Sugden ia- 4
Dass ein 20- Kilo- Verstärker lediglich 30 Watt locker macht, darf heutzutage als Anachronismus gelten. Doch genau das macht Sugdens immer wieder zart modellgepflegten Class- AVollverstärker IA- 4 so reizvoll. Ganz abgesehen vom Klang...
Dieser wuchtige Klotz, der praktisch genauso tief wie breit ist, wird bei weniger Sugden- gestählten Audiofans sofort die Assoziation „ Power satt“wecken. Eine genauere Betrachtung dürfte dann mit ungläubigen Augen einhergehen: „ Nur 30 Watt?“
Ja. „ Nur“30 Watt. Aber die haben es in sich. Denn sie gehen mit so viel Abwärme einher, dass Kenner der Materie sofort wissen, was Sache ist: Class A. Die puristischste und ineffizi- enteste Betriebsart, die bei einem Verstärker möglich ist. Und damit auch die kostenintensivste Betriebsart, denn es ist noch gar nicht so lange her, als der Ingenieur mit ganz spitzem Bleistift Leistung und Stromverbrauch in Pfennigen pro Watt spezifizierte. Genau diese böse Rechnung, mit der Verstärker ganz pragmatisch betriebswirtschaftlichen Betrachtungen unterworfen wurden, brach dem A- Betrieb letztlich das imaginäre Röhren- und Transistor- Genick, bevor die High- Ender Jahrzehnte später die fast verzerrungsfreien, hochlinearen Klangsegnungen dieser sprichwörtlich heißen Betriebsweise endlich wieder entdeckten.
Zu Sugdens seit 17 Jahren gebauten Masterclass- Serie zählend, durchlief auch der IA- 4 immer wieder Upgrades und – wie sich die eigentlich höchst zurückhaltende britische Traditionsfirma ausdrückt – „ significant improvements“. Und noch immer nimmt man sich bei Sugden die wunderbare, heutzutage höchst anachronistische Freiheit heraus, dass ein- und derselbe Techniker ein Gerät von Grund auf komplett zusammenbaut. Im Portfolio der Engländer stellt der IA- 4 den Flaggschiff- Vollverstärker des Hauses dar, der natürlich allein schon haptisch in einer Qualität daherkommt, die man in Valley Works, Heckmondwike, „ substantial“nennt. Das beginnt mit einem satt dimensionierten 350- Watt- Trafo, und es addie-
ren sich ein dickwandiges Gehäuse, enorme Kühlprofile und eine zentimeterstarke Frontplatte zu einem 20 Kilogramm wiegenden Ensemble, an dem zunächst ein riesiger Netzschalter auffällt, den selbst mit dicken Daumen zu verfehlen praktisch unmöglich ist.
Mit 38 Millimetern Durchmesser ist besagter Schalter in der neuerdings auch farbig lieferbaren Front unübersehbar, stellt aber optisch die Verbindung zu Pegelsteller und Eingangswahlschalter her, die durch eine eher schnöde Plastikfernbedienung ersetzt werden können; ein verzeihlicher Fauxpas, der freilich darauf hinweist, welchen Stellenwert die Traditionalisten dem neumodischen Accessoire zuweisen. Immerhin konnte man sich zu einem ALPS- Motorpotenziometer durchringen plus natürlich kompletter Relais- Umschaltung, und vergaß dabei nicht, die altmodische Tape- Schleife ( ein Ein- und Ausgang für analoge Aufnahmen) sowie vier dicke Lautsprecherklemmen zu spendieren. Womit die Hommage an eher unwichtige Äußerlichkei ten hoffentlich ihr Ende findet, bevor man sich weit Wichtigerem zuwendet, nämlich einer Phonostufe, die dem IA- 4 serienmäßig beigeordnet ist. Nur MM, versteht sich, aber angesichts einer in der britischen Audioszene zu diagnostizierenden, seltsamen Vorliebe für Moving- Magnet- Abtaster eine lässliche Sünde.
Was nun tiefere technische Details oder gar „ White Papers“angeht, so zeigt man sich damit bei Sugden ungefähr so spen dierfreudig wie die Queen bei der Frage nach dem Schlüssel für die Schatzkammer im Tower. Vornehme Zurückhaltung ist angesagt, so etwa bei der ClassA- Ausgangsstufe, die vom berühmten Sugden- Urverstärker A21 abstammen soll. Dabei gibt es die Nachfolger des dereinst von James Sugden in den 70ern gezeichneten A- Vollverstärkers sowohl in der Push- Pull- als auch in der Single- Ended- Ver sion: Letztere sicherlich keine Option für einen etwas universeller einsetzbaren Vollverstärker, der auch mit Impedanzschwankungen sicher umgehen soll und mit dem Urmodell höchstens noch die Betriebsart gemeinsam hat.
