutragen oder zu viel Raum zu beanspruchen.
In der B18 trifft der speziell für Burmester gefertigte Ringradiator mit innen und außen aufgehängter Titanfolie auf zwei 17-cm- Koni mit Bassre ex- Gehäuse für den Tiefund mit geschlossener Kammer für den Tief-Mittelton- Bereich. Die aufwendige, ebenfalls in einer separaten Kammer untergebrachte 2,5- Wege- Weiche trennt bei 400 und 2300 Hertz. Zudem bietet sie die Möglichkeit, den Lautsprecher über ein schaltbares Hochpass lter an die Raumakustik anzupassen. In Verbindung mit den beigelegten Schaumstoffpfropfen, mit denen sich die Bassre exÖffnung bedämpfen lässt, ergeben sich vier Abstimmungsvarianten für unterschiedliche Räume und Geschmäcker.
Schlank und elegant
Einen weiteren Beitrag zur Harmonie zwischen der Box und der Behausung leistet das in vielen Echtholz- und Hochglanzlack-Ober ächen lieferbare Gehäuse des handgefertigten Lautsprechers. Es wurde am Computer mithilfe der FEM- Analyse optimiert und besitzt ein neu entwickeltes, computerberechnetes FederMasse- Dämpfungssystem zur Entkopplung vom Boden. Die massive und besonders verwindungssteife Sandwich- Front aus Aluminium und MDF fördert ebenfalls die Präzision der Basswiedergabe – nicht zuletzt durch reduziertes Nachschwingen, das sich sogar im mustergültigen Zerfallsspektrum in unserem Labor nachweisen ließ.
Das schlanke, zeitlos elegante Design überzeugte die Augen der Hörjury auf den ersten Blick. Und es bedurfte auch keiner langen Arie, um die Ohren zu bezirzen. Die B18 besaß alle Tugenden, um ambitionierte Audiophile wie spaßorientierte Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Dass sie einen ausgewogenen Klang bot, muss man bei den Erbanlagen der neuen Burmester- Box nicht betonen. Doch was man nicht stark genug unterstreichen kann, war ihre enorme Leichtigkeit und Spielfreude, mit der sie jede Art von Musik wiedergab. Der Ring- Radiator lieferte eine Hochtonau ösung jenseits üblicher Kalotten, wirkte dabei aber niemals streng oder vordergründig. Die anderen Frequenzbereiche boten ein vergleichbares Niveau und sorgten dafür, dass man in der Darbietung versank. Man musste sich fast schon zwingen, über den immensen Hörspaß – Stichwort Boogie- Faktor – die Technik nicht zu vergessen. Zumindest in unserem Test bestand darin die eigentliche Herausforderung, denn die Wiedergabe wirkte wie aus einem Guss.
Ein weiteres Luxus- Problem: Weil die B18 so edel aussah und so erwachsen aufspielte, galt es, sich immer wieder den Preis und ihren Platz in der Modellhierarchie in Erinnerung zu rufen. Denn sonst lief man Gefahr, dem postfaktischen Zeitgeist folgend nach der gefühlten Preisklasse im fünfstelligen Bereich zu urteilen, wo man viele ihrer Tugenden zumindest in Einzeldisziplinen schon mal erlebt hatte. Doch Fakt ist, dass die Burmester B18 nur halb so viel kostet, wie sie hermacht.
Auch sonst bereitete sie dem Musikliebhaber immense Freude, während sie den auf nüchterne Bewertung erpichten inneren Erbsenzähler au aufen ließ. Abgesehen von ihrer feinzeichnenden, eleganten Art, war diese Box mit bekannten Schemata kaum zu packen. Ja, der Oberbass war eher etwas saftig als trocken. Und ja, sie kam nicht besonders tief in den Keller. Ihre Abbildung war zwar relativ groß und stabil, lag aber nicht unbedingt auf Rekordkurs in Sachen Plastizität. Aber wer will auch schon den Lautsprecher hören und nicht die Musik?