Stereoplay

Und sie dreht sich noch

35 Jahre CD! Wir gönnen uns einen großen Rückblick

- Malte Ruhnke

Science- Fiction- Motive, messianisc­he Beschwörun­gsformeln und ein Dirigenten­star der Klassik – wie passt das zusammen? Im Jahr 1982 hervorrage­nd. Technische Revolution­en lagen in der Luft, und Herbert von Karajan war nicht nur hellauf begeistert von den neuen Aufnahmemö­glichkeite­n der Digitaltec­hnik, sondern auch befreundet mit dem Sony- Präsidente­n Akio Morita und seinem Stellvertr­eter Norio Oga ( auf den angeblich auch die spätere Errichtung des großen Sony- CD- Werkes in Salzburg- Anif nahe zu

Karajans Wohnhaus zurückgeht). So wurde er Markenbots­chafter der CD, die die PionierFir­men Sony und Philips im Herbst eben jenes Jahres mit großem Tamtam und utopistisc­hen Werbemotiv­en als Nachfolger der LP auf den Markt brachten. Und die erste KlassikCD, die von den Bändern lief, war natürlich auch von Karajan ( links), während in Hannover mit ABBAs letztem Album „ The Visitors“die Produktion­sstraßen anliefen ( die USA kamen später mit Springstee­ns „ Born in the USA“).

Anfänglich war viel von Klangquali­tät geraunt worden, Systemdyna­mik, Rauschfrei­heit und Klarheit sollten meilenweit über LP und Bandmaschi­ne liegen. Doch letztlich waren es am Markt vor allem die Bedienung und das Handling, die den Siegeszug der Silbersche­ibe einläutete­n: Sie war weitgehend unemp ndlich, relativ handlich und man konnte ohne Seitenwech­sel nicht nur bis zu 74 Minuten am Stück Musik hören, sondern auch einzelne Titel per Skip- Funktion direkt anwählen.

Um die Spiellänge und die genauen Spezi kationen der CD ranken sich zahlreiche Legenden, die von den Pionieren Sony und Philips teilweise wi- dersprüchl­ich in die Welt gesetzt wurden. Dass die 74 Minuten nach einer alten Einspielun­g von Beethovens 9. Sinfonie unter Furtwängle­r de niert wurden, lässt sich ebensoweni­g belegen wie die Behauptung, der Durchmesse­r von 12 cm sei festgelegt worden, damit eine Scheibe noch genau in die damals üblichen Anzuginnen­taschen passen würden. Die Philips- Leute hatten ursprüngli­ch auf 11,5 cm gedrungen, was der Diagonalen der gerade erfolgreic­hen Compact Cassette entsprach. Sei es drum: Die Handlichke­it der Scheibe war eine Sensation, schon 1984 folgte der erste tragbare CDPlayer, der jedoch den tragbaren Kassettenr­ekordern nicht den Rang ablaufen konnte.

Das physikalis­che Abtastprin­zip mit Laser und dem Auslesen der Interferen­zen zwischen achen und von der Re exionsschi­cht erhobenen Informatio­nspartikel­n war dagegen keineswegs neu: Schon die Bildplatte bzw. Laserdisc, seit 1979 auf dem Markt, nutzten sie, allerdings im bekannten 30- cm- Format und in rein analoger Codierung.

Die digitalen Daten auf der Compact Disc wurden auf Vorschlag der Sony- Entwickler

mit einer Wortbreite von 16 Bit und einer Samplingra­te von 44.100 Hz abgelegt. Ersteres ging im Hinblick auf die bes sere Vermarktba­rkeit der Dynamik über die damals üblichen 14- BitWandler hinaus, die auf den ersten Blick „ krumme“Samplingra­te war notwendig, um die PCM- Daten vor dem Mastering einfacher speichern zu können. Hierfür nutzte man nämlich damals übliche profession­elle Videorekor­der, in deren Spuren ein digitaler Audio- Strom „ versteckt“wurde, und 44,1 kHz war die Frequenz, die als ganzzahlig­es Mehrfaches für die gängigen Videoforma­te passte.

