Musical Fidelity M6 Vinyl
Es geht doch nichts über gute Arbeitsbedingungen. Warum also nicht eine Phonovorstufe bauen, an die man gleich drei Tonabnehmer anschließen kann, die allesamt genau diese idealen Bedingungen vorfinden?
Anthony Michaelson, Chef von Musical Fidelity, ist in der HiFi- Branche, die nicht arm an Persönlichkeiten ist, eine Art Ruhepol. Unaufgeregt und manchmal etwas nüchtern spricht er von seinen Produkten. Leidenschaft und Humor kommen durch, aber PR- Geschwurbel wird man von ihm nicht hören. Den klanglichen Anspruch an seine Geräte formuliert er so: Neutralität geht über alles. Wer seine Anlage klanglich in eine bestimmte Richtung tunen will, soll andere Marken kaufen.
Dies gilt natürlich auch für die Phonovorstufen des Hauses Musical Fidelity. Die Firma produziert inklusive der brand- neuen M6 Vinyl, die in stereo
play ihre Weltpremiere feiert, fünf Phonovorstufen in klug gesetzten Preisklassen von 180 Euro bis 4000 Euro.
Die große Lücke zwischen der NuVista für 4000 Euro und der MX- VYNL für 900 Euro verringert mit einem Preis von 1700 Euro nun die M6 Vinyl. Das ist eine Summe, die viele Vinyl- Enthusiasten noch auszugeben bereit sind. Und, soviel vorab, das lohnt sich.
Viel Gegenwert
Zumal die Ausstattung noch vor dem ersten Ton den Preis relativiert. Die zahlreichen LEDs auf der Front deuten es an: Hier gibt es für eine Phonovorstufe ziemlich viel einzustellen. Das fängt damit an, dass man drei Tonabnehmer anschließen kann, jeweils entweder MM oder MC. Für MMs kann man anschließend aus sechs Abschlusskapazitäten ( 50, 100, 200, 300, 350 und 400pF) wählen, für MCTonabnehmer stehen sechs Abschlusswiderstände ( 25, 50, 100, 400, 800 und 1200 Ohm) zur Wahl. Natürlich merken sich die Eingänge die Einstellungen, alles andere wäre ja auch unpraktisch. Und natürlich sind die Einstellungen nicht bloße Spielerei, sondern technisch sinnvoll und ( insbesondere bei MC- Tonabnehmern) klanglich bedeutend. Der Abschlusswiderstand, mit dem ein MC „ ab- geschlossen“wird, orientiert sich am Innenwiderstand des MCs, der von der Zahl der Wicklungen auf der Spule abhängt. An den unterschiedlich hohen Ausgangsspannungen von MCs sieht man, dass die Wicklungen nicht immer gleich eng sind. Etwas vereinfacht gesagt, ist die Ausgangsspannung höher, je mehr Wicklungen die Spule hat ( allerdings spielen auch die Stärke des Magnetfeldes und die Auslenkung des Nadelträgers durch die Plattenrille eine Rolle).
Warum wickelt man dann nicht einfach die Spulen schön eng, um das Maximum an Spannung herauszuholen? Der Grund ist, dass mehr Wicklun-
gen zu mehr Gewicht führen, und das wird ab einer bestimmten Größe hinderlich, schließlich soll ein Tonabnehmer den Rillenauslenkungen blitzschnell folgen ( bei MMs gilt das übrigens entsprechend für die bewegten Magneten, auch die dürfen nicht zu schwer sein).
Den Idealwert findet man annäherungsweise durch einen Blick auf den Innenwiderstand des Tonabnehmers, den der Hersteller in der TonabnehmerAnleitung angibt. Als Faustregel gilt dann ein Abschluss mit dem 5- bis 20- fachen Wert des Innenwiderstandes.
Bei MMs hat sich in puncto Abschlusswiderstand eine Quasi- Norm von 47 Kiloohm ein- gebürgert. Ein bisschen Spielraum für klangliches Fein( st)tuning erhält man hier durch die elektrische Abschlusskapazität ( mit der Maßeinheit Farad). Erfahrungsgemäß wirken sich Werte zwischen 50 und 400 Pikofarad, wie sie die M6 Vinyl anbietet, klanglich nicht allzu stark aus. In einigen Fällen, die auch vom verwendeten Phonokabel mit dessen Kapazität abhängen, kann man hier jedoch durchaus einen Idealwert per Gehör finden.
Subsonic- Filter
Alle Einstellungen finden direkt am Gerät statt, eine Fernbedienung gibt es nicht. Betätigt man einen der Knöpfe auf der Front, schaltet das Gerät ein paar Sekunden den Ausgang stumm.
