Stereoplay

Boxen sensatione­n ensationen

ELAC, B& W und Nubert & ihre Saison- Highlights

- Malte Ruhnke

Der lang anhaltende Erfolg der britischen Traditions­schmiede Bowers & Wilkins wird oft mit den High- End- Modellen der Serie 800, bzw. deren Vorgänger Nautilus assoziiert. Dabei waren es besonders in den goldenen Zeiten des Lautsprech­ermarkts vor allem die bezahlbare­n Boxen, die den Grundstein für den Erfolg der Marke legten. Eine kleine Kompaktbox namens DM 600 war für so manchen HighEnder das audiophile Erweckungs­erlebnis zu Studentenp­reisen. Die gelben KevlarMemb­ranen signalisie­rten technologi­sche Überlegenh­eit, die an weit höhere Preis- briti Mo beson Lautspre Bo Preis klassen erinnerte, und auch der monitorhaf­t auflösende Klang wuchs weit über die Preisklass­e hinaus.

Die sechste Generation

Kevlar ist bekanntlic­h bei Bowers seit einigen Jahren durch ein neues Fasermater­ial namens Continuum abgelöst worden, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis dies auch die Einsteiger­serie betreffen würde. Dass es jetzt so schnell geht, dürfte dann doch so manchen Fan überrascht haben. Nur ein Jahr nach den silbern schimmernd­en Mitteltöne­rn und Tiefmittel­tönern

der 700er- Serie bringen die Briten jetzt die neue 600er- Serie mit aktualisie­rter Chassis- Technologi­e auf den Markt. Und die ist nicht nur technologi­sch so nah an ihren deutlich teureren Geschwiste­rn, sondern hat auch dank eines attraktive­n Pricings Chancen, ihre Urahnen als erfolgreic­he Einsteiger­serie zu beerben. Ein kleiner Hinweis darauf findet sich schon in der Nomenklatu­r: Äquivalent zu den Serien 800 und 700 heißt die neue wieder 600, die Modellabst­ufung über die letzte Ziffer ist ebenfalls identisch.

Einordnung und Größe

Das bedeutet: Die 603 markiert das Standboxen- Flaggschif­f, die 607 die kleinste Kompakte. Damit wäre auch die Frage angerissen, wo die Briten gespart haben, wenn schon nicht an der Technologi­e. Auf jeden Fall an der Modellviel­falt. Denn zwischen kleinstem und größtem gibt es für Stereo nur ein weiteres Modell: die größere Kompaktbox 606. Die mit 700 Euro Paarpreis in der Liste vermerk- te Kompakte erschien bei uns in unprätenzi­ösem schwarzen Folienklei­d zum Test.

Die Membrangrö­ße des Tiefmittel­töners entspricht mit 18 cm dem ehemals 685 genannten Modell. Das silbern schimmernd­e Fasergeweb­e ist deutlich weicher und biegsamer als bei den Kevlar- Vorgängern, was besonders im oberen Einsatzber­eich für eine stärkere Bedämpfung von Partialsch­wingungen und eine kleinere aktive Schwingflä­che sorgen soll. Und der Einsatzber­eich dieses 18ers ist sehr groß, spielt er doch aufgrund der flachen Trennung 1. Ordnung noch hörbar über seinen nominellen Einsatzber­eich bis 3500 Hz hinaus.

Ein Blick durchs hinten angebracht­e Reflexrohr verrät, dass das Aramidfase­r- Gewebe auch deutlich weniger engmaschig ist als Kevlar, was wiederum die innere Dämpfung erhöht. Ein Phaseplug aus Moosgummi anstatt einer Staubschut­zkalotte verringert drohende Interferen­zeffekte im oberen Einsatzber­eich zusätzlich.

Auf der anderen Seite ist eine solchermaß­en weiche Membran gar nicht so einfach zu einem mustergült­igen Verhalten im Bass zu bewegen. Besonders dann nicht, wenn die Kompakte bei adäquaten Pegeln an der 40- Hz- Grenze kratzen soll, wofür im Bereich ohne Reflexunte­rstützung ( also hier vor allem zwischen 70 und 120 Hz) schon ordentlich­e Hübe notwendig sind. Die B& W- Entwickler haben dieses Problem ähnlich wie bei den aufwendige­ren Schwesterm­odellen 706 und 705 mit einer etwas steileren Membrangeo­metrie und einem sehr starken Magnetantr­ieb gelöst, der der kleinen Schwingspu­le ordentlich Beine macht.

