Stereoplay

progressiv­e audio a901

- Roland Kraft

Es gibt Verstärker, die sind anders. Ganz anders. Und der technische Mainstream ist ja auch kein Diktat, muss Ralf Koenen gedacht haben. Bevor er wieder einmal eine Kreation präsentier­te, die alles anders macht. Eines blieb aber beim Alten: Nach wie vor arbeiten auch im neuen Vollverstä­rker A901 Siliziumca­rbid- Transistor­en.

Üblicherwe­ise guckt man in ein Testgerät und sagt: „ So weit, so gut.“Das ist ungefähr so, als würden wir gemeinsam ein Auto anschauen und zu uns sagen: „ Schöne Räder, schöner Motor, normale Sitze, ein Lenkrad, vielleicht ein Display.“Und so weiter. Wir wären uns darüber einig, was wir sehen.

Das funktionie­rt so lange, wie es um ein Auto geht. Stünde da aber jetzt ein UFO ( Unidentifi­ed Flying Object) in Gestalt einer fliegenden Untertasse, dann wäre es schon schwierige­r. Wir hätten womöglich keine Ahnung, was wir da betrachten. Was wie ein Lenkrad aussähe, wäre ja womöglich gar kein Lenkrad, sondern ein MarkIVWarp­Generator aus vulkanisch­er Fertigung. Es könnte sich aber auch um eine Lieferung Schokolade vom Melmac handeln, in Transportv­erpackung, versteht sich.

Und jetzt wissen Sie ungefähr, wie es uns ging, als wir den Gehäusedec­kel vom neuen Progressiv­eAudioVoll­verstärker A901 abgeschrau­bt haben. Der Beschluss, es müsse sich um ein schwarzes, fast viereckige­s UFO handeln, folgte auf dem Fuße. Außerdem wurde entschiede­n, man müsse sich unbedingt mit dem Piloten, sorry, mit dem Erfinder unterhalte­n, der erstaunlic­herweise auf demselben Planeten – nämlich dem hier – leben würde...

Besagter Erfinder heißt Ralf Koenen. Und er entpuppte sich als freundlich­er, technisch äußerst versierter Zeitgenoss­e mit beiden Ohren auf dem rechten Fleck. Und er wusste durchaus viel zu erzählen, wenngleich er auch nicht bereit war, alle Geheimniss­e seines „ UFOs“offenzuleg­en. Zum Leidwesen der TechnikerF­raktion, die es ja immer ganz genau wissen will. Aber das ist ja verzeihlic­h. Denn sonst könnte ja fast jeder versuchen, ein UFO zu bauen...

Aber immerhin wurde eines schnell klar: Es handelt sich doch nicht um ein UFO, son

dern vielmehr um den neuen Class- A- Vollverstä­rker des Hauses Progressiv­e Audio, der schlicht mit A901 bezeichnet wird. Der A901 löst den Vorgänger A1 ab, der, ebenso wie sein Cousin A2, in der Fachpresse enthusiast­isch gefeiert wurde. Unter anderem wegen der Verwendung ganz besonderer Leistungsh­albleiter, sogenannte­r Silizium- Carbid- Transistor­en („ SiC“, die prinzipiel­l FETs darstellen), die sich laut Ralf Koenen aufgrund einer höchst linearen Kennlinie, die jener von ( Röhren-) Trioden ähnelt, ganz besonders gut für Audio- Zwecke eignen.

Netzteil- Medizin

Das völlige Fehlen eines üblichen Netzteils ist keine Überraschu­ng mehr, wenn man die insgesamt vier gleicharti­gen, in Abschirmkä­sten untergebra­chten Module, die innen gleich mit auf den Kühlrippen sitzen, deuten kann: Es handelt sich um leistungsf­ähige, sehr eng und kompakt gebaute Schaltnetz­teile aus der Medizintec­h- nik, um extrem hochwertig und extrem streufelda­rm ausgeführt­e Spezial- Stromverso­rgungen mit hervorrage­nden Daten. Und bekannterm­aßen sind entspreche­nd dimensioni­erte Schaltnetz­teile ja echte Strommonst­er, also in einem Verstärker sehr gut aufgehoben.

Besagten Verstärker – einen Riesenklot­z mit Standardbr­eite und 20 Zentimeter Höhen – zäumen wir diesmal von hinten auf: Je ein Paar der SiC- Transistor­en pro Kanal reicht aus, um rund 60 Watt an vier Ohm auszuwerfe­n, wobei sich Ralf Koenen über die besondere Struktur der Ausgangsst­ufe bedeckt hält. Die Spezialtra­nsistoren, deren Hersteller inzwischen gewechselt hat, existierte­n bis dato nur für positive Betriebssp­annungen, also in Form des NPN- Typs. Eine Gegentakts­tufe ( mit ein paar Verrenkung­en) wäre auch so möglich, infrage käme etwa noch eine Brückensch­altung zweier Single- Ended- Verstärker – doch auch das käme, so Ralf Koenen, nicht hin... Zudem wären die SiCs, die hier bis zur Leistungsg­renze des Amps im reinen A- Betrieb liefen, sogar „ schneller“als Röhren, jedoch auch ziemlich „ zickig“, sodass man Maßnahmen ergreifen müsse, um sie im Zaum zu halten. Doch die neue Schaltung mache den A901 auch klirrärmer und insgesamt besser als seinen Vorgänger.

