Audio Deva atmo sfera
Resonanzen schaden dem guten Klang. Daher verzichtet der Audio Deva atmo sfera auf einen richtigen Teller.
Über einen Mangel an neuen Plattenspielern kann man sich wahrlich nicht beklagen. Es beschleicht einen aber immer wieder das Gefühl, dass sich die Geräte extrem ähneln, was nicht nur darauf zurückzuführen ist, dass die Technik verglichen mit anderer Technologie uralt ist. Da ist es umso erfreulicher, wenn ein Hersteller mal wirklich frischen Wind in die Szene bringt.
Genau das tut die italienische Marke Audio Deva mit den in Deutschland von authentic sound vertriebenen Laufwerken atmo sfera. Diese fallen zuallererst dadurch auf, dass sie keinen Plattenteller haben – zumindest keinen im herkömmlichen Format. Manch einer muss sich vielleicht erst mit dem ungewöhnlichen Konzept anfreunden. Das fällt entschie- den leichter, wenn man mit dem Chefentwickler Paolo Caviglia spricht. Dann bekommt man nämlich schnell den Eindruck, dass dieser Mann genau weiß, was er tut.
Klar, das Design spielte bei der Entwicklung des atmo sfera eine wichtige Rolle. Warum nicht den coolsten Plattenspieler der Welt entwerfen, dachte sich Caviglia. Aber hinter all den Formen, hinter dem Verzicht auf einen klassischen Teller und hinter dem Einsatz eines winzigen Motors steckt ein durchdachtes Konzept, das das Resonanzverhalten aller Komponenten genau berücksichtigt.
Störende Resonanzen
Resonanzen macht der Physiker und leidenschaftliche VinylHörer Caviglia dafür verantwortlich, dass er nie richtig zu- frieden Platten hören konnte. Hauptproblem: der Teller. Je größer und massiver, desto mehr Energie speichert der Teller – und die wird irgendwann auch wieder freigegeben, was dann Probleme verursacht. Warum also nicht eine Idee wiederbeleben, dachte sich Caviglia, die in England bereits einmal schiefgegangen ist: den tellerlosen Plattenspieler.
Dabei orientierte sich die Entwicklung auch am Gebot „ Form follows Function“. Daher wurde nicht einfach ein Zylinder als Plattenteller gewählt, sondern eine abge achte Kuppel. Die sieht schicker aus und bildet zusammen mit der Schraubklemme, mit der die LPs auf dem Teller xiert werden ( nur das Label hat Kontakt zum Teller), eine in ihrem Resonanzverhalten schön vorher- sehbare Halbkugel. Messungen haben ergeben, dass die Eigenresonanz bei über 9,1 kHz liegt, wohingegen laut Caviglia Schallplatten bei etwa 4 kHz resonieren. Dass der Teller also die Platte zum Schwingen bringt, kann ausgeschlossen werden. A propos messen: Bei Audio Deva kommt hochwertigste Messtechnik zum Einsatz. Auf der Homepage des Vertriebs nden sich daher auch einige interessante Messdaten ( www. authentic- sound. com).
Nix da
Schaut man die Unterseite des Tellers an, sieht man, dass er hohl ist. Das spart Gewicht und bietet Platz für den Lagerdorn aus einer Ergal- AluminiumLegierung. Der Dorn taucht in eine Buchse aus mit Te on beschichtetem Stahl. Hier wurde
beim Zusammenspiel der Bauteile bewusst ein Spielraum von 4/ 10 mm eingeplant, schließlich braucht auch das schmierende Öl noch etwas Platz.
Karbon meets Quintet
Ganz nah am Teller sitzt das mit extrem geringen Toleranzen versehene Aluminium- Pulley. Die Verbindung zum Teller stellt ein gewöhnlicher Gummiring her. Hier wird ganz bewusst auf Materialien wie Silikon oder Nylon verzichtet, die sich bei Messungen alle als dem Gummi unterlegen erwiesen haben.
Der Tonarm des atmo sfera passt insofern gut ins Konzept, als auch er optisch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Das Karbonrohr fällt ziemlich dick aus. Am einen Ende sitzt ein angeschraubtes Gegengewicht, das die Maße des Armrohrs nicht überschreitet, am anderen Ende ragt eine Headshell unterm Arm vor. Das sieht nicht unbedingt elegant aus, ist aber funktional. Für den deutschen Markt hat man sich entschieden, dem Arm einen Armlift zu verpassen. Dieser wird von Jelco zugeliefert und bekommt dann eine Karbonhalterung spendiert.
