Vinyl- FAQ
Alte Technik reloaded: Ein Plattenspieler ist kein Hexenwerk, sondern ein kultiges Hobby mit durchschaubarer Mechanik, aber höchstem Klangpotenzial. Auch totale Newcomer müssen deshalb keine Berührungsängste haben.
Wo stelle ich meinen Plattenspieler auf?
Es leuchtet sicher jedem ein, dass das nur Mikrometer kleine Universum von Nadel und Schallplattenrille möglichst ungestört bleiben sollte. Genau aus diesem Grund sind Schwergewichtskonzepte bei Laufwerks- Designern sehr beliebt, sollte ein guter Dreher seinem Job doch mit dem Beharrungsvermögen eines nassen Sacks Zement nachgehen. Luftschall ( etwa von Lautsprechern) oder Vibrationen ( vom Antriebsmotor oder ebenfalls durch Lautsprecher oder gar Subwoofer ausgelöst) sind Gift für einen präzisen Abtastvorgang.
Einen Plattenspieler deshalb gleich in einen angrenzenden Raum zu verbannen, ist die konsequenteste und gleichzeitig wohl unbeliebteste und unpraktischste Lösung. Zumal der Vinyl- Freak seinen „ Altar“ja im Betrieb auch sehen möchte.
Die Faustregel lautet deshalb: raus aus dem Schallfeld der Lautsprecher. In der Folge landet man also möglichst weit weg von den Boxen und sollte bei der Verwendung eines Plattenspielers auf die beliebte, aber auch akustisch völlig falsche Platzierung der Anlage auf einem Rack zwischen beiden Lautsprechern verzichten.
Besser ist bereits die Wand gegenüber der Boxen- Ebene, hinter dem Hörplatz oder ein ruhiges Eckchen seitlich an der Wand. Längere Lautsprecherkabel richten klanglich keinen Schaden an, ein Plattenspieler, der „ rappelt“, dagegen schon. Aufstellbeispiele nden Sie in den Gra ken A und B unten.
Worauf stelle ich meinen Plattenspieler?
Logisch: Wer möglichst viel Ruhe benötigt, der stellt ihn am besten auf einen Bleiklotz. Den verkörpert vielleicht schon ein wohl gefülltes Plattenregal oder ein clever designtes Rack, das bestimmt nicht wackelt, schaukelt oder gar mit klirrenden Glasböden versehen ist. Ein dickes Multiplexbrett, vom Pro sicher an die Wand gedübelt, tut es auch, sofern es sich nicht um eine mitschwingende Gipskarton- Trennwand handelt.
Der Zubehörmarkt bietet eine große Auswahl plattenspielertauglicher Racks. Aber bedenken Sie, dass dicke Verstärker mit dicken Netztrafos nicht in die unmittelbare Nähe eines Plattenspielers gehören. Vor allem MC- Abtaster und die TonarmVerkabelung sind emp ndlich gegen Brumm- Einstreuungen.
Ein stabiler Tisch oder ein schweres Sideboard erfüllt ebenfalls den Zweck. Der Fantasie und den Eingebungen versierter Heimwerker sind letztlich wenig Grenzen gesetzt – Hauptsache, stabil.
Einen Tipp sollten Sie beherzigen: In Kniehöhe ist ein Plattenspieler unpraktisch und eine Qual für den Rücken. In Hüfthöhe passt es besser, noch höher ist aber wieder unpraktisch, weil man kaum noch bequem am Laufwerk arbeiten kann; schließlich wollen Sie vielleicht mal einen anderen Tonabnehmer einbauen...
Wie stelle ich meinen Plattenspieler auf?