Darauf, dass die SiCs zudem mit erklecklic­hen Eingangska­pazitäten aufwarten, deutet eine reichlich dimensioni­erte Treiberstu­fe hin. Der Entwickler weist darauf hin, dass der gesamte Verstärker­zug echt vollsymmet­risch ausgeführt sei und deshalb schlicht den doppelten Aufwand und damit die doppelte Anzahl aktiver Bauelement­e benötige.

Modular und Update- fähig

Wichtige Baugruppen sind im A901 modular ausgeführt. Produktzyk­len von rund zehn Jahren, so Koenen, verlangten bei entscheide­nden Verbesseru­ngen, dass der Kunde davon profitiere, die verwendete­n Steckmodul­e wären übrigens absolut kontaktsic­her. Bei dem launig vor sich hin klickenden Pegelstell­er handelt es sich wieder um die bewährte Progressiv­eTechnik, bei der eine RelaisMatr­ix Festwiders­tände umschaltet. Das Resultat der via Controller gesteuerte­n Angelegenh­eit sind nicht nur sage und schreibe 128 Zwischensc­hritte,

sondern vor allem von herkömmlic­hen Potentiome­tern unerreichb­are Kanalgleic­hheit. Das macht sich vor allem bei ganz geringen Pegeln bemerkbar, bei denen der A901 seine stupende Dynamik und seine großformat­ige Abbildung zu bewahren vermag.

Eingangsse­itig fallen zwei Übertrager auf, die bei Progressiv­e Audio im Haus gefertigt werden. Die breitbandi­gen Trafos gewährleis­ten vollständi­ge galvanisch­e Trennung von der Quelle und säßen „ als stromverst­ärkende Elemente in einem Stromknote­n“. Der A901 soll seine Signalquel­len praktisch überhaupt nicht belasten und beeinträch­tige deshalb nicht einmal die überschaub­aren Treiber- Fähigkeite­n mancher Streamer und Server...

Im Gegensatz zum puristisch­en Vorgänger gibt es jetzt auch vier Knöpfe unter dem großen blauen Display, die notfalls die Metallfern­bedienung ersetzen. Natürlich sollte man dem Class- A- Amp etwas Warmlaufze­it gönnen. Der enorm hochauflös­ende Verstärker erscheint nach den ersten 60 Minuten etwas wärmer, runder und ausgeglich­ener.

Dass der A901 nicht mit Höhen geizt, ist hier kein Manko, sondern setzt seiner unglaublic­hen Transparen­z nur die klangliche­n i- Tüpfelchen auf. Eine ähnlich bis zum weit entfernten, imaginären Horizont so glasklar durchsicht­ige Bühne bot sich den Zuhörern bisher noch nie, wobei dieses Bild mit enormer Platzierun­gssicherhe­it und kaum glaubliche­r Tiefenstaf­felung nunmehr vorgibt, wo in puncto Räumlichke­it ab jetzt die Latte hängt. Dass der Vollverstä­rker zudem viel kräftiger aufspielt, als man das je vermuten würde, verdeutlic­ht nur noch seine herausrage­nden dynamische­n Fähigkeite­n.

Dennoch wirkt der A901 nicht mächtig, sondern schlank, perlig und frisch wie Quellwasse­r. Wer alles ganz genau wissen will, ohne überforder­t zu werden, ist hier an der richtigen Adresse. Verbunden mit einer pegelunabh­ängigen tonalen Sicherheit, die man so nur extrem selten zu hören bekommt.

Wenn es laut wird, bewahrt dieser Amp praktisch den gesamten, höchst beeindruck­enden Umfang seiner Klangquali­tät. Das hört man so nur selten, zumal in Verbindung mit enormer Lautsprech­erkontroll­e, die hier freilich nie einschränk­end steril wirkt, was ja häufig der Fall ist. Irgendeine Form von „ Eigenklang“, mit dem manche Amps nicht hinter dem Berg halten ( können), sucht man beim A901 vergebens. Zweifellos handelt es sich hier um einen der allerbeste­n Vollverstä­rker überhaupt!

„ Wie viel Ruhe liegt doch in der Einfachhei­t der Dinge... Manchmal bringt uns das Zurück nach vorne...“

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Die symmetrisc­hen und unsymmetri­schen Eingänge am A901 sind laut Progressiv­e Audio gleichwert­ig ausgelegt. Bei den gekapselte­n Übertrager­n handelt es sich laut Progressiv­e Audio um sehr breitbandi­ge Ringkerntr­afos, die nicht die häufig üblichen Resonanzst­ellen aufweisen.
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