CD „ Dynamic Bass“
Die stereoplay- CD „ Dynamic Bass“bietet mächtige Schübe aus den Tiefen des Frequenzgangs – und starke Musik
Wer kann Bass besser? Insbesondere LautsprecherEntwickler dürften diese Frage noch immer heiß diskutieren. Und auch viele HiFi- Fans bleiben gar nicht cool, wenn ihre Lieblingslautsprecher ausgerechnet beim Bauen des Fundaments schwächeln. Aber von was reden wir eigentlich, wenn wir mehr oder weniger tiefschürfend über Bass reden?
So ganz eindeutig ist das nicht, und es lohnt sich, ein wenig Licht in den Frequenzkeller zu tragen. Apropos Frequenzen: Das menschliche Gehirn fängt bei ungefähr 16 Schwingungen pro Sekunde an, ein Gefühl des Vibrierens in die Wahrnehmung eines Tons zu transformieren. Die physikalische Einheit für Schwingung pro Sekunde ( Frequenz) ist Hertz, 16 Hertz also die Untergrenze unseres Gehörs. Was aber nicht heißt, dass wir darunter nichts mehr wahrnehmen.
Der sogenannte Infraschall geht uns buchstäblich an Herz und Nieren. Subsonische Schallwellen können ab bestimmten Pegeln innere Organe schädigen, in minder schweren Fällen lösen sie Beklemmungsgefühle aus. Was die Sounddesigner von HorrorfilmSoundtracks oder früher auch die Spieler großer Kirchenorgeln nutzen, indem sie drama-
tische Stellen entsprechend unterfüttern beziehungsweise bei Drohungen des Pfarrers mit Hölle und Verdammnis die „ Demutspfeife“ins Spiel bringen. Unhörbar, aber angsteinflößend.
Wer kommt wie tief?
Der hörbare Bassbereich beginnt in unserer westlichen Notation beim Subkontra- C, was bei einer Stimmung von Kammerton a auf 440 Hertz etwa 16,4 Hertz entspricht. Weil eine Oktave immer die Verdoppelung der Frequenz bedeutet, reicht die Subkontra- Oktave von 16,4 bis 32,7 Hertz, dem Kontra- C. Die anschließende Kontra- Oktave bis 65,4 Hertz, die sich anschließende „ große“Oktave reicht dann bis 130 Hertz. Das ist die tiefste für den Menschen gesanglich erreichbare Oktave, ganz wenige Bassisten erreichen mit vollem Volumen das große (= tiefe) E, entsprechend 82,4 Hertz.
Auf eine Oktave drunter ist normalerweise die tiefste Saite eines viersaitigen Kontrabasses und eines E- Basses gestimmt. Ihre fünfsaitigen Brüder reichen eine Quarte tiefer bis zum Subkontra- H, immerhin 30,9 Hertz. Etwas tiefer gehen nur noch Kontrafagott, Harfe und große Bösendorfer- Flügel hinab; das Subkontra- C bleibt unter den akustischen Instrumenten der
Orgel und dem Militärgebläse Helikon vorbehalten.
Die große Trommel wird meist aufs Kontra- C ( 32,7 Hz) gestimmt, und der größte Paukenkessel mehr als eine Oktave höher aufs große D ( 73,4 Hz). Die Bassdrum ( Fußtrommel) im Rockschlagzeug liegt so dazwischen, ihr wird allerdings der Resonanzraum meist rüde weggedämpft. Während „ klassische“Orchester- oder Klavieraufnahmen also durchaus auch weit unter 40 Hertz reichen können, ist bei Pop und Jazz spätestens hier Schluss, bei Pop fallen die Tontechniker meist schon bei 60 Hz rigoros raus. Man will ja die kleinen Böx-
chen oder In- Ear- Kopfhörer der Klientel nicht überstrapazieren. Es sei denn, markerschütternde, abgrundtiefe Bässe, meist synthetisch erzeugt, gehören zum ästhetischen Konzept.
Die andere Seite
Womit wir auf der Wiedergabeseite angelangt wären. Wo im Hochtonbereich nur besonders hartleibige Breitbänder- Hörer bereit sind, auf die oberste Oktave zwischen 10.000 und 20.000 Hz zu verzichten, sieht der gemeine HiFi- Hörer das bei den zwei untersten Oktaven zwischen 16 und 64 Hz nicht so eng. Vorschlag zur Güte: Nennen wir unter HiFi- Gesichtspunkten den Bereich zwischen 40 und 130 Hz Bass, den von 16 bis 50 Hz Tiefbass. Und für den braucht es zur Wiedergabe mit Lautsprechern Fläche und Hub, am besten beides.
Weil aber beides bei den kleinen Tiefmitteltönern von Kompakt- oder schmalen Standboxen zwangsläufig limitiert ist, greifen die Entwickler zur Absenkung
der unteren Grenzfrequenz zu allerlei Tricks, die stereoplay in seinen Lautsprechertests wertneutral aufzeigt. Oder sie heben den Bereich um 60 Hz etwas an, um Tiefbass vorzutäuschen. Oder sie verlassen sich auf das „ Ergänzungshören“: die wunderbare Fähigkeit unseres Hochleistungsrechners namens Hörzentrum im Großhirn, nicht wiedergegebene Grundtöne aufgrund der Obertöne ( Anzahl und Stärkeverteilung der ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz) „ mit“zu hören, zu ergänzen. Oder sie verzichten ohne viel Federlesens auf die Quantität der tiefsten Frequenzen zugunsten der Qualität der zweituntersten.
Die richtige Balance
Denn was „ nützt“ein besonders tiefreichender Bass, wenn er langsam, aufgequollen, dröhnend oder wie nicht dazugehörend daherkommt? Wer schon jemals die mannigfaltigen Schwierigkeiten kennengelernt hat, welche die Integration eines Subwoofers in eine sehr gute HiFi- Kette bereiten kann, der wird die Frage mit „ nichts“oder „ wenig“beantworten. Was beim Action- Film so geil donnerte, rumpelt beim Sinfonieorchester oder Electronic- Gesumse nur noch dröge unten rum.
Da können dann kleine, aber in sich stimmige Lautsprecher die bessere Wahl sein. Stichworte sind hier: Phasenlage von Bass und Mittelton, Verzerrungsarmut im Oberbass und Anregung von Resonanzen im Hörraum.
stereoplay hat auf dieser CD ein Dutzend Titel zusammengestellt, die ein enormes stilis- tisches Spektrum abdecken. Von gefühlvollem Unterstreicher-, knalligem Funk-, flächigem Synthi-, antrittschnellem Orchester- bis zu perkussivem Trommelfeuer- Bass bietet sie alles auf, was die schiere Tiefe, die qualitative Präzision und alles dazwischen bei einer Wiedergabekette abtesten kann.
Zur Balance: Beim Mastern nutzten Bauer- Studio- Tonmeister Philipp Heck und der Autor eher überschaubare Studiomonitore. Und beobachteten auf dem Spektrometer, was ganz unten im Keller so los war. Und bei einigen Titeln entfuhr es Heck regelrecht begeistert: „ Da ist ja mächtig was geboten“.
Deshalb hier nochmal die Warnung, den Lautstärkesteller nicht zu weit aufzureißen. Denn so ein echter Tiefbass fordert Endstufen und Tieftöner doch mehr als Kinderpop. Sie erfahren auch bei Pegeln unterhalb der Ohrenbetäubung, wer nach Ihrem Geschmack den Bass nun besser kann.