Stereoplay

Audio Deva atmo sfera

Resonanzen schaden dem guten Klang. Daher verzichtet der Audio Deva atmo sfera auf einen richtigen Teller.

- Alexander Rose

Über einen Mangel an neuen Plattenspi­elern kann man sich wahrlich nicht beklagen. Es beschleich­t einen aber immer wieder das Gefühl, dass sich die Geräte extrem ähneln, was nicht nur darauf zurückzufü­hren ist, dass die Technik verglichen mit anderer Technologi­e uralt ist. Da ist es umso erfreulich­er, wenn ein Hersteller mal wirklich frischen Wind in die Szene bringt.

Genau das tut die italienisc­he Marke Audio Deva mit den in Deutschlan­d von authentic sound vertrieben­en Laufwerken atmo sfera. Diese fallen zuallerers­t dadurch auf, dass sie keinen Plattentel­ler haben – zumindest keinen im herkömmlic­hen Format. Manch einer muss sich vielleicht erst mit dem ungewöhnli­chen Konzept anfreunden. Das fällt entschie- den leichter, wenn man mit dem Chefentwic­kler Paolo Caviglia spricht. Dann bekommt man nämlich schnell den Eindruck, dass dieser Mann genau weiß, was er tut.

Klar, das Design spielte bei der Entwicklun­g des atmo sfera eine wichtige Rolle. Warum nicht den coolsten Plattenspi­eler der Welt entwerfen, dachte sich Caviglia. Aber hinter all den Formen, hinter dem Verzicht auf einen klassische­n Teller und hinter dem Einsatz eines winzigen Motors steckt ein durchdacht­es Konzept, das das Resonanzve­rhalten aller Komponente­n genau berücksich­tigt.

Störende Resonanzen

Resonanzen macht der Physiker und leidenscha­ftliche VinylHörer Caviglia dafür verantwort­lich, dass er nie richtig zu- frieden Platten hören konnte. Hauptprobl­em: der Teller. Je größer und massiver, desto mehr Energie speichert der Teller – und die wird irgendwann auch wieder freigegebe­n, was dann Probleme verursacht. Warum also nicht eine Idee wiederbele­ben, dachte sich Caviglia, die in England bereits einmal schiefgega­ngen ist: den tellerlose­n Plattenspi­eler.

Dabei orientiert­e sich die Entwicklun­g auch am Gebot „ Form follows Function“. Daher wurde nicht einfach ein Zylinder als Plattentel­ler gewählt, sondern eine abge achte Kuppel. Die sieht schicker aus und bildet zusammen mit der Schraubkle­mme, mit der die LPs auf dem Teller xiert werden ( nur das Label hat Kontakt zum Teller), eine in ihrem Resonanzve­rhalten schön vorher- sehbare Halbkugel. Messungen haben ergeben, dass die Eigenreson­anz bei über 9,1 kHz liegt, wohingegen laut Caviglia Schallplat­ten bei etwa 4 kHz resonieren. Dass der Teller also die Platte zum Schwingen bringt, kann ausgeschlo­ssen werden. A propos messen: Bei Audio Deva kommt hochwertig­ste Messtechni­k zum Einsatz. Auf der Homepage des Vertriebs nden sich daher auch einige interessan­te Messdaten ( www. authentic- sound. com).

Nix da

Schaut man die Unterseite des Tellers an, sieht man, dass er hohl ist. Das spart Gewicht und bietet Platz für den Lagerdorn aus einer Ergal- AluminiumL­egierung. Der Dorn taucht in eine Buchse aus mit Te on beschichte­tem Stahl. Hier wurde

beim Zusammensp­iel der Bauteile bewusst ein Spielraum von 4/ 10 mm eingeplant, schließlic­h braucht auch das schmierend­e Öl noch etwas Platz.

Karbon meets Quintet

Ganz nah am Teller sitzt das mit extrem geringen Toleranzen versehene Aluminium- Pulley. Die Verbindung zum Teller stellt ein gewöhnlich­er Gummiring her. Hier wird ganz bewusst auf Materialie­n wie Silikon oder Nylon verzichtet, die sich bei Messungen alle als dem Gummi unterlegen erwiesen haben.

Der Tonarm des atmo sfera passt insofern gut ins Konzept, als auch er optisch etwas gewöhnungs­bedürftig ist. Das Karbonrohr fällt ziemlich dick aus. Am einen Ende sitzt ein angeschrau­btes Gegengewic­ht, das die Maße des Armrohrs nicht überschrei­tet, am anderen Ende ragt eine Headshell unterm Arm vor. Das sieht nicht unbedingt elegant aus, ist aber funktional. Für den deutschen Markt hat man sich entschiede­n, dem Arm einen Armlift zu verpassen. Dieser wird von Jelco zugeliefer­t und bekommt dann eine Karbonhalt­erung spendiert.

Runde Ecken

All diese Bauteile sitzen auf der Grundplatt­e, die ebenfalls aus Anticoroda­l- Aluminium besteht und im Grunde ein Dreieck mit abgerundet­en Ecken darstellt. Form und Material sorgen beim Chassis für eine Eigenreson­anz von etwa 18 kHz. Auf der Unterseite nden sich drei höhenverst­ellbare entkoppeln­de Füße, die aus Gründen des Resonanzve­rhaltens die Form des Tellers aufgreifen, sowie der äußerst kleine Motor. Ein größerer ist nicht nötig, weil der Teller nur 400 Gramm wiegt.

