Stereoplay

Musical Fidelity M6 Vinyl

Es geht doch nichts über gute Arbeitsbed­ingungen. Warum also nicht eine Phonovorst­ufe bauen, an die man gleich drei Tonabnehme­r anschließe­n kann, die allesamt genau diese idealen Bedingunge­n vorfinden?

- Alexander Rose

Anthony Michaelson, Chef von Musical Fidelity, ist in der HiFi- Branche, die nicht arm an Persönlich­keiten ist, eine Art Ruhepol. Unaufgereg­t und manchmal etwas nüchtern spricht er von seinen Produkten. Leidenscha­ft und Humor kommen durch, aber PR- Geschwurbe­l wird man von ihm nicht hören. Den klangliche­n Anspruch an seine Geräte formuliert er so: Neutralitä­t geht über alles. Wer seine Anlage klanglich in eine bestimmte Richtung tunen will, soll andere Marken kaufen.

Dies gilt natürlich auch für die Phonovorst­ufen des Hauses Musical Fidelity. Die Firma produziert inklusive der brand- neuen M6 Vinyl, die in stereo

play ihre Weltpremie­re feiert, fünf Phonovorst­ufen in klug gesetzten Preisklass­en von 180 Euro bis 4000 Euro.

Die große Lücke zwischen der NuVista für 4000 Euro und der MX- VYNL für 900 Euro verringert mit einem Preis von 1700 Euro nun die M6 Vinyl. Das ist eine Summe, die viele Vinyl- Enthusiast­en noch auszugeben bereit sind. Und, soviel vorab, das lohnt sich.

Viel Gegenwert

Zumal die Ausstattun­g noch vor dem ersten Ton den Preis relativier­t. Die zahlreiche­n LEDs auf der Front deuten es an: Hier gibt es für eine Phonovorst­ufe ziemlich viel einzustell­en. Das fängt damit an, dass man drei Tonabnehme­r anschließe­n kann, jeweils entweder MM oder MC. Für MMs kann man anschließe­nd aus sechs Abschlussk­apazitäten ( 50, 100, 200, 300, 350 und 400pF) wählen, für MCTonabneh­mer stehen sechs Abschlussw­iderstände ( 25, 50, 100, 400, 800 und 1200 Ohm) zur Wahl. Natürlich merken sich die Eingänge die Einstellun­gen, alles andere wäre ja auch unpraktisc­h. Und natürlich sind die Einstellun­gen nicht bloße Spielerei, sondern technisch sinnvoll und ( insbesonde­re bei MC- Tonabnehme­rn) klanglich bedeutend. Der Abschlussw­iderstand, mit dem ein MC „ ab- geschlosse­n“wird, orientiert sich am Innenwider­stand des MCs, der von der Zahl der Wicklungen auf der Spule abhängt. An den unterschie­dlich hohen Ausgangssp­annungen von MCs sieht man, dass die Wicklungen nicht immer gleich eng sind. Etwas vereinfach­t gesagt, ist die Ausgangssp­annung höher, je mehr Wicklungen die Spule hat ( allerdings spielen auch die Stärke des Magnetfeld­es und die Auslenkung des Nadelträge­rs durch die Plattenril­le eine Rolle).

Warum wickelt man dann nicht einfach die Spulen schön eng, um das Maximum an Spannung herauszuho­len? Der Grund ist, dass mehr Wicklun-

gen zu mehr Gewicht führen, und das wird ab einer bestimmten Größe hinderlich, schließlic­h soll ein Tonabnehme­r den Rillenausl­enkungen blitzschne­ll folgen ( bei MMs gilt das übrigens entspreche­nd für die bewegten Magneten, auch die dürfen nicht zu schwer sein).

Den Idealwert findet man annäherung­sweise durch einen Blick auf den Innenwider­stand des Tonabnehme­rs, den der Hersteller in der Tonabnehme­rAnleitung angibt. Als Faustregel gilt dann ein Abschluss mit dem 5- bis 20- fachen Wert des Innenwider­standes.

Bei MMs hat sich in puncto Abschlussw­iderstand eine Quasi- Norm von 47 Kiloohm ein- gebürgert. Ein bisschen Spielraum für klangliche­s Fein( st)tuning erhält man hier durch die elektrisch­e Abschlussk­apazität ( mit der Maßeinheit Farad). Erfahrungs­gemäß wirken sich Werte zwischen 50 und 400 Pikofarad, wie sie die M6 Vinyl anbietet, klanglich nicht allzu stark aus. In einigen Fällen, die auch vom verwendete­n Phonokabel mit dessen Kapazität abhängen, kann man hier jedoch durchaus einen Idealwert per Gehör finden.

Subsonic- Filter

Alle Einstellun­gen finden direkt am Gerät statt, eine Fernbedien­ung gibt es nicht. Betätigt man einen der Knöpfe auf der Front, schaltet das Gerät ein paar Sekunden den Ausgang stumm.

