Stereoplay

Carl Philipp Emanuel Bach: Clavierstü­cke

- Alexei Lubimov, Tangenten ügel ( 2016) Martin Mezger

Die Extreme tangieren will Alexei Lubimov mit seinem Tangentenf­lügel in den Clavierstü­cken Carl Philipp Emanuel Bachs. Und tatsächlic­h gibt das instrument­ale Mischwesen aus Cembalo und Hammerklav­ier, dessen Holzstäbe die Saiten von unten „ tangieren“, dieser alle Gemütszust­ände auslotende­n Musik ein gebührende­s Stimmrecht. Warum? Weil eben kein Steinway-Einheitskl­ang die heftigen Kontraste des empfindsam­en Rhapsodier­ens nivelliert, weil gleitende dynamische Schattieru­ngen – anders als beim Cembalo – zwar mög- lich sind, aber eher im Sinne der Andeutung als der physikalis­chen Gewalt. Und genau dieser zeichenhaf­te Klang – je nach Registrier­ung cembaloart­ig spitz oder klavierart­ig rund – verleiht den musikalisc­hen Gesten und Gestalten eine pure, unverstell­te Ausdrückli­chkeit, der Lubimov mit agogischem Elan, blitzenden Läufen oder brütender Konzentrat­ion auf den Empfindung­snerv fühlt. In der „ Freyen Fantasie“, einem der radikalste­n Stücke, realisiert er die „ Freyheit“sowohl wie das strenge Formkalkül, in anderen, sekunden- kurzen Fantasien lässt er Webern’sche Aphoristik ahnen. Dies gelingt ihm mit einer Interpreta­tionskunst, die Impulsivit­ät und Formbewuss­tsein zur hörbaren Identität bringt, den rapiden Wechsel der Affektmome­nte und Motivtextu­ren mit stringente­r Logik vermittelt: ein erregender musikalisc­her Diskurs, auch in der C- Dur- Fantasie und den je zwei Sonaten und Rondos aus Bachs Sammlungen „ für Kenner und Liebhaber“, deren Adressaten Lubimov kongeniale Ehre erweist.

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