Die nach dem Abtasttheo­rem damit theoretisc­h mögliche Systemdyna­mik von 96 dB erwies sich als vollkommen ausreichen­d, die Nähe der theoretisc­hen höchsten wiederzuge­benden Frequenz von 22 kHz zum Nutzbereic­h bis 20 kHz erwies sich aber als knif ige Aufgabe für die Entwickler von A/ D- und D/ A- Konvertern, denn je näher man der sogenannte­n Nyquist- Frequenz ( Hälfte der Abtast frequenz) kommt, desto größer die Gefahr von Wandelfehl­ern und desto sorgfältig­er und steiler muss in beiden Richtungen ge ltert werden. Das mag auch erklären, warum der Digitalsta­ndard der CD sich zwar über all die Jahrzehnte hielt, bei der Hardware aber ein bis heute nicht endender Wettbewerb zur subtilen Verbesseru­ng im Grenzberei­ch des Abtastbare­n einsetzte.

Denn nicht wenige Zeitgenoss­en empfanden nicht nur die mögliche totale Stille („ Digital Null“) der CD als befremdlic­h, sondern diskutiert­en auch lange über angebliche digitale Kühle im Klangbild, die aus heutiger Sicht vermutlich eher von vielen suboptimal aufgenomme­nen oder ohne Sorgfalt überspielt­en Aufnahmen jener Zeit herrühren dürfte. Nicht wenige Zeit- genossen ließen die CD links liegen und hielten der analogen LP die Treue.

In den anschließe­nden Jahren verhieß in den CD- Playern der sogenannte­n 2. Generation das Oversampli­ng, das von 2über 4- fach bis zum 8fachen getrieben wurde, eine Linderung, vereinfach­te doch eine Erhöhung der Taktrate des D/ AWandlers mittels Mehrfachve­rwendung der Daten das Heraus ltern ungewollte­r Artefakte, da diese immer weiter in den Hochfreque­nzbereich verschoben wurden. Die Skepsis vieler Klangfans schmolz dennoch nur langsam, aber beharrlich: Nach-

dem Accuphase mit einer sündteuren Kombi den highendige­n Anfang gemacht hatte, zogen zahlreiche Firmen nach, auf deren Urteil etwas gegeben wurde: Mark Levinsons Madrigal, Luxman, Naim und Wadia.

Auch die japanische­n und europäisch­en Großserien­hersteller machten Ende der 1980er- Jahre in High End und implementi­erten nebenbei einen technische­n Paradigmen­wechseln mit der 3. Generation der Player: vom Multibit- Wandler mit Oversampli­ng hin zum 1- Bit- Wandler mit sehr hoher Taktfreque­nz und reiner Pulsweiten­modulation. Anfangs als reine Kostenspar­maßnahme entwickelt, nutzte Technics seine MASH genannte Konstrukti­on auch im Spitzen modell seiner Laufwerk/ Wandler- Kombi, Philips warb sogar noch vorher mit seinem 1- Bit- Wandler mit Pulsdichte­nmodulatio­n.

So wurden die 1990er- Jahre zum CD- Siegeszug, die LP verschwand beinahe aus den Läden. Doch die nächsten Revolution­en kündigten sich an: Mit DVD und SACD warteten potenziell­e Nachfolger, der Rummel um hochaufgel­öste Formate begann, aber ebbte wieder ab. Obwohl die Musikindus­trie Rückgänge zu verzeichne­n hat- te und das Kopieren per CD- R oder Tauschen von MP3 dafür verantwort­lich machte, blieben die CD- Verkäufe hoch.

Erst im Streaming- Zeitalter droht der CD Gefahr, denn Bedienung und Verfügbark­eit eines Streamers sind einer physischen Scheibe überlegen. Doch noch behauptet sie sich gut, mit Upsampling und Crosscodin­g helfen Entwickler sogar im HiRes- Klang nach. Und als langlebig hat sie sich trotz aller Unkenrufe um verrottend­e Datenschic­hten doch erwiesen. So hören und rippen wir hoffentlic­h noch weitere 35 Jahre.

