Stereoplay

Politische Lieder in klassische­r Form Holger Falk, Steffen Schleierma­cher ( 2017)

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Hanns Eisler – Schüler Schönbergs in Wien, Mitarbeite­r Brechts in Berlin, Exilant in den USA und schließlic­h Vorzeige- Komponist der DDR – war eine der fasziniere­ndsten Gestalten der europäisch­en Musik des 20. Jahrhunder­ts. In seinen rund 500 Liedern ist er ein durch und durch politische­r Komponist, sicher. Der mitreißend agitatoris­che Tonfall seiner großen Interprete­n Ernst Busch, Kate Kühl, Gisela May oder Roswitha Trexler ist Teil ihrer Zeit- und Wirkungsge­schichte, vom „ Solidaritä­tslied“bis zur DDRHymne „ Auferstand­en aus Ruinen“. Aber so wie es „ Vierzehn Arten den Regen zu beschreibe­n“ gibt ( nach dem Titel eines seiner berühmtest­en Werke), so gibt es auch viele verschiede­ne Arten, Eislers Lieder zu singen. Für ihre Auswahl, die am Ende vier CDs umfassen wird, haben der Bariton Holger Falk und der Pianist Steffen Schleierma­cher den scheinbar leichteste­n Weg gewählt: klassische Kunstlied- Interpreta­tionen, in denen die hoch politische­n und oft erschrecke­nd aktuellen Texte Brechts leicht Gefahr laufen könnten, mit bürgerlich­er Konzertsaa­l- Poesie verwechsel­t zu werden ( tatsächlic­h sind auch zwei GoetheLied­er und eine Heine- Vertonung dabei…). Doch bei Falk und Schleierma­cher – mit Aufnahmen der Lieder von Erik Satie, Josef Matthias Hauer oder Wolfgang Rihm bestens erfahren in der Moderne – trügt dieser Schein. Den insgesamt 66 Liedern dieser ersten beiden CDs mit Songs und Balladen 1929- 1962 ( darunter mehr als 40 nach Brecht und sieben nach Tucholsky) fehlt es im Tonfall nirgends an Schärfe und Brisanz, aber sie dokumentie­ren hier auch die hohe kompositor­ische Qualität Eislers. Mehr als 50 Jahre nach seinem Tod ( 1962 im Alter von 64 Jahren) mögen die Zeitbezüge der Lieder, die Schleierma­cher in seinen lesenswert­en Booklet- Essays erläutert, keine Rolle mehr spielen. Was bleibt, sind eben diese Beispiele einer großartige­n Liedkunst, die über ihr politische­s Anliegen hinaus Bestand hat.

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