Als Besitzer ( oder Tester) der M6 Vinyl hat man zusätzlich die Wahl zwischen zwei Wiedergabekennlinien: RIAA und IEC. Letztere unterscheidet sich von der RIAA- Entzerrung durch ein Hochpassfilter, das tiefe Frequenzen im Pegel senkt und somit Verstärker und Lautsprecher schont, die sonst tieffrequentes Rumpeln durch verwellte Schallplatten, Trittschall oder Resonanzen vorgesetzt bekommen können. Die Bassabsenkung beginnt bei der M6 ab 60 Hz, ist also klanglich unkritisch.
Auf der Front findet sich last but not least ein selbsterklären- der + 6dB- Knopf. Während der Testphase ließen wir ihn immer zugeschaltet. Ohne diesen verstärkt die M6 Signale von MMTonabnehmern um 36 und von MCs nur um 47 dB. Über die XLR- Ausgänge ist es etwas mehr ( 42 dB bei MMs und 58 dB bei MCs). Der zusätzliche 6- dB- Schub tut also gut und entlastet nachfolgende Elektronik.
Angesichts dieser Ausstattung dürfte auch klar sein, für welche Zielgruppe der M6 ebenfalls interessant ist: für Händler. Wer Plattenspieler und Tonabnehmer verkauft, erhält hier ein Werkzeug, mit dem Vergleiche komfortabel werden.
Erprobte Schaltung
Die Schaltung ist tatsächlich nahezu identisch mit der der teureren NuVista- Vinyl- Phonovorstufe. An dieser kann man zwar noch zwei weitere Tonabnehmer anschließen und sie hat ein aufwendigeres Gehäuse. Bis auf den Verzicht auf die Nuvistoren, also kleine Trioden, die dem Gerät den Namen geben, und das einfachere Netzteil sind NuVista und M6 aber identisch. Sprich: Es gibt eine kraftvolle Class- A- Ausgangsstufe und ein perfektes Platinenlayout.
Wir fühlten der M6 sowohl mit MCs als auch mit MMs auf den Zahn. Dazu nutzten wir
nicht nur den in der letzten Ausgabe getesteten Transrotor Massimo mit SME- Arm und Merlo Reference, sondern auch eines unserer Arbeitsgeräte, das MoFi Studio Deck Plus mit dem MMTonabnehmer Studio Tracker ( getestet in stereoplay 9/ 17).
Mit dem Studio Tracker klang es gewohnt druckvoll mit rhythmischen Akzenten. Schraubten wird das wunderbare Audio Technica VM540 ML in den 10- Zoll- Arm des MoFi, wurde das Klangbild etwas weniger erdig und dafür etwas feinsinniger und luftiger.
Man muss es schon nach dem MM- Durchgang ganz deutlich sagen: Die Musical Fidelity M6 Vinyl ist eine sehr neutrale Phonovorstufe, die die Informationen, die sie vom Tonabnehmer bekommt, durchreicht. So soll es sein! Nun darf hier aber nicht der Eindruck entstehen, die M6 spiele langweilig. Sie ist auch nicht sachlich oder nüchtern. Nein, nicht nur, dass sie Tonabnehmerunterschiede unabhängig von der Preisklasse schön deutlich herausstellt, man hat vielmehr das Gefühl, dass einen die M6 Vinyl sehr nah an die Aufnahmen herankommen lässt. Vielleicht liegt das an ihrer detailreichen und lebendigen Wiedergabe. Die hat zwar zur Folge, dass nicht jede Aufnahme zum Genuss wird. Bei Billy Joels „ Rosalinda’s Eyes“von der MoFi- 45er- Version des Albums „ 52nd Street“etwa zeigt die M6 nur allzu deutlich, mit wie viel Hall der rhythmusbetonte Song im Studio belegt wurde. Sie sorgt bei gut klingenden Platten aber für große Freude. Das 99er- Album „ To The Center“ des amerikanischen StonerRock- Trios Nebula klang vollauf befriedigend: satt, druckvoll, dabei aufgeräumt und für die Gattung recht klar.
Klar, dass eine solche Abstimmung auch anspruchsvollerer Musik zugutekommt. Ob Jazz oder Klassik, die Musical Fidelity M6 Vinyl spielt herrlich ausgewogen, dynamisch, mit einem Schuss Eleganz.
Am Ende stand für die Tester fest, dass die M6 Vinyl so etwas wie das Ende der Vernunft darstellt. Ja, es gibt noch besser klingende Modelle. Und ja, die kosten erheblich mehr und bieten in den meisten Fällen nicht diese Ausstattung. Was spricht also für Interessierte eigentlich dagegen, diese Anschaffung zu tätigen und das Thema danach einfach zu vergessen?