Alban Berg: Lulu
In seiner Münchner „ Lulu“- Inszenierung konzentriert sich Dmitri Tcherniakov auf die fatale Beziehung der Titelfigur zu Dr. Schön und seziert die psychischen Abgründe der Figuren wie in einer wissenschaftlichen Versuchsanordnung. Dazu passt auch das gläserne Labyrinth, in dem er die Protagonisten agieren lässt. Tcherniakov deutet Lulu als affektiv gestörte Persönlichkeit, die an fehlendem Selbstwertgefühl zugrunde geht. Dass sie damit in der modernen Gesellschaft kein Einzelfall ist, zeigen die intelligent eingesetzten, tänzerischen Massenszenen der Choreografin Tatiana Baganova. Während die unterkühlte Ästhetik der Bühne auf Dauer – trotz bewegter Bildregie – ermüdet, ist die Musik umso aufregender. Die erfahrene Lulu- Interpretin Marlis Petersen singt ihre Rolle, die Berg immerhin für Koloratursopran schrieb, fast so delikat wie eine Mozartpartie. Kein Wunder, dass die Autoren der „ Opernwelt“sie dafür zur „ Sängerin des Jahres“kürten. Bo Skovhus verkörpert Dr. Schön als getriebenen Charakter mit vielen Facetten. Auch das restliche Ensemble ist hervorragend, und Kirill Petrenko lässt die Schönheit der Partitur in spätromantischer Sinnlichkeit leuchten.