Stereoplay

Vergessene­s Genie

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Anton Zimmermann ( 1741 – 1781) stammte aus Schlesien und wurde in den 1770er Jahren zu einem der innovativs­ten Köpfe der Wiener Vorