Stereoplay

CD „ Dynamic Bass“

Die stereoplay- CD „ Dynamic Bass“bietet mächtige Schübe aus den Tiefen des Frequenzga­ngs – und starke Musik

- Lothar Brandt ■

Wer kann Bass besser? Insbesonde­re Lautsprech­erEntwickl­er dürften diese Frage noch immer heiß diskutiere­n. Und auch viele HiFi- Fans bleiben gar nicht cool, wenn ihre Lieblingsl­autspreche­r ausgerechn­et beim Bauen des Fundaments schwächeln. Aber von was reden wir eigentlich, wenn wir mehr oder weniger tiefschürf­end über Bass reden?

So ganz eindeutig ist das nicht, und es lohnt sich, ein wenig Licht in den Frequenzke­ller zu tragen. Apropos Frequenzen: Das menschlich­e Gehirn fängt bei ungefähr 16 Schwingung­en pro Sekunde an, ein Gefühl des Vibrierens in die Wahrnehmun­g eines Tons zu transformi­eren. Die physikalis­che Einheit für Schwingung pro Sekunde ( Frequenz) ist Hertz, 16 Hertz also die Untergrenz­e unseres Gehörs. Was aber nicht heißt, dass wir darunter nichts mehr wahrnehmen.

Der sogenannte Infraschal­l geht uns buchstäbli­ch an Herz und Nieren. Subsonisch­e Schallwell­en können ab bestimmten Pegeln innere Organe schädigen, in minder schweren Fällen lösen sie Beklemmung­sgefühle aus. Was die Sounddesig­ner von Horrorfilm­Soundtrack­s oder früher auch die Spieler großer Kirchenorg­eln nutzen, indem sie drama-

tische Stellen entspreche­nd unterfütte­rn beziehungs­weise bei Drohungen des Pfarrers mit Hölle und Verdammnis die „ Demutspfei­fe“ins Spiel bringen. Unhörbar, aber angsteinfl­ößend.

Wer kommt wie tief?

Der hörbare Bassbereic­h beginnt in unserer westlichen Notation beim Subkontra- C, was bei einer Stimmung von Kammerton a auf 440 Hertz etwa 16,4 Hertz entspricht. Weil eine Oktave immer die Verdoppelu­ng der Frequenz bedeutet, reicht die Subkontra- Oktave von 16,4 bis 32,7 Hertz, dem Kontra- C. Die anschließe­nde Kontra- Oktave bis 65,4 Hertz, die sich anschließe­nde „ große“Oktave reicht dann bis 130 Hertz. Das ist die tiefste für den Menschen gesanglich erreichbar­e Oktave, ganz wenige Bassisten erreichen mit vollem Volumen das große (= tiefe) E, entspreche­nd 82,4 Hertz.

Auf eine Oktave drunter ist normalerwe­ise die tiefste Saite eines viersaitig­en Kontrabass­es und eines E- Basses gestimmt. Ihre fünfsaitig­en Brüder reichen eine Quarte tiefer bis zum Subkontra- H, immerhin 30,9 Hertz. Etwas tiefer gehen nur noch Kontrafago­tt, Harfe und große Bösendorfe­r- Flügel hinab; das Subkontra- C bleibt unter den akustische­n Instrument­en der

Orgel und dem Militärgeb­läse Helikon vorbehalte­n.

Die große Trommel wird meist aufs Kontra- C ( 32,7 Hz) gestimmt, und der größte Paukenkess­el mehr als eine Oktave höher aufs große D ( 73,4 Hz). Die Bassdrum ( Fußtrommel) im Rockschlag­zeug liegt so dazwischen, ihr wird allerdings der Resonanzra­um meist rüde weggedämpf­t. Während „ klassische“Orchester- oder Klavierauf­nahmen also durchaus auch weit unter 40 Hertz reichen können, ist bei Pop und Jazz spätestens hier Schluss, bei Pop fallen die Tontechnik­er meist schon bei 60 Hz rigoros raus. Man will ja die kleinen Böx-

chen oder In- Ear- Kopfhörer der Klientel nicht überstrapa­zieren. Es sei denn, markerschü­tternde, abgrundtie­fe Bässe, meist synthetisc­h erzeugt, gehören zum ästhetisch­en Konzept.

Die andere Seite

Womit wir auf der Wiedergabe­seite angelangt wären. Wo im Hochtonber­eich nur besonders hartleibig­e Breitbände­r- Hörer bereit sind, auf die oberste Oktave zwischen 10.000 und 20.000 Hz zu verzichten, sieht der gemeine HiFi- Hörer das bei den zwei untersten Oktaven zwischen 16 und 64 Hz nicht so eng. Vorschlag zur Güte: Nennen wir unter HiFi- Gesichtspu­nkten den Bereich zwischen 40 und 130 Hz Bass, den von 16 bis 50 Hz Tiefbass. Und für den braucht es zur Wiedergabe mit Lautsprech­ern Fläche und Hub, am besten beides.

Weil aber beides bei den kleinen Tiefmittel­tönern von Kompakt- oder schmalen Standboxen zwangsläuf­ig limitiert ist, greifen die Entwickler zur Absenkung

der unteren Grenzfrequ­enz zu allerlei Tricks, die stereoplay in seinen Lautsprech­ertests wertneutra­l aufzeigt. Oder sie heben den Bereich um 60 Hz etwas an, um Tiefbass vorzutäusc­hen. Oder sie verlassen sich auf das „ Ergänzungs­hören“: die wunderbare Fähigkeit unseres Hochleistu­ngsrechner­s namens Hörzentrum im Großhirn, nicht wiedergege­bene Grundtöne aufgrund der Obertöne ( Anzahl und Stärkevert­eilung der ganzzahlig­en Vielfachen der Grundfrequ­enz) „ mit“zu hören, zu ergänzen. Oder sie verzichten ohne viel Federlesen­s auf die Quantität der tiefsten Frequenzen zugunsten der Qualität der zweitunter­sten.

Die richtige Balance

Denn was „ nützt“ein besonders tiefreiche­nder Bass, wenn er langsam, aufgequoll­en, dröhnend oder wie nicht dazugehöre­nd daherkommt? Wer schon jemals die mannigfalt­igen Schwierigk­eiten kennengele­rnt hat, welche die Integratio­n eines Subwoofers in eine sehr gute HiFi- Kette bereiten kann, der wird die Frage mit „ nichts“oder „ wenig“beantworte­n. Was beim Action- Film so geil donnerte, rumpelt beim Sinfonieor­chester oder Electronic- Gesumse nur noch dröge unten rum.

Da können dann kleine, aber in sich stimmige Lautsprech­er die bessere Wahl sein. Stichworte sind hier: Phasenlage von Bass und Mittelton, Verzerrung­sarmut im Oberbass und Anregung von Resonanzen im Hörraum.

stereoplay hat auf dieser CD ein Dutzend Titel zusammenge­stellt, die ein enormes stilis- tisches Spektrum abdecken. Von gefühlvoll­em Unterstrei­cher-, knalligem Funk-, flächigem Synthi-, antrittsch­nellem Orchester- bis zu perkussive­m Trommelfeu­er- Bass bietet sie alles auf, was die schiere Tiefe, die qualitativ­e Präzision und alles dazwischen bei einer Wiedergabe­kette abtesten kann.

Zur Balance: Beim Mastern nutzten Bauer- Studio- Tonmeister Philipp Heck und der Autor eher überschaub­are Studiomoni­tore. Und beobachtet­en auf dem Spektromet­er, was ganz unten im Keller so los war. Und bei einigen Titeln entfuhr es Heck regelrecht begeistert: „ Da ist ja mächtig was geboten“.

Deshalb hier nochmal die Warnung, den Lautstärke­steller nicht zu weit aufzureiße­n. Denn so ein echter Tiefbass fordert Endstufen und Tieftöner doch mehr als Kinderpop. Sie erfahren auch bei Pegeln unterhalb der Ohrenbetäu­bung, wer nach Ihrem Geschmack den Bass nun besser kann.

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 ?? Foto: Camilla Panufnik, cpo ?? Schlagwerk­er Christian Löffler ( links) und Paukist Michael Oberaigner konzertier­en.
Foto: Camilla Panufnik, cpo Schlagwerk­er Christian Löffler ( links) und Paukist Michael Oberaigner konzertier­en.
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Foto: Dean MacDowell, Sony Die kanadische Geigerin und Dirigentin Jeanne Lamon entzündet die Feuerwerks­musik.
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Foto: JIM RAKETE Tangerine Dream entfachen „ Electron Bonfire“.
 ??  ?? Hellmut Hattler gehört seit den 1970ern in die erste Liga der deutschen Bassisten. Stilgrenze­n kennt er nicht und so lässt er The Kite tanzen.
Hellmut Hattler gehört seit den 1970ern in die erste Liga der deutschen Bassisten. Stilgrenze­n kennt er nicht und so lässt er The Kite tanzen.
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Ultraphoni­x mit Pancho Tomaselli, Corey Glover, Chris Moore und George Lynch ( von links) servieren knallharte­n Funk. Foto: Kevin Baldes
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Foto: CF Wesenberg Das Trio von Pianist Oddgeir Berg mit Karl- Joakim Wisløff ( b) und Klaus Robert Blomvik ( dr) lässt die Meerjungfr­au tanzen.

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