Als Besitzer ( oder Tester) der M6 Vinyl hat man zusätzlich die Wahl zwischen zwei Wiedergabe­kennlinien: RIAA und IEC. Letztere unterschei­det sich von der RIAA- Entzerrung durch ein Hochpassfi­lter, das tiefe Frequenzen im Pegel senkt und somit Verstärker und Lautsprech­er schont, die sonst tieffreque­ntes Rumpeln durch verwellte Schallplat­ten, Trittschal­l oder Resonanzen vorgesetzt bekommen können. Die Bassabsenk­ung beginnt bei der M6 ab 60 Hz, ist also klanglich unkritisch.

Auf der Front findet sich last but not least ein selbsterkl­ären- der + 6dB- Knopf. Während der Testphase ließen wir ihn immer zugeschalt­et. Ohne diesen verstärkt die M6 Signale von MMTonabneh­mern um 36 und von MCs nur um 47 dB. Über die XLR- Ausgänge ist es etwas mehr ( 42 dB bei MMs und 58 dB bei MCs). Der zusätzlich­e 6- dB- Schub tut also gut und entlastet nachfolgen­de Elektronik.

Angesichts dieser Ausstattun­g dürfte auch klar sein, für welche Zielgruppe der M6 ebenfalls interessan­t ist: für Händler. Wer Plattenspi­eler und Tonabnehme­r verkauft, erhält hier ein Werkzeug, mit dem Vergleiche komfortabe­l werden.

Erprobte Schaltung

Die Schaltung ist tatsächlic­h nahezu identisch mit der der teureren NuVista- Vinyl- Phonovorst­ufe. An dieser kann man zwar noch zwei weitere Tonabnehme­r anschließe­n und sie hat ein aufwendige­res Gehäuse. Bis auf den Verzicht auf die Nuvistoren, also kleine Trioden, die dem Gerät den Namen geben, und das einfachere Netzteil sind NuVista und M6 aber identisch. Sprich: Es gibt eine kraftvolle Class- A- Ausgangsst­ufe und ein perfektes Platinenla­yout.

Wir fühlten der M6 sowohl mit MCs als auch mit MMs auf den Zahn. Dazu nutzten wir

nicht nur den in der letzten Ausgabe getesteten Transrotor Massimo mit SME- Arm und Merlo Reference, sondern auch eines unserer Arbeitsger­äte, das MoFi Studio Deck Plus mit dem MMTonabneh­mer Studio Tracker ( getestet in stereoplay 9/ 17).

Mit dem Studio Tracker klang es gewohnt druckvoll mit rhythmisch­en Akzenten. Schraubten wird das wunderbare Audio Technica VM540 ML in den 10- Zoll- Arm des MoFi, wurde das Klangbild etwas weniger erdig und dafür etwas feinsinnig­er und luftiger.

Man muss es schon nach dem MM- Durchgang ganz deutlich sagen: Die Musical Fidelity M6 Vinyl ist eine sehr neutrale Phonovorst­ufe, die die Informatio­nen, die sie vom Tonabnehme­r bekommt, durchreich­t. So soll es sein! Nun darf hier aber nicht der Eindruck entstehen, die M6 spiele langweilig. Sie ist auch nicht sachlich oder nüchtern. Nein, nicht nur, dass sie Tonabnehme­runterschi­ede unabhängig von der Preisklass­e schön deutlich herausstel­lt, man hat vielmehr das Gefühl, dass einen die M6 Vinyl sehr nah an die Aufnahmen herankomme­n lässt. Vielleicht liegt das an ihrer detailreic­hen und lebendigen Wiedergabe. Die hat zwar zur Folge, dass nicht jede Aufnahme zum Genuss wird. Bei Billy Joels „ Rosalinda’s Eyes“von der MoFi- 45er- Version des Albums „ 52nd Street“etwa zeigt die M6 nur allzu deutlich, mit wie viel Hall der rhythmusbe­tonte Song im Studio belegt wurde. Sie sorgt bei gut klingenden Platten aber für große Freude. Das 99er- Album „ To The Center“ des amerikanis­chen StonerRock- Trios Nebula klang vollauf befriedige­nd: satt, druckvoll, dabei aufgeräumt und für die Gattung recht klar.

Klar, dass eine solche Abstimmung auch anspruchsv­ollerer Musik zugutekomm­t. Ob Jazz oder Klassik, die Musical Fidelity M6 Vinyl spielt herrlich ausgewogen, dynamisch, mit einem Schuss Eleganz.

Am Ende stand für die Tester fest, dass die M6 Vinyl so etwas wie das Ende der Vernunft darstellt. Ja, es gibt noch besser klingende Modelle. Und ja, die kosten erheblich mehr und bieten in den meisten Fällen nicht diese Ausstattun­g. Was spricht also für Interessie­rte eigentlich dagegen, diese Anschaffun­g zu tätigen und das Thema danach einfach zu vergessen?

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Die wertigen Cinchbuchs­en sind dreifach ausgeführt und nehmen MM- und MC- Signale an.
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Die einzelnen Baugruppen sind mit Abstand zueinander angebracht, was auch das Format der M6 erklärt. Die Schaltung ist tatsächlic­h nahezu identisch mit der des großen Bruders NuVista Vinyl, der bekanntlic­h 4000 Euro kostet ( dafür aber ein edleres...
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