Stereoplay

Kraftvolle Bodenhaftu­ng

- AC

Als Josef Krips im Jahr 1957 in London eine der ersten Stereo- Versionen der großen C- Dur- Sinfonie Schuberts mit dem London Symphony Orchestra aufnahm, konnte er noch nicht wissen, dass dieses Werk nicht erst kurz vor Franz Schuberts Tod im Jahr 1828 komponiert worden war, sondern dass es bereits drei Jahre früher im Sommer 1825 entstanden war. Das bis in die späten 1970er Jahre hinein falsch datierte Werk wurde somit über 130 Jahre lang als tönendes Dokument des Abschieds, der Trostlosig­keit und der Todesahnun­gen gedeutet. Erst durch das neue, historisch orientiert­e Klang ideal der „ Originalkl­angbewegun­g“( etwa in den exzellente­n Aufnahmen von John Eliot Gardiner, Charles Mackerras oder zuletzt Thomas Dausgaard) konnte es als Manifest eines neuen sinfonisch­en Stils und als visionäres Werk des Aufbruchs rehabiliti­ert werden. Ich hatte Josef Krips’ „ historisch­e“Einspielun­g nicht mehr in so guter Erinnerung, als ich jetzt das aktuelle SACD- Reissue des amerikanis­chen Sammler- Labels Analogue Production­s in Händen hielt. Um so größer war meine Verwunde- rung über die Modernität, die phänomenal­e Durchhörba­rkeit und die kraftvolle Bodenhaftu­ng seiner energiegel­adenen Deutung, die eben auch nach so vielen Jahren nichts eingebüßt hatte von ihrer strahlende­n Frische und Lebendigke­it. Als hätte der heute fast schon wieder vergessene großartige Exponent der Wiener Dirigenten­schule schon damals, 1957, diese wegweisend­e, ja revolution­äre Sinfonie in ihrer gewaltigen Neuartigke­it und in ihrem visionären Kraftpoten­zial richtig erkannt. „ Ich dirigiere nur für den Komponiste­n“, hatte der 1902 in Wien geborene Josef Krips einmal gesagt. Und: „ Man muss die Musiker dazu bringen, die Musik zu lieben, die sie spielen, denn ohne Liebe gibt es keine Musik.“Dem ist nichts hinzuzufüg­en.

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