Seelenglut und noble Sinnlichkeit
Das Budapest String Quartet war bis zu seiner Auflösung im Jahr 1967 das weltweit bekannteste und erfolgreichste Streichquartett. Bereits in den 1930er Jahren setzte es den Maßstab für das moderne Quartettspiel und beeinflusste alle nachfolgenden Formationen. Gegründet wurde es 1917 in Budapest von drei Ungarn und einem Holländer, weltberühmt wurde es aber erst in der endgültigen Besetzung mit den Russen Joseph Roisman ( v), Alexander Schneider ( v), Boris Kroyt ( vla) und Mischa Schneider ( vc), die 1938 in die USA emigrierten, und dort für Columbia über 60 Alben produzierten. Viele ihrer legendären Aufnahmen auf wunderbar abgestimmten Stradivari- Instrumenten entstanden zwischen 1940 und 1962 im Coolidge Auditorium der Washingtoner Library of Congress. Zum Kernre pertoire der Musiker zählten die Streichquartette Beet hovens, die sie ( als einziges Quartett) gleich dreimal komplett einspielten, ebenso hinterließen sie bei den Quartetten Brahms’ und den späten Quartetten Haydns und Mozarts modellhafte Interpretationen von einer Perfektion, Homogenität und Beseeltheit, wie man sie vorher nicht gehört hatte. Jetzt hat das französische Label Praga sämtliche vom Budapest String Quartet erhaltenen Mozart- Quartette neu überspielt, und dabei das ursprüngliche breitbandige Mono- Format der Columbia- Bänder übernommen. Es ist der typische, mittenbetonte, trockenwarme und extrem transparente Columbia- Sound der späten Mono- Ära, der hier offenbar ohne große Eingriffe digitalisiert worden ist, auch wenn der Covertext „ stereo recordings“ankündigt. Die Aufnahmen entstanden 1953 und 1955, und sie zeigen die Budapester auf dem Höhepunkt ihrer Quartettkunst. Vor allem die sechs Joseph Haydn gewidmeten Quartette Mozarts aus dem Jahr 1785 verströmen eine solche Seelenglut, eine solche noble Sinnlichkeit und eine solche naht lose Homogenität, dass hinter aller Perfektion und Schönheit auch der gemeinsame Atem, der gleich getaktete Pulsschlag von vier lebendig interagierenden Individuen spürbar wird. Es ist die ideale Balance zwischen Dramatik und Empfindsamkeit, zwischen Liebe und Schmerz, zwischen hell und dunkel. Jascha Heifetz soll gesagt haben: „ Ein Russe ist ein Anarchist, zwei Russen spielen Schach, drei Russen machen Revolution, und vier Russen sind das Budapest String Quartet.“