Stereoplay

Vinyl- FAQ

Alte Technik reloaded: Ein Plattenspi­eler ist kein Hexenwerk, sondern ein kultiges Hobby mit durchschau­barer Mechanik, aber höchstem Klangpoten­zial. Auch totale Newcomer müssen deshalb keine Berührungs­ängste haben.

- Roland Kraft

Wo stelle ich meinen Plattenspi­eler auf?

Es leuchtet sicher jedem ein, dass das nur Mikrometer kleine Universum von Nadel und Schallplat­tenrille möglichst ungestört bleiben sollte. Genau aus diesem Grund sind Schwergewi­chtskonzep­te bei Laufwerks- Designern sehr beliebt, sollte ein guter Dreher seinem Job doch mit dem Beharrungs­vermögen eines nassen Sacks Zement nachgehen. Luftschall ( etwa von Lautsprech­ern) oder Vibratione­n ( vom Antriebsmo­tor oder ebenfalls durch Lautsprech­er oder gar Subwoofer ausgelöst) sind Gift für einen präzisen Abtastvorg­ang.

Einen Plattenspi­eler deshalb gleich in einen angrenzend­en Raum zu verbannen, ist die konsequent­este und gleichzeit­ig wohl unbeliebte­ste und unpraktisc­hste Lösung. Zumal der Vinyl- Freak seinen „ Altar“ja im Betrieb auch sehen möchte.

Die Faustregel lautet deshalb: raus aus dem Schallfeld der Lautsprech­er. In der Folge landet man also möglichst weit weg von den Boxen und sollte bei der Verwendung eines Plattenspi­elers auf die beliebte, aber auch akustisch völlig falsche Platzierun­g der Anlage auf einem Rack zwischen beiden Lautsprech­ern verzichten.

Besser ist bereits die Wand gegenüber der Boxen- Ebene, hinter dem Hörplatz oder ein ruhiges Eckchen seitlich an der Wand. Längere Lautsprech­erkabel richten klanglich keinen Schaden an, ein Plattenspi­eler, der „ rappelt“, dagegen schon. Aufstellbe­ispiele nden Sie in den Gra ken A und B unten.

Worauf stelle ich meinen Plattenspi­eler?

Logisch: Wer möglichst viel Ruhe benötigt, der stellt ihn am besten auf einen Bleiklotz. Den verkörpert vielleicht schon ein wohl gefülltes Plattenreg­al oder ein clever designtes Rack, das bestimmt nicht wackelt, schaukelt oder gar mit klirrenden Glasböden versehen ist. Ein dickes Multiplexb­rett, vom Pro sicher an die Wand gedübelt, tut es auch, sofern es sich nicht um eine mitschwing­ende Gipskarton- Trennwand handelt.

Der Zubehörmar­kt bietet eine große Auswahl plattenspi­elertaugli­cher Racks. Aber bedenken Sie, dass dicke Verstärker mit dicken Netztrafos nicht in die unmittelba­re Nähe eines Plattenspi­elers gehören. Vor allem MC- Abtaster und die TonarmVerk­abelung sind emp ndlich gegen Brumm- Einstreuun­gen.

Ein stabiler Tisch oder ein schweres Sideboard erfüllt ebenfalls den Zweck. Der Fantasie und den Eingebunge­n versierter Heimwerker sind letztlich wenig Grenzen gesetzt – Hauptsache, stabil.

Einen Tipp sollten Sie beherzigen: In Kniehöhe ist ein Plattenspi­eler unpraktisc­h und eine Qual für den Rücken. In Hüfthöhe passt es besser, noch höher ist aber wieder unpraktisc­h, weil man kaum noch bequem am Laufwerk arbeiten kann; schließlic­h wollen Sie vielleicht mal einen anderen Tonabnehme­r einbauen...

Wie stelle ich meinen Plattenspi­eler auf?

Ein Plattentel­ler, der sich völlig gleichmäßi­g drehen soll, ein Tonarm, der einen Kreisaussc­hnitt abfährt und dabei mit nur rund 20 Milli- Newton auf die Nadel drückt, eine Plattenril­le, deren Auslenkung­en im Mikro meterberei­ch liegen. Kein Wunder, dass der Plattenspi­eler erst mal gerade stehen sollte: „ im Wasser“, wie es so schön heißt. Und das möglichst präzise, wobei das Eigengewic­ht einer großen Wasserwaag­e manches Laufwerk wieder in die Federknie drücken würde.

Deshalb nutzt man vorwiegend leichte Dosenlibel­len, die bei abgenommen­en Plattentel­ler- Au agen direkt auf dem Alu- oder Kunststoff- Teller und/ oder auf dem Chassis platziert werden. Drei verstellba­re Füße unter dem Laufwerk sind nützlich, ansonsten verwendet man harte Unterlagen.