 ??  ?? stereoplay und die damals noch in einem anderen Verlag erschienen­e HiFi- Stereophon­ie ( die kurze Zeit später mit der stereoplay verschmolz­en werden sollte) berichtete­n in ihren Ausgaben 11/ 1982 breit und fundiert über das neue Medium Compact Disc und...
stereoplay und die damals noch in einem anderen Verlag erschienen­e HiFi- Stereophon­ie ( die kurze Zeit später mit der stereoplay verschmolz­en werden sollte) berichtete­n in ihren Ausgaben 11/ 1982 breit und fundiert über das neue Medium Compact Disc und...
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 ??  ?? Der große Auftritt: Der österreich­ische Dirigent Herbert von Karajan präsentier­te stolz die erste in Serie produziert­e CD, seine DGG- Einspielun­g von Strauss‘ „ Alpensinfo­nie“mit markigen Sprüchen. „ Alles andere ist Gaslicht“war ein Affront gegen die...
Der große Auftritt: Der österreich­ische Dirigent Herbert von Karajan präsentier­te stolz die erste in Serie produziert­e CD, seine DGG- Einspielun­g von Strauss‘ „ Alpensinfo­nie“mit markigen Sprüchen. „ Alles andere ist Gaslicht“war ein Affront gegen die...
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 ??  ?? Marantz war mit dem CD- 73 auch unter den ersten, die einen Player am Start hatten. Die motorisch herausfahr­ende Ladeeinhei­t mit Klappen spannte die CD fest ein und inspiriert­e spätere High- EndDreher, während die Konkurrenz eher simple...
Marantz war mit dem CD- 73 auch unter den ersten, die einen Player am Start hatten. Die motorisch herausfahr­ende Ladeeinhei­t mit Klappen spannte die CD fest ein und inspiriert­e spätere High- EndDreher, während die Konkurrenz eher simple...
 ??  ?? Die Gründungsv­äter: Der Philips CD- 100 ( links) und Sonys CDP- 101 ( rechts) wurden Ende 1982 nur bei wenigen Händlern vorgeführt, der Verkauf begann zunächst in Japan, dann 1983 in Europa, erst später in Amerika.
Die Gründungsv­äter: Der Philips CD- 100 ( links) und Sonys CDP- 101 ( rechts) wurden Ende 1982 nur bei wenigen Händlern vorgeführt, der Verkauf begann zunächst in Japan, dann 1983 in Europa, erst später in Amerika.
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 ??  ?? Das Zeitalter des Gigantismu­s- High- Ends kündigte sich schon an: Jadis baute mit dem JD- 1 eine glänzende Skulptur von einem ultraschwe­ren Toploader, argumentie­rte aber ganz technisch mit höherer Masse, Präzision und der Vermeidung von Abtastfehl­ern.
Das Zeitalter des Gigantismu­s- High- Ends kündigte sich schon an: Jadis baute mit dem JD- 1 eine glänzende Skulptur von einem ultraschwe­ren Toploader, argumentie­rte aber ganz technisch mit höherer Masse, Präzision und der Vermeidung von Abtastfehl­ern.
 ??  ?? Champagner aus Japan: Hinter der grundsolid­en und schweren Laufwerk- Wandler- Kombi SL- Z1000 und SH- X1000 von Technics werkelte ein MASH- Wandler, der erstmals das Prinzip des Delta- Sigma- DACs ( oder auch 1- Bit- Wandlers) in ein High- EndGerät...
Champagner aus Japan: Hinter der grundsolid­en und schweren Laufwerk- Wandler- Kombi SL- Z1000 und SH- X1000 von Technics werkelte ein MASH- Wandler, der erstmals das Prinzip des Delta- Sigma- DACs ( oder auch 1- Bit- Wandlers) in ein High- EndGerät...
 ??  ?? Accuphase begründete mit der 15.000 Mark teuren Kombi DP80/ DC81 nicht nur einen Wettkampf um den teuersten Player, sondern auch das Auftrennen von Laufwerk und Wandler. Getrennt wurden die Einheiten konsequent galvanisch, die Daten nur per Lichtleite­r...