Ein Plattenteller, der sich völlig gleichmäßig drehen soll, ein Tonarm, der einen Kreisausschnitt abfährt und dabei mit nur rund 20 Milli- Newton auf die Nadel drückt, eine Plattenrille, deren Auslenkungen im Mikro meterbereich liegen. Kein Wunder, dass der Plattenspieler erst mal gerade stehen sollte: „ im Wasser“, wie es so schön heißt. Und das möglichst präzise, wobei das Eigengewicht einer großen Wasserwaage manches Laufwerk wieder in die Federknie drücken würde.
Deshalb nutzt man vorwiegend leichte Dosenlibellen, die bei abgenommenen Plattenteller- Au agen direkt auf dem Alu- oder Kunststoff- Teller und/ oder auf dem Chassis platziert werden. Drei verstellbare Füße unter dem Laufwerk sind nützlich, ansonsten verwendet man harte Unterlagen.
Unser Tipp: Auch das Rack und der Tisch sollten schon präzise horizontal stehen. Den Plattenspieler stellen wir mithilfe der Libelle akkurat ins Wasser; falls ein „ Plattenbeschwerer“dabei ist, mit diesem, und auch das Gegengewicht des Tonarms, das ja unsere Justage verfälschen könnte, sollte schon aufgeschoben sein.
Welche Arten von Plattenspielern gibt es?
Grundlegend unterscheidet man Plattenspieler nach ihrem Antriebsprinzip: 1. Riementriebler sind die am weitesten verbreitete Art. Es
gibt Antriebe mit Flachriemen, Rundriemen oder „ Strings“, das sind meist extrem dünne Silikon- oder Nylonfäden. 2. Direktantriebler: Hier sitzt der Motor an der Mittelachse, der sogenannten Spindel. 3. Reibradantrieb: Hier wird die Antriebskraft meist innen unter dem Teller über ein am Tellerrand angedrücktes Reibrad übertragen. Dieser drehmomentstarke Antrieb kam früher oft zum Einsatz, ist aber heutzutage sehr selten.
Als weiteres Unterscheidungsmerkmal dient das Grundkonzept eines Laufwerks. Plattenspieler, die möglichst schwer gebaut sind, nennt man Masselaufwerke, bewusst leicht gebaute Dreher – sie bestehen häu g aus einem einzigen Chassis-„ Brett“– heißen tatsächlich auch „ Brett“- Spieler. Laufwerke mit einem schwingend aufgehängten Teller nennt man Subchassis- Plattenspieler. Von diesen Konstruktionsphilosophien existieren auch zahlreiche Mischformen unter Verwendung unterschiedlichster Materialien.
Welche Antriebsmotoren gibt es?
Sehr häu g sind sogenannte Synchronmotoren, die Wechselspannung benötigen und ihre Drehzahl über die Netzfrequenz halten. Geichspannungsmotoren mit elektronischer Regelung kommen ebenfalls gerne zum Einsatz. Bei aufwendigen Direkttrieblern ndet man auch Plattenteller mit Drehzahl- Sensoren zur Motorsteuerung.
Welche Drehzahlen sind relevant? Wie prüfe ich sie?
Die meisten Plattenspieler bieten die Standard- Drehzahl von 33,33 Umdrehungen pro Minute für Stereo- LPs sowie die 45 Umdrehungen für Singles. Bei der Drehzahl kommt es auf zwei Dinge an: die Drehzahl möglichst schwankungsfrei zu halten und die Absolutdrehzahl möglichst exakt zu treffen. Die einfachste Methode zur Prüfung sind sogenannte Stroboskopscheiben, die mithilfe einer Standard- Glühbirne und deren Netzfrequenz- Flackern bei korrekter Drehzahl eine stehende Teilung aufweisen. Da Glühbirnen- Beleuchtung nicht mehr so häu g vorhanden ist, kommen oft Sets aus Stroboscheibe und dazugehörigem Handlämpchen zum Einsatz.
Welche Tonarme gibt es?
