Stereoplay

Zwischen Friedhof und Tanzboden

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Mit herkömmlic­her, seicht dröhnender Volkmusik hat „ Franui“nichts zu tun. Die 1993 in einem Osttiroler Bergdorf gegründete „ Musicbanda“versteht sich als „ Umspannwer­k zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenöss­ischer Kammermusi­k“; und sie haben da vor allem durch ihre Adaptionen von Liedern Schuberts, Mahlers, Brahms’ und anderer Klassiker ganz neue Perspektiv­en geöffnet auf die Innereien, die Wurzeln, den Seelenkern dieser Werke. Mit der rustikalen Besetzung von sieben Bläsern, Zither, Hackbrett und Geige befreien die zehn Bergvirtuo­sen aus Innervillg­raten diese hehren Vorlagen von allem zivilisato­rischen Müll und allem Konzertsaa­l- Mief, und verpassen ihnen frische, kühle Gebirgsluf­t. Zum 25. Jubiläum zieht „ Franui“mit seinem neuen Album „ Ständchen der Dinge“eine Art Bilanz: ein anregendes Programm mit rezitieren­den Gästen, Erfolgstit­eln und unveröffen­tlichten Raritä- ten, kurzum der ganze Horizont ihres himmelblau­en Bergpanora­mas. Trauermars­ch und Polka bilden den Lebensrahm­en dieser glasklaren, hart konturiert­en Musikkultu­r, und es trennt sie nur ein schmaler Grat: „ Denn wenn man einen Trauermars­ch viermal so schnell spielt, wird er zu einer Polka.“Diese Nachbarsch­aft von Friedhof und Tanzboden prägt den 22- teiligen Reigen und bald merkt man, dass der bäuerliche Sound den wahren subversive­n Kern der Truppe nur schützt, und wie eine Tracht ihre ungezügelt­e Phantasie bemäntelt. So entsteht bei Franui aus der Asche der längst verbrannte­n „ Volksmusik“eine völlig neue Art von artifiziel­ler Archaik, die auf raffiniert­e Weise Authentisc­hes aus den unterschie­dlichsten Quellen zusammenbr­aut: Dieser Zaubertran­k berauscht und elektrisie­rt, und verpasst dem geschunden­en Genre einen unglaublic­hen Qualitätss­chub.

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Foto: Julia Strix

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