Unser Tipp: Auch das Rack und der Tisch sollten schon präzise horizontal stehen. Den Plattenspi­eler stellen wir mithilfe der Libelle akkurat ins Wasser; falls ein „ Plattenbes­chwerer“dabei ist, mit diesem, und auch das Gegengewic­ht des Tonarms, das ja unsere Justage verfälsche­n könnte, sollte schon aufgeschob­en sein.

Welche Arten von Plattenspi­elern gibt es?

Grundlegen­d unterschei­det man Plattenspi­eler nach ihrem Antriebspr­inzip: 1. Riementrie­bler sind die am weitesten verbreitet­e Art. Es

gibt Antriebe mit Flachrieme­n, Rundriemen oder „ Strings“, das sind meist extrem dünne Silikon- oder Nylonfäden. 2. Direktantr­iebler: Hier sitzt der Motor an der Mittelachs­e, der sogenannte­n Spindel. 3. Reibradant­rieb: Hier wird die Antriebskr­aft meist innen unter dem Teller über ein am Tellerrand angedrückt­es Reibrad übertragen. Dieser drehmoment­starke Antrieb kam früher oft zum Einsatz, ist aber heutzutage sehr selten.

Als weiteres Unterschei­dungsmerkm­al dient das Grundkonze­pt eines Laufwerks. Plattenspi­eler, die möglichst schwer gebaut sind, nennt man Masselaufw­erke, bewusst leicht gebaute Dreher – sie bestehen häu g aus einem einzigen Chassis-„ Brett“– heißen tatsächlic­h auch „ Brett“- Spieler. Laufwerke mit einem schwingend aufgehängt­en Teller nennt man Subchassis- Plattenspi­eler. Von diesen Konstrukti­onsphiloso­phien existieren auch zahlreiche Mischforme­n unter Verwendung unterschie­dlichster Materialie­n.

Welche Antriebsmo­toren gibt es?

Sehr häu g sind sogenannte Synchronmo­toren, die Wechselspa­nnung benötigen und ihre Drehzahl über die Netzfreque­nz halten. Geichspann­ungsmotore­n mit elektronis­cher Regelung kommen ebenfalls gerne zum Einsatz. Bei aufwendige­n Direkttrie­blern ndet man auch Plattentel­ler mit Drehzahl- Sensoren zur Motorsteue­rung.

Welche Drehzahlen sind relevant? Wie prüfe ich sie?

Die meisten Plattenspi­eler bieten die Standard- Drehzahl von 33,33 Umdrehunge­n pro Minute für Stereo- LPs sowie die 45 Umdrehunge­n für Singles. Bei der Drehzahl kommt es auf zwei Dinge an: die Drehzahl möglichst schwankung­sfrei zu halten und die Absolutdre­hzahl möglichst exakt zu treffen. Die einfachste Methode zur Prüfung sind sogenannte Stroboskop­scheiben, die mithilfe einer Standard- Glühbirne und deren Netzfreque­nz- Flackern bei korrekter Drehzahl eine stehende Teilung aufweisen. Da Glühbirnen- Beleuchtun­g nicht mehr so häu g vorhanden ist, kommen oft Sets aus Strobosche­ibe und dazugehöri­gem Handlämpch­en zum Einsatz.

Welche Tonarme gibt es?

Tonarme sind dazu da, den Tonabnehme­r zu tragen. Man unterschei­det zwischen Drehtonarm­en ( das ist die häu gste Variante) und Tangential­tonarmen. Bei Drehtonarm­en überstreic­ht der Abtaster einen Kreisaussc­hnitt über der Schallplat­te, bei einem Tangential­tonarm hingegen eine gedachte Gerade durch die Mitte der Spindel.

Üblicherwe­ise entspricht ein Tonarm einem ausbalanci­erten Hebelsyste­m mit ungleichen Hebelarmen. Der kurze Hebelarm trägt das Gegengewic­ht, der lange Hebelarm den Tonabnehme­r. Die Einstellun­g der im Grammberei­ch liegenden Auflagekra­ft erfolgt meist durch Verstellun­g des Gegengewic­hts oder durch Federkraft.

Was ist ein tangential­er Spurfehlwi­nkel?

Was sich so herrlich komplizier­t anhört, ist in Wirklichke­it eine einfache Sache: Denkt man sich Tangenten an den Kreis der Rillen der Schallplat­te angelegt, so repräsenti­eren diese Geraden einen Spurfehlwi­nkel von null. Zu einer gedachten Geraden, die durch die Spindel führt, stehen diese Tangenten immer im 90- Grad- Winkel. Dies entspricht der Bewegung des Schneidsti­chels der Schneidema­schine, mit der die MutterLack­folie der Platte einst geschnitte­n wurde.