Tonarme sind dazu da, den Tonabnehmer zu tragen. Man unterscheidet zwischen Drehtonarmen ( das ist die häu gste Variante) und Tangentialtonarmen. Bei Drehtonarmen überstreicht der Abtaster einen Kreisausschnitt über der Schallplatte, bei einem Tangentialtonarm hingegen eine gedachte Gerade durch die Mitte der Spindel.
Üblicherweise entspricht ein Tonarm einem ausbalancierten Hebelsystem mit ungleichen Hebelarmen. Der kurze Hebelarm trägt das Gegengewicht, der lange Hebelarm den Tonabnehmer. Die Einstellung der im Grammbereich liegenden Auflagekraft erfolgt meist durch Verstellung des Gegengewichts oder durch Federkraft.
Was ist ein tangentialer Spurfehlwinkel?
Was sich so herrlich kompliziert anhört, ist in Wirklichkeit eine einfache Sache: Denkt man sich Tangenten an den Kreis der Rillen der Schallplatte angelegt, so repräsentieren diese Geraden einen Spurfehlwinkel von null. Zu einer gedachten Geraden, die durch die Spindel führt, stehen diese Tangenten immer im 90- Grad- Winkel. Dies entspricht der Bewegung des Schneidstichels der Schneidemaschine, mit der die MutterLackfolie der Platte einst geschnitten wurde.
Im Gegensatz zu einem Tangentialtonarm kann ein Drehtonarm diese Gerade durch die Spindel nicht abfahren, er beschreibt vielmehr einen Kreisausschnitt. Die Winkelabweichung zu den Tangenten bezeichnet man dabei als Spurfehlwinkel. Ein gut design ter Drehtonarm minimiert seinen Spurfehlwinkel so, dass dieser über der Schallplatte zweimal optimale null Grad erreicht, während die restlichen Abweichungen zwischen Einlauf- und Endrille der Platte akzeptabel gering bleiben.
Bei den Drehtonarmen kommen prinzipiell zwei Längen zum Einsatz: neun Zoll für „ kurze“Arme, Zwölf-Zoll- Tonarme bezeichnet mal als „ lange“Tonarme. Bei langen Ton-
armen sind die Spurfehlwinkel naturgemäß geringer.
Was ist Auflagekraft?
Die Au agekraft ist jene senkrecht von oben wirkende Kraft, die durch die gewollte Unbalance eines Tonarms entsteht und somit die Nadel des Tonabnehmers in die Plattenrille drückt. Bei üblichen Tonabnehmersystemen liegen die Au agekräfte hersteller- und typabhängig zwischen etwa 15 und 40 Milli- Newton, entsprechend 1,5 bis vier Gramm.
Die Au agekraft ist der wichtigste Parameter beim korrekten Einbau eines Tonabnehmers in einen Tonarm und sollte genau den Vorgaben des Tonabnehmer- Herstellers entsprechen. Um auf Nummer sicher zu gehen, benutzt man dazu am besten eine elektronische Au agekraft- Waage, wobei die Messung der Au agekraft unbedingt auf Höhe der Schallplatten- Ober äche erfolgen sollte.
Was ist der vertikale Spurfehlwinkel ( VTA)?
Der VTA bezieht sich auf die exakt vertikale Ausrichtung ( 90- Grad- Winkel) der Abtastnadel zur Plattenrille, wenn man die Abtastnadel von der Seite betrachtet, also auf den seitlichen Korpus des Tonabnehmers blickt. Tonabnehmer sind so gebaut, dass sich der korrekte VTA ergibt, wenn die Au agekraft richtig ist und die Oberkante des Tonabnehmers parallel zur Schallplattenober äche liegt. Wegen unterschiedlicher Bauhöhen von Tonabnehmern weisen gute Tonarme am Schaft eine Höhenverstellung auf.
Was ist die Skating- Kraft?
