Unbekümmert bombastisch
1937 sollte Prokofjews „ Kantate zum 20. Jahrestag der Oktoberrevolution“das Schlüsselereignis kommunistischer Geschichtsschreibung feiern und den Komponisten endgültig als sowjetischen Künstler etablieren. Die Aufführung mit über 500 Mitwirkenden war als spektakulärer Programmpunkt der Feierlichkeiten auf dem Roten Platz in Moskau geplant. Doch dazu kam es nicht. Prokofjew fiel in Ungnade, und erst nach dem Ableben des Komponisten und dem Ende der stalinistischen Kulturrepression konnte 1966 daran gedacht werden, das Werk ( in einer Bearbeitung) der Öffentlich- keit vorzustellen. Bis zu Erstaufführung der Originalfassung in der Londoner Royal Festival Hall unter dem Stab von Neeme Järvi vergingen noch weitere 26 Jahre. Zu ihrem 100. Jubiläum spürte das Kunstfest Weimar den Auswirkungen der Oktoberrevolution nach und setzte die selten aufgeführte Kantate aufs Programm. Die Ausmaße des Werkes sind gigantisch: Ein sinfonisches Orchester, eine Militärkapelle, ein Akkordeon- Orchester, ein Geräusche- Orchester, ein Doppelchor, Gewehrschüsse, Megafon- Parolen und Alarmsirenen fügen sich zu einem monumentalen kommunistisch- patriotischen Panorama, das Texte von Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin und Josef Stalin verarbeitet. Der 1976 in der Sowjetunion geborene, ukrainische Dirigent Kirill Karabits schafft es, den Ernst Senff Chor Berlin und die Musiker der Staatskapelle Weimar für die Komposition zu begeistern, die mit ihrem pseudoreligiösen Pathos zwar befremdet, aber Ausdruck des Glaubens einer Gesellschaft an die Überlegenheit des Kommunismus ist. Es ist der Ehrlichkeit des Dirigenten und seinem gestalterischen Weitblick zu verdanken, dass die collageartige Ästhetik dieser Kantate ihre Wirkung nicht verfehlt. Der plastische Klang des Live- Dokuments macht den unbekümmerten Bombast der Klangsprache auch zu Hause nachvollziehbar.