Kaltlächelnd heiß
Die nutzt der IA- 4 aber auch weidlich aus, indem er seine zwei Paare moderner Endstufentransistoren fast Mitleid erregend vor sich hin schwitzen lässt. Tatsächlich werden die großen Kühlkörper plus Gehäuse selbst noch erklecklich heiß, resultierend in rund 160 Watt Dauerverbrauch aus dem Netzstecker. Merke: Echter A- Betrieb ist etwas für HiFi- Snobs, die selbst in Energiesparzeiten im ( Klang-) Luxus schwelgen möchten. Und das hat seinen Preis. Unter anderem jenen, auf Stromfresser- Lautsprecher zu verzichten, obwohl es zum Teamwork „ kleiner“Class- As mit schwierigen Lasten erstaunliche Geschichten gibt, denn, ein „ dickes“Netzteil vorausgesetzt, erweist sich der Arbeitspunkt am schönsten und heißesten Platz der TransistorKennlinie doch erfahrungsgemäß als erstaunlich laststabil.
Sehr geringe Impedanz mag der IA- 4 trotzdem nicht. Wer also auf Nummer sicher gehen will, der spendiert entweder einen „ lauten“Lautsprecher oder – jetzt gehen wir mal in eine andere Richtung – einen eher hochohmigen Monitor in bester englischer Tradition, der im Teamwork mit dem eher gefühlsorientierten, farbig- fröhlichen Sugden fernab von üblicher studiomäßiger Klangtradition endlich einmal „ alle Fünfe gerade sein lässt“. Die Mischung, die so entsteht, ist höchst faszinierend, denn sie kombiniert Präzision mit Wärme und Körper.
Party- Pegel- Orgien lassen wir dabei schön sein und ziehen uns auf die „ Der Gentleman genießt und schweigt“- Position zurück, wenngleich die rund 30
„ Weighing a substantial 20 kilos the IA- 4 has a purposeful look and impressive build quality“
Watt des dicken Engländers durchaus auch zu Erlebnissen jenseits der 12- Uhr- Position des Pegelstellers gut sind. 30 bis 50 Watt – je nach Impedanz – gehen ja für alle üblichen Lautsprecher völlig in Ordnung.
Sinnlich, aber präzise
Mit seinem sehr klaren, präzisen und fein strukturierten, aber dennoch sinnlichen Klang besitzt der verblüffend räumlich musizierende Vollverstärker höchstes Suchtpotenzial, falls man nicht auf einen übertrieben freundlichen Ton geeicht ist – hier macht der IA- 4 keine Ausnahme bei den Erfahrungen mit anderen „ kleinen“Class- As, die zumeist eher auf der ganz sauberen, wie mit frischem Glasreiniger abgezogenen Klangseite der Scheibe liegen und keineswegs als Schönfärber unterwegs sind. Dabei die schwierige Balance zwischen genauer Auflösung und noch nicht nerviger Analytik zu wahren, gelingt dem feingeistigen, natürlich klingenden Sugden hörbar kinderleicht, denn seine Langzeit- Hörqualitäten sind ebenso offensichtlich wie seine Eignung als rundum wohlige Wärme abstrahlender Ofen im Winter...
Und jetzt hätten wir fast die Phonostufe vergessen. Sie nämlich macht bezüglich der gekonnten Sugden’schen KlangAbstimmung keine Ausnahme und liegt ebenfalls auf der frischen, dreidimensionalen und immer wieselflinken Seite, versteht es aber dennoch, den Zuhörer anzurühren und auf eine spannende musikalische Reise mitzunehmen. Da hier auch der Störgeräuschabstand trotz der Anordnung inmitten des Verstärkertraktes hör- und messtechnisch stimmt, ja sogar in puncto Frequenzgang ebenso breitbandig ausfällt wie der ganze Vollverstärker, handelt es sich keineswegs um eine Notlösung, sondern um eine hochwertig ausgeführte Phonostufe, die zum Teamwork mit einem Top- MM- Abtaster einlädt.
Sugdens IA- 4 ist klanglich und technisch ein AusnahmeVollverstärker. Echte Class- AGeräte werden wir nicht mehr allzu viele sehen. Auch deshalb verdient der zudem in traditioneller Manier gebaute Amp eine dicke Empfehlung.