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B& W 706 S2

Wohnraum wird in den Städten immer teurer. Wer traurig ist, weil er auf weniger Platz lebt, kann hier Trost nden: Die brandneue B& W 706 S2 blüht in kleinen und mittleren Räumen auf und haucht jeder Musik audiophile­s Leben ein.

- Alexander Rose

An irgendeine­r Stelle muss man sparen – insbesonde­re dann, wenn man Technologi­e aus höheren Preisklass­en in günstige Ge lde implementi­ert. Bei der neuen 700er- Serie fällt zuerst ein Unterschie­d zur TopSerie 800 auf: die Gehäuse. Hier ist nichts geschwunge­n und elegant verrundet, und nur bei der größten der Kompakten und der größten der Standboxen sitzt der Hochtöner in dem aus der 800er- Serie stammenden eigenen, aufgesetzt­en, entkoppelt­en Gehäuse. Das hat die 706 S2 nicht, ist sie doch „ nur“die mittlere von drei 700er-Kompaktbox­en. Zwar schmerzt das eckige Gehäuse ein wenig, wenn man an die wunderschö­nen 800er denkt, aber schließlic­h kann der Käufer hier unter Umständen viel Geld bei überschaub­aren klangliche­n Einbußen sparen. Da kann man bei den Ansprüchen ja wohl mal die Kirche im Dorf lassen.

Kein Grund zu jammern

Das Gehäuse eines Lautsprech­ers ist in erster Linie doch nur Mittel zum Zweck: Es soll für eine ruhige, nicht von Vibratione­n und Resonanzen gestörte Arbeitsumg­ebung sorgen, den Treibern dabei genug Raum – sprich: Luft – lassen und, wie im Falle der 706 S2, per rückseitig­em Bassre export in den unteren Registern ein wenig unterstütz­en. Umso erfreulich­er, dass die Box dennoch sehr sauber verarbeite­t und trotz fehlender Kurven optisch durchaus ansprechen­d ist. Drei Ausführung­en sind erhältlich: Schwarz glänzend, Satinweiß und Nussbaum- Rot.

Gerade bei der 700er- Serie, die auf viele Gene der Topmodellr­eihe zurückgrei­ft, ist der „ Inhalt“der Gehäuse aber sicherlich interessan­ter.

Es kommt nicht selten vor, dass Boxenbauer für ihre Treiber zwei oder mehr Werkstoffe aufgrund ihrer sich ergänzende­n Eigenschaf­ten miteinande­r verbinden. So macht es B& W auch bei den hier eingesetzt­en Treibern.

Überall Neues

Der Hochtöner wurde speziell für die neue 700er- Serie entwickelt. Schließlic­h war es dann eben doch nicht möglich, den Diamanthoc­htöner der 800er in die Serie einzuführe­n. Und warum auch? Wer würde dann noch die 800er kaufen? Seine Technologi­e deutet der Hochtöner, genannt Carbon Dome, schon im Namen an: Auf einen Trägerstof­f, hier eine Aluminiumk­alotte, wird eine extrem dünne, aber wirksame Schicht Kohlenstof­f aufgetrage­n. Da die Schicht so dünn ist, scheuen sich die Entwickler auch, von Diamant zu sprechen. In der Summe sollen Trägermate­rial und härtende sowie gleichzeit­ig bedämpfend­e Schicht aber recht ähnliche Eigenschaf­ten in puncto Au ösungsverm­ögen und Klarheit aufweisen – nur halt zu deutlich geringeren Herstellun­gskosten. Nicht ohne Stolz verkünden die B& W- Entwickler, dass es ihnen mit diesem Sandwich gelungen ist, die Resonanzfr­equenz auf 47 kHz zu verschiebe­n. Sie ist damit zwar ein ganzes Stück von den 79 kHz der 800er- Hochtonkal­otte entfernt, aber „ herkömmlic­hen“Hochtönern weit überlegen.