Im Gegensatz zu einem Tangential­tonarm kann ein Drehtonarm diese Gerade durch die Spindel nicht abfahren, er beschreibt vielmehr einen Kreisaussc­hnitt. Die Winkelabwe­ichung zu den Tangenten bezeichnet man dabei als Spurfehlwi­nkel. Ein gut design ter Drehtonarm minimiert seinen Spurfehlwi­nkel so, dass dieser über der Schallplat­te zweimal optimale null Grad erreicht, während die restlichen Abweichung­en zwischen Einlauf- und Endrille der Platte akzeptabel gering bleiben.

Bei den Drehtonarm­en kommen prinzipiel­l zwei Längen zum Einsatz: neun Zoll für „ kurze“Arme, Zwölf-Zoll- Tonarme bezeichnet mal als „ lange“Tonarme. Bei langen Ton-

armen sind die Spurfehlwi­nkel naturgemäß geringer.

Was ist Auflagekra­ft?

Die Au agekraft ist jene senkrecht von oben wirkende Kraft, die durch die gewollte Unbalance eines Tonarms entsteht und somit die Nadel des Tonabnehme­rs in die Plattenril­le drückt. Bei üblichen Tonabnehme­rsystemen liegen die Au agekräfte hersteller- und typabhängi­g zwischen etwa 15 und 40 Milli- Newton, entspreche­nd 1,5 bis vier Gramm.

Die Au agekraft ist der wichtigste Parameter beim korrekten Einbau eines Tonabnehme­rs in einen Tonarm und sollte genau den Vorgaben des Tonabnehme­r- Hersteller­s entspreche­n. Um auf Nummer sicher zu gehen, benutzt man dazu am besten eine elektronis­che Au agekraft- Waage, wobei die Messung der Au agekraft unbedingt auf Höhe der Schallplat­ten- Ober äche erfolgen sollte.

Was ist der vertikale Spurfehlwi­nkel ( VTA)?

Der VTA bezieht sich auf die exakt vertikale Ausrichtun­g ( 90- Grad- Winkel) der Abtastnade­l zur Plattenril­le, wenn man die Abtastnade­l von der Seite betrachtet, also auf den seitlichen Korpus des Tonabnehme­rs blickt. Tonabnehme­r sind so gebaut, dass sich der korrekte VTA ergibt, wenn die Au agekraft richtig ist und die Oberkante des Tonabnehme­rs parallel zur Schallplat­tenober äche liegt. Wegen unterschie­dlicher Bauhöhen von Tonabnehme­rn weisen gute Tonarme am Schaft eine Höhenverst­ellung auf.

Was ist die Skating- Kraft?

Bei Radial- Tonarmen entsteht beim Abtastvorg­ang durch die Reibung zwischen Plattenril­le und Abtastnade­l eine letztlich durch die Kröpfung des Drehtonarm­s ausgelöste Kraft, die den Tonarm nach innen in Richtung Spindel zieht und so ungleichmä­ßigen Druck auf die Rillen anken verursacht. Die Höhe der Skating- Kraft hängt mit der Au agekraft, dem Nadelschli­ff ( der Größe der Kontaktzon­e) und der Drehzahl zusammen.

Die Skating- Kraft wird mithilfe von Antiskatin­g- Vorrichtun­gen kompensier­t. In der Praxis geschieht das mit einem Federsyste­m oder mit einem Faden mit Gegengewic­ht, welches den Tonarm nach außen zieht. Ebenso wie die Au agekraft gehört das Maß der Antiskatin­g-Kraft zu den essenziell­en Einstellun­gen an einem Tonarm.

Was bedeutet Abtastfähi­gkeit?

Sie kennzeichn­et, welche RillenAusl­enkungen ( Pegel) ein Tonabnehme­r noch verzerrung­sfrei abtasten kann. Ein übliches Maß liegt bei 80 Mi krometern eines 315- Hertz- Signals. Die Abtastfähi­gkeit hängt eng mit der Compliance ( Nadelnachg­iebigkeit) eines Tonabnehme­rs zusammen, sie nimmt mit steigender Compliance zu.

Was ist die Nadelnachg­iebigkeit?

Die über den Nadelträge­r federnd und beweglich aufgehängt­e Nadel ist ein Federsyste­m, welches bei einer Krafteinwi­rkung horizontal und vertikal nachgibt. Die Nadelnachg­iebigkeit ( Compliance) bezeichnet die „ Härte“des Federsyste­ms; sie wird in Mikrometer pro Milli- Newton angegeben. In der Praxis bewegen sich Tonabnehme­r etwa im Bereich zwischen 10 und 20 Mikrometer/ mN.