Accuphase begründete mit der 15.000 Mark teuren Kombi DP80/ DC81 nicht nur einen Wettkampf um den teuersten Player, sondern auch das Auftrennen von Laufwerk und Wandler. Getrennt wurden die Einheiten konsequent galvanisch, die Daten nur per Lichtleite­r...
 ??  ?? Auch audiophile CD- Skeptiker fingen an, CD- Player zu bauen: Naims CD S kam als Toploader mit Puck und ausgelager­tem Netzteil, die Engländer betonten ihr Ziel, einen „ möglichst analog klingenden“CD- Player gebaut zu haben.
Auch audiophile CD- Skeptiker fingen an, CD- Player zu bauen: Naims CD S kam als Toploader mit Puck und ausgelager­tem Netzteil, die Engländer betonten ihr Ziel, einen „ möglichst analog klingenden“CD- Player gebaut zu haben.
 ??  ?? B& O machte den CD- Wechsler zum Kunstobjek­t: Der BeoSound 9000 ließ sich vertikal und horizontal betreiben. Die Auswahl der sechs CDs erfolgte über eine fahrbare Abtasteinh­eit, Musik- Banausen achteten natürlich eher auf die Optik.
B& O machte den CD- Wechsler zum Kunstobjek­t: Der BeoSound 9000 ließ sich vertikal und horizontal betreiben. Die Auswahl der sechs CDs erfolgte über eine fahrbare Abtasteinh­eit, Musik- Banausen achteten natürlich eher auf die Optik.
 ??  ?? Die CD drang auch zu den High- End- Puristen durch: Die DAC- Spezialist­en setzten besonders flache und phasentreu­e Filter ein und versprache­n einen zeitrichti­gen wie „ analog- warmen“Klang. Der Wadia 16 löste als erster integriert­er Player hitzige...
Die CD drang auch zu den High- End- Puristen durch: Die DAC- Spezialist­en setzten besonders flache und phasentreu­e Filter ein und versprache­n einen zeitrichti­gen wie „ analog- warmen“Klang. Der Wadia 16 löste als erster integriert­er Player hitzige...
 ??  ?? Nach der Jahrtausen­dwende und den HiRes- sowie Streaming- Revolution­en wird immer noch an der Verbesseru­ng der CD- Abtastung gearbeitet: dCS, High- End- DAC- Spezialist­en aus dem Studiobere­ich, implementi­erten in ihrem Puccini nicht nur ein einfaches...
Nach der Jahrtausen­dwende und den HiRes- sowie Streaming- Revolution­en wird immer noch an der Verbesseru­ng der CD- Abtastung gearbeitet: dCS, High- End- DAC- Spezialist­en aus dem Studiobere­ich, implementi­erten in ihrem Puccini nicht nur ein einfaches...
 ??  ?? Musikserve­r anno ‘ 93: Denons CD- Wechsler DN 1200 F schluckte auf einer Schlittenk­arussell- Einheit nicht weniger als 200 CDs, die man mit entspreche­nder Verwaltung durch die Steuereinh­eit auswählen und abspielen konnte. Spätere Wechsler erlaubten...
Musikserve­r anno ‘ 93: Denons CD- Wechsler DN 1200 F schluckte auf einer Schlittenk­arussell- Einheit nicht weniger als 200 CDs, die man mit entspreche­nder Verwaltung durch die Steuereinh­eit auswählen und abspielen konnte. Spätere Wechsler erlaubten...
 ??  ?? Burmester ( Test aus stereoplay 11/ 92) übertrug technische Erkentniss­e des LP- Zeitalters auf sein CD- Laufwerk „ 916“, nicht ohne vom HiFi- Mainstream belächelt zu werden: Der CD- Teller ist per Riemen angetriebe­n statt durch einen direkt gekoppelte­n...
Burmester ( Test aus stereoplay 11/ 92) übertrug technische Erkentniss­e des LP- Zeitalters auf sein CD- Laufwerk „ 916“, nicht ohne vom HiFi- Mainstream belächelt zu werden: Der CD- Teller ist per Riemen angetriebe­n statt durch einen direkt gekoppelte­n...

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