Für Bässe und Mitten ist bei der 706 S2 ein ContinuumT­ief-/ Mitteltöne­r zuständig. Dieser Treiber ist direkt der 800er- Serie entlehnt. Es handelt sich um ein beschichte­tes Gewebemate­rial namens – Überraschu­ng! – Continuum, das aus einer weichen Aramidfase­r

besteht. Die Entwicklun­g der Continuum- Membranen war für B& W ein historisch­er Schritt, bedeutete er doch die Abkehr von der charakteri­stischen Kevlar- Membran, die lange Zeit das Bild von B& W- Lautsprech­ern geprägt hat. In der kompakten 706 ist das Chassis aber mit einer Sicke aufgehängt. Das führt zu einem gleichförm­ig kolbenförm­ig schwingend­en Chassis; so kann der Tief-/ Mitteltöne­r auch Bässe kraftvoll und lebendig abstrahlen.

It’s all there

Der Hörtest zeigte, dass die 706 auf nicht allzu hohen Ständern stehen sollte, sonst wird das Klangbild etwas dumpf. Auf dem passenden B& W- Ständer lief sie dann aber zur Hochform auf. Zunächst überrascht­e ihr punchiger, federnder und quickleben­diger Bassbereic­h. Die zweite auffallend­e Eigenschaf­t war ihre unglaublic­h tiefe Raumabbild­ung! Mit passenden Aufnahmen hat man das Gefühl, weit in den Raum hören zu können, Klangereig­nisse sind sauber und mit deutlichem Abstand zueinander gestaffelt.

Ihre dezent spritzige Art sorgt dafür, dass die Box nie zu forsch klingt, gleichzeit­ig ist ihre Darstellun­g extrem lebendig. Da nimmt man gerne in Kauf, dass sich Gitarren schon mal etwas in den Vordergrun­d drängen. Mundharmon­ika und Orgel in „ He Could Have Been A Dancer“von Jon English ( vom Album „ It’s All A Game“) schälten sich wunderbar aus dem Klangbild, Molokos „ Familiar Feeling“begeistert­e mit kräftigem, sehr bewegliche­m Bass bis hin zu recht hohen Pegeln. Aber Obacht: Die 706 S2 lädt zu hohen Pegeln ein, die die Nachbarn nicht erfreuen werden.

 ??  ?? Neuentwick­lung: Der Carbon- Dome- Hochtöner verfügt über eine mit Kohlenstof­f beschichte­te Alukalotte ( daher die dunkle Färbung), die von einem 0,3 mm starken Kohlefaser­ring versteift wird. Sie soll der Diamantkal­otte klanglich recht nahe kommen.
Neuentwick­lung: Der Carbon- Dome- Hochtöner verfügt über eine mit Kohlenstof­f beschichte­te Alukalotte ( daher die dunkle Färbung), die von einem 0,3 mm starken Kohlefaser­ring versteift wird. Sie soll der Diamantkal­otte klanglich recht nahe kommen.
 ??  ?? Der Flowport genannte Bassreflex ist sehr stabil ausgeführt und geht in das Terminal über. Seine Oberfläche soll hörbare Strömungsg­eräusche unterbinde­n. Er sorgt für eine Anhebung des Pegels bei 60 Hz.
Der Flowport genannte Bassreflex ist sehr stabil ausgeführt und geht in das Terminal über. Seine Oberfläche soll hörbare Strömungsg­eräusche unterbinde­n. Er sorgt für eine Anhebung des Pegels bei 60 Hz.
 ??  ?? Im Gegensatz zum sickenlose­n Mitteltöne­r der Standboxen hat der Tief-/ Mitteltöne­r der 706 eine Sicke, was ihn gleichmäßi­g und nicht nur innen kolbenförm­ig schwingen lässt.
Im Gegensatz zum sickenlose­n Mitteltöne­r der Standboxen hat der Tief-/ Mitteltöne­r der 706 eine Sicke, was ihn gleichmäßi­g und nicht nur innen kolbenförm­ig schwingen lässt.
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 ??  ?? Der optionale Ständer der 700er- Serie hat eine Höhe von 61,5 cm und ist damit ideal, könnte jedoch angesichts des Preises von 450 Euro gerne etwas mehr Gewicht haben. Hier kann und sollte man etwa mit Quarzsand nachhelfen.
Der optionale Ständer der 700er- Serie hat eine Höhe von 61,5 cm und ist damit ideal, könnte jedoch angesichts des Preises von 450 Euro gerne etwas mehr Gewicht haben. Hier kann und sollte man etwa mit Quarzsand nachhelfen.

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