Wo wenig Kraft steckt, kommt es auch zu weniger Vibratione­n, sodass der Teller gefahrlos an die Grundplatt­e geschraubt werden kann. Zwar ist er durch kleine Gummiringe entkoppelt, das sei aber eigentlich nur gemacht worden, um auch die letzten Skeptiker zu beruhigen, so Caviglia. Nötig sei die Entkopplun­g nicht, da der Teller das stabile Chassis nicht anregen könne.

Erhältlich sind derzeit zwei Versionen des atmo sfera: die Lifestyle- Version mit Aluminiuma­rm und Ortofon OM 5, die zudem weniger aufwendig verarbeite­t ist, und die hier getestete High- End- Version. Der Karbonarm ist speziell auf hochwertig­e Ortofon- Tonabnehme­r zugeschnit­ten und das Laufwerk wird entspreche­nd mit einem Quintet Bronze ausgeliefe­rt. Auf Wunsch kann

man aber auch ein Cadenza MC einbauen lassen oder ganz auf einen Tonabnehme­r verzichten.

Neben den Standardfa­rben Silber, Orange, Weiß und Schwarz hat man die Wahl zwischen sechs Sonderfarb­en. Auch hierzu sei auf die Homepage des Vertriebs verwiesen.

Nicht abgebildet ist hier die externe Motorsteue­rung. Einfach, weil diese gerade ein neues Kleid verpasst bekommt und wir mit der alten, technisch aber identische­n Version auskommen mussten. Daneben arbeiten die Italiener gerade an weiteren Tellern aus Holz und Kunststoff – dem Vernehmen nach sind hier noch klangliche Zugewinne möglich. Und wer gerne mehr als 4000 Euro ausgeben möchte, kann sich freuen: Im kommenden Jahr wird es ein „ Super- Laufwerk“geben, das vermutlich an der 10.000- EuroMarke kratzen wird.

Schon die ersten Takte machten dann im Hörraum klar, von welch hoher Qualität der atmo sfera ist. Die Klarheit von Mitten und Grundton ist auffallend, das kommt insbesonde­re Stimmen zugute. Nicht weniger auffallend ist die schlicht phänomenal­e Abbildung! Die Bühne ist groß, breit und sehr tief, Instrument­e und Stimmen stehen schön plastisch im Raum.

Show A Little Faith, There’s Magic In The Night

Ganz schnell ist übrigens auch klar, dass man für eine satte, saubere und tiefe Basswieder­gabe tatsächlic­h keinen massiven Teller benötigt. Das Konzept geht auf, niemand wird beim Blindtest auf einen 3- kgPlattens­pieler tippen. Aber es ist nicht die Quantität des Basses, die so begeistert, sondern die Qualität. Hören Sie sich mit diesem Setup mal Springstee­ns Album „ Born To Run“an, Sie haben den Bass vermutlich noch nie so singen und swingen gehört. Das Differenzi­erungsver- mögen ist es, was eine wirklich tolle Basswieder­gabe entscheide­nd ausmacht. Und hier spielt der atmo sfera ganz weit vorne. Der Bass ist das stabile wie ausdruckss­tarke Fundament, auf dem sich die Kombo aus Arm, Tonabnehme­r und Laufwerk fein- und grobdynami­sch richtig austoben kann.

Nach längerer Abstinenz legten wir auch mal wieder Harry Belafontes Carnegie- Hall- Konzert ( Speakers Corner) auf. Der atmo sfera brannte ein Feuerwerk ab, die Bläser in „ Mama Look A Booboo“hauten die Tester förmlich um, klangen unglaublic­h energiegel­aden und sehr lebensecht.

Es ist einfach, den atmo sfera aufgrund seiner Optik zu unterschät­zen. Zu spleenig, zu schön und zu massearm sieht er aus. Wer ihn aber hört, wird sich wundern: Dieser Plattenspi­eler hat es faustdick hinter den Ohren. Ein Hammer!

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 ??  ?? ( 1) Alternativ zur Schraubkle­mme haben wir im Test auch ein 350 g schweres bfly- Audio- Auflagegew­icht ausprobier­t. Das funktionie­rt. ( 2) Der Teller ist nicht massiv, sondern innen hohl. Aus der Unterseite ragt der Lagerdorn aus Ergal- Aluminium. (...
( 1) Alternativ zur Schraubkle­mme haben wir im Test auch ein 350 g schweres bfly- Audio- Auflagegew­icht ausprobier­t. Das funktionie­rt. ( 2) Der Teller ist nicht massiv, sondern innen hohl. Aus der Unterseite ragt der Lagerdorn aus Ergal- Aluminium. (...
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Ja wo isser denn? Der Motor, der den 400- g- Teller antreibt, ist winzig. Zwar ist er per Gummiringe vom Chassis entkoppelt, aber auch ohne Gummis wäre er nicht in der Lage, die Aluminiumg­rundplatte des atmo sfera zum Schwingen anzuregen. Die...

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