Der zweite Streich
Oft veröffentlichen Musiker knapp vor dem Wechsel der Plattenfirma zum Abschied von den bisherigen Partnern noch ein Album, auf dem sie Liegengebliebenes zusammenfassen. Der Pianist Pablo Held macht hier keine Ausnahme: Während das englische Edel- Label Edition Records eine neue Trio- Scheibe ankündigt, verabschiedet er sich vom ebenfalls edlen Label Pirouet mit einer packenden Zusammenstellung von zwei Live- Stücken und vier Studioaufnahmen aus dem Jahr 2013. Er ist dabei weit von einer Reste- Verwertung entfernt. Deutlicher als das erste Album mit der Großformation Glow zeigen die sechs Titel, zu welch faszinierenden Klängen sein Konzept der bestens präparierten Improvisationen führen kann. In „ Terra“, einem siebzehnminütigen Mitschnitt vom Jazzfest Bonn aus dem Jahr 2013, erwächst aus dem Geplänkel von Gitarre, Klavier und Kontrabass eine intensive EnsembleImprovisation, die sich um Variationen einer einfachen Tonbewegung rankt, bei komponierten Wendepunkten verdichtet und wieder in den freien Fluss zurückkehrt. Dieses Hin und Her von Komponiertem und Improvisiertem wiederholt sich in unterschiedlicher Intensität bis zu einem furiosen Finale, das – vom Publikum mit Applaus durchbrochen – sanft ausebbt. Zum Ausgleich für dieses filigrane Tongemälde fußt „ Pinatuba“auf kraftvollen Grooves. „ Smaragd“entwickelt sich aus einer schillernden Einleitung zu dichtem Ensemblespiel, und „ Longstreth Blues“vermengt verschlungene Klavierfiguren mit geradlinigen Bigbandsounds. Nach dem zwielichtigen „ Tausendschön beschließt „ Chiffre“den ungewöhnlichen, Disziplin und Freiheit vereinenden Zyklus. Auch hier verschmilzt Held kompakte, minutiös gesetzte Bigbandklänge mit scheinbar aus dem Moment entstehenden, brüchig und spontan wirkenden Passagen. Einziges Manko: Die Live- Aufnahmen erreichen nicht ganz die hohe Klangqualität der Studioeinspielungen.