Unterhalb von 70 Hz wiederum arbeitet das rückwärtig­e, großzügig verrundete und mit „ Golfballmu­ster“versehene Reflexrohr sehr tatkräftig mit, sodass hier vom Konus keine gigantisch­en Hübe mehr abverlangt werden.

Hoch hinaus

Beim Hochtöner wurden bewährte Prinzipien aus der 700er- und der Vorgängers­erie übernommen, wohl aber mit sichtbaren Verbesseru­ngen im Detail. So konnte die hauchdünne Alu- Kalotte, die außen mit einer ringförmig­en Verstärkun­g vor Partialsch­wingungen und ungewollte­n Resonanzen geschützt wird, zwar nicht leichter gemacht werden, wohl aber mit einer neuen Aufhän-

gung besser an die akustische Umgebung angepasst werden. Das wurde mit einer ringförmig­en, leicht konvexen Schallführ­ung, einem Richtung Schallwand abgeschräg­ten Außenring und einem sternförmi­gen Gitter erreicht, die zusammen den Abstrahlwi­nkel harmonisie­ren und der sonst berüchtigt­en Einschnüru­ng in obersten Lagen effektiv entgegenwi­rken. Das ganze Hochtonges­pann samt rückwärtig­er, auf die resonanzfr­eie Vernichtun­g sinnloser Schallante­ile ausgelegte­r Nautilus- Röhre ist auf einem Gelring gelagert und damit optimal von der Schallwand entkoppelt.

Riesig audiophil

Und wie befreit und entkoppelt spielte die 606 auch im Hörraum auf: Michael Bublés Queen- Cover „ Crazy Little Thing Called Love“gab sie mit einer Extraporti­on Stimmschme­lz wieder und ließ die Bühne gerade in der Breite deutlich über die Stereobasi­s hinauswach­sen. Dazu mobilisier­te sie, wenn nicht zu laut gehört, ein erstaunlic­h erwachsene­s Bass- und Grundtonfu­n- dament, das sich bei leichter Wandunters­tützung zu einer rundum warmen und standboxen­artigen Tonalität herauswuch­s. Obwohl in der Positionie­rung der Stimmen nicht so genau wie mancher Monitor, vermochte die B& W einen weiten, realistisc­hen Raum zu zeichnen und durchleuch­tete das Klangbild beim „ All In“der Bigband ( HIGH END Demonstrat­ion Disc) auf dynamische wie audiophile Weise.

Das rief förmlich nach komplexere­r Musik, etwa Bruckners 8. Sinfonie unter Simone Young: Im Finale fehlten der 606 viel- leicht die Pegelreser­ven im Bass für ein 100- köpfiges Orchester, doch wie sie selbiges auflöste und feinste klangfarbl­iche Details durchleuch­tete, ließ hier einen Lautsprech­er deutlich über seiner Preisklass­e am Werke vermuten.

Mark Knopflers „ ShangriLa“zeigte zum Abschluss, dass B& W hier ein Glücksgrif­f in der Einsteiger- Preisklass­e gelungen ist, vermittelt­e die 606 doch ermüdungsf­reien Hörgenuss bei hervorrage­nder Dynamik. Eine der besten Boxen für den audiophile­n Einstieg? Absolut!

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 ??  ?? Der passende, zusätzlich erhältlich­e Ständer betont das kantige Design, lässt aber auch die schmale Silhouette der B& W wirken.
Der passende, zusätzlich erhältlich­e Ständer betont das kantige Design, lässt aber auch die schmale Silhouette der B& W wirken.
 ??  ?? Rund um den Hochtöner sieht man eine leicht konvexe Schallführ­ung und darum den akustisch ebenfalls wirksamen, leicht abgeschräg­ten Aluminium- Ring.
Rund um den Hochtöner sieht man eine leicht konvexe Schallführ­ung und darum den akustisch ebenfalls wirksamen, leicht abgeschräg­ten Aluminium- Ring.
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 ??  ?? Gegen das Licht sieht man das filigrane Gewebe der Continuum- Fasern und die freie, kleine Schwingspu­le.
Gegen das Licht sieht man das filigrane Gewebe der Continuum- Fasern und die freie, kleine Schwingspu­le.

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