Runde Ecken
All diese Bauteile sitzen auf der Grundplatte, die ebenfalls aus Anticorodal- Aluminium besteht und im Grunde ein Dreieck mit abgerundeten Ecken darstellt. Form und Material sorgen beim Chassis für eine Eigenresonanz von etwa 18 kHz. Auf der Unterseite nden sich drei höhenverstellbare entkoppelnde Füße, die aus Gründen des Resonanzverhaltens die Form des Tellers aufgreifen, sowie der äußerst kleine Motor. Ein größerer ist nicht nötig, weil der Teller nur 400 Gramm wiegt.
Wo wenig Kraft steckt, kommt es auch zu weniger Vibrationen, sodass der Teller gefahrlos an die Grundplatte geschraubt werden kann. Zwar ist er durch kleine Gummiringe entkoppelt, das sei aber eigentlich nur gemacht worden, um auch die letzten Skeptiker zu beruhigen, so Caviglia. Nötig sei die Entkopplung nicht, da der Teller das stabile Chassis nicht anregen könne.
Erhältlich sind derzeit zwei Versionen des atmo sfera: die Lifestyle- Version mit Aluminiumarm und Ortofon OM 5, die zudem weniger aufwendig verarbeitet ist, und die hier getestete High- End- Version. Der Karbonarm ist speziell auf hochwertige Ortofon- Tonabnehmer zugeschnitten und das Laufwerk wird entsprechend mit einem Quintet Bronze ausgeliefert. Auf Wunsch kann
man aber auch ein Cadenza MC einbauen lassen oder ganz auf einen Tonabnehmer verzichten.
Neben den Standardfarben Silber, Orange, Weiß und Schwarz hat man die Wahl zwischen sechs Sonderfarben. Auch hierzu sei auf die Homepage des Vertriebs verwiesen.
Nicht abgebildet ist hier die externe Motorsteuerung. Einfach, weil diese gerade ein neues Kleid verpasst bekommt und wir mit der alten, technisch aber identischen Version auskommen mussten. Daneben arbeiten die Italiener gerade an weiteren Tellern aus Holz und Kunststoff – dem Vernehmen nach sind hier noch klangliche Zugewinne möglich. Und wer gerne mehr als 4000 Euro ausgeben möchte, kann sich freuen: Im kommenden Jahr wird es ein „ Super- Laufwerk“geben, das vermutlich an der 10.000- EuroMarke kratzen wird.
Schon die ersten Takte machten dann im Hörraum klar, von welch hoher Qualität der atmo sfera ist. Die Klarheit von Mitten und Grundton ist auffallend, das kommt insbesondere Stimmen zugute. Nicht weniger auffallend ist die schlicht phänomenale Abbildung! Die Bühne ist groß, breit und sehr tief, Instrumente und Stimmen stehen schön plastisch im Raum.
Show A Little Faith, There’s Magic In The Night
Ganz schnell ist übrigens auch klar, dass man für eine satte, saubere und tiefe Basswiedergabe tatsächlich keinen massiven Teller benötigt. Das Konzept geht auf, niemand wird beim Blindtest auf einen 3- kgPlattenspieler tippen. Aber es ist nicht die Quantität des Basses, die so begeistert, sondern die Qualität. Hören Sie sich mit diesem Setup mal Springsteens Album „ Born To Run“an, Sie haben den Bass vermutlich noch nie so singen und swingen gehört. Das Differenzierungsver- mögen ist es, was eine wirklich tolle Basswiedergabe entscheidend ausmacht. Und hier spielt der atmo sfera ganz weit vorne. Der Bass ist das stabile wie ausdrucksstarke Fundament, auf dem sich die Kombo aus Arm, Tonabnehmer und Laufwerk fein- und grobdynamisch richtig austoben kann.
Nach längerer Abstinenz legten wir auch mal wieder Harry Belafontes Carnegie- Hall- Konzert ( Speakers Corner) auf. Der atmo sfera brannte ein Feuerwerk ab, die Bläser in „ Mama Look A Booboo“hauten die Tester förmlich um, klangen unglaublich energiegeladen und sehr lebensecht.
Es ist einfach, den atmo sfera aufgrund seiner Optik zu unterschätzen. Zu spleenig, zu schön und zu massearm sieht er aus. Wer ihn aber hört, wird sich wundern: Dieser Plattenspieler hat es faustdick hinter den Ohren. Ein Hammer!