Bei Radial- Tonarmen entsteht beim Abtastvorgang durch die Reibung zwischen Plattenrille und Abtastnadel eine letztlich durch die Kröpfung des Drehtonarms ausgelöste Kraft, die den Tonarm nach innen in Richtung Spindel zieht und so ungleichmäßigen Druck auf die Rillen anken verursacht. Die Höhe der Skating- Kraft hängt mit der Au agekraft, dem Nadelschliff ( der Größe der Kontaktzone) und der Drehzahl zusammen.
Die Skating- Kraft wird mithilfe von Antiskating- Vorrichtungen kompensiert. In der Praxis geschieht das mit einem Federsystem oder mit einem Faden mit Gegengewicht, welches den Tonarm nach außen zieht. Ebenso wie die Au agekraft gehört das Maß der Antiskating-Kraft zu den essenziellen Einstellungen an einem Tonarm.
Was bedeutet Abtastfähigkeit?
Sie kennzeichnet, welche RillenAuslenkungen ( Pegel) ein Tonabnehmer noch verzerrungsfrei abtasten kann. Ein übliches Maß liegt bei 80 Mi krometern eines 315- Hertz- Signals. Die Abtastfähigkeit hängt eng mit der Compliance ( Nadelnachgiebigkeit) eines Tonabnehmers zusammen, sie nimmt mit steigender Compliance zu.
Was ist die Nadelnachgiebigkeit?
Die über den Nadelträger federnd und beweglich aufgehängte Nadel ist ein Federsystem, welches bei einer Krafteinwirkung horizontal und vertikal nachgibt. Die Nadelnachgiebigkeit ( Compliance) bezeichnet die „ Härte“des Federsystems; sie wird in Mikrometer pro Milli- Newton angegeben. In der Praxis bewegen sich Tonabnehmer etwa im Bereich zwischen 10 und 20 Mikrometer/ mN.
Was ist die bewegte Masse?
Auch als effektive Masse bezeichnet, bezieht sich die bewegte Masse auf die zu bewegende Masse des Tonarms, die nicht mit dessen Eigengewicht zu verwechseln ist; die effektive Masse wird am auf null ausbalancierten Tonarm gemessen.
Mit montiertem Abtaster bezieht sich die effektive Masse auf das gesamte Ensemble aus Tonarm und Tonabnehmer einschließlich Befestigungsschrau- ben. Da diese effektive Masse über das Federsystem der Abtastnadel mit der Au agekraft auf der Schallplatte au iegt, entsteht ein Masse- Federsystem mit einer Resonanzstelle, deren Lage von den Parametern Compliance ( des Tonabnehmers) und bewegter Masse ( vom Tonarm) abhängt.
Optimalerweise paart man Tonabnehmer und Tonarme so, dass die Resonanz zwischen acht und zwölf Hertz liegt, also im unhörbaren Bereich, aber noch oberhalb subsonischer Frequenzen von wenigen Hertz, die etwa durch Antriebsrumpeln oder Trittschall ausgelöst werden könnten.
In der Praxis kombiniert man schwere Tonarme mit Abtastern geringerer Compliance und leichte Tonarme mit Tonabnehmern höherer Compliance. Eine Normung exisiert in diesem Bereich nicht. Die Resonanzfrequenz lässt sich mithilfe von Testplatten leicht ermitteln, übrigens ebenso wie die Abtastfähigkeit. Es gibt – zum Glück eher selten – „ überschnittene“Schallplatten, die manchen Tonabnehmer in puncto Abtastfähigkeit überfordern.
Kann ich meinen Plattenspieler selbst einstellen?
Im Vertrauen auf eine gute und vor allem vollständige Bedienungsanleitung kann man diese Arbeit bei vormontiertem Tonarm sorgfältig und vor allem bedächtig ( Tonabnehmer- Nadeln sind fragil) durchaus selber erledigen.
Wer unsicher ist, sollte allerdings besser auf seinen Fachhändler vertrauen. Oder – unser Tipp – zunächst mal einen sehr preisgünstigen Tonabnehmer ( die gibt es schon ab 30 Euro) als Probelauf einbauen und justieren.