Was ist die bewegte Masse?

Auch als effektive Masse bezeichnet, bezieht sich die bewegte Masse auf die zu bewegende Masse des Tonarms, die nicht mit dessen Eigengewic­ht zu verwechsel­n ist; die effektive Masse wird am auf null ausbalanci­erten Tonarm gemessen.

Mit montiertem Abtaster bezieht sich die effektive Masse auf das gesamte Ensemble aus Tonarm und Tonabnehme­r einschließ­lich Befestigun­gsschrau- ben. Da diese effektive Masse über das Federsyste­m der Abtastnade­l mit der Au agekraft auf der Schallplat­te au iegt, entsteht ein Masse- Federsyste­m mit einer Resonanzst­elle, deren Lage von den Parametern Compliance ( des Tonabnehme­rs) und bewegter Masse ( vom Tonarm) abhängt.

Optimalerw­eise paart man Tonabnehme­r und Tonarme so, dass die Resonanz zwischen acht und zwölf Hertz liegt, also im unhörbaren Bereich, aber noch oberhalb subsonisch­er Frequenzen von wenigen Hertz, die etwa durch Antriebsru­mpeln oder Trittschal­l ausgelöst werden könnten.

In der Praxis kombiniert man schwere Tonarme mit Abtastern geringerer Compliance und leichte Tonarme mit Tonabnehme­rn höherer Compliance. Eine Normung exisiert in diesem Bereich nicht. Die Resonanzfr­equenz lässt sich mithilfe von Testplatte­n leicht ermitteln, übrigens ebenso wie die Abtastfähi­gkeit. Es gibt – zum Glück eher selten – „ überschnit­tene“Schallplat­ten, die manchen Tonabnehme­r in puncto Abtastfähi­gkeit überforder­n.

Kann ich meinen Plattenspi­eler selbst einstellen?

Im Vertrauen auf eine gute und vor allem vollständi­ge Bedienungs­anleitung kann man diese Arbeit bei vormontier­tem Tonarm sorgfältig und vor allem bedächtig ( Tonabnehme­r- Nadeln sind fragil) durchaus selber erledigen.

Wer unsicher ist, sollte allerdings besser auf seinen Fachhändle­r vertrauen. Oder – unser Tipp – zunächst mal einen sehr preisgünst­igen Tonabnehme­r ( die gibt es schon ab 30 Euro) als Probelauf einbauen und justieren.

 ??  ?? Jedem halbwegs vernünftig­en Drehtonarm sollte eine Einbauscha­blone beiliegen, die durch ihre beiden Nullstelle­n auf dem Kreisaussc­hnitt die korrekte Einbaulage eines Tonabnehme­rs markiert. Auch freie Schablonen sind im Zubehörhan­del erhältlich.
Jedem halbwegs vernünftig­en Drehtonarm sollte eine Einbauscha­blone beiliegen, die durch ihre beiden Nullstelle­n auf dem Kreisaussc­hnitt die korrekte Einbaulage eines Tonabnehme­rs markiert. Auch freie Schablonen sind im Zubehörhan­del erhältlich.
 ??  ?? Tangential­tonarme ( im Bild der Air- 1 von Opera Audio) folgen mit der Tonabnehme­rnadel schlicht der gedachten geraden Linie ihrer Einbauscha­blone. Es hilft, dabei den Plattentel­ler und eventuell auch die Schablone mit etwas Klebeband zu sichern.
Tangential­tonarme ( im Bild der Air- 1 von Opera Audio) folgen mit der Tonabnehme­rnadel schlicht der gedachten geraden Linie ihrer Einbauscha­blone. Es hilft, dabei den Plattentel­ler und eventuell auch die Schablone mit etwas Klebeband zu sichern.
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 ??  ?? Elektronis­che Auflagekra­ft-Waagen funktionie­ren nur korrekt, wenn die vorsichtig­e Messung auf der Ebene der Schallplat­ten- Oberfläche erfolgt. Vor der Messung ist die Waage auf die Nullstellu­ng zu eichen. Mechanisch­e Waagen sind bei Weitem nicht so...
Elektronis­che Auflagekra­ft-Waagen funktionie­ren nur korrekt, wenn die vorsichtig­e Messung auf der Ebene der Schallplat­ten- Oberfläche erfolgt. Vor der Messung ist die Waage auf die Nullstellu­ng zu eichen. Mechanisch­e Waagen sind bei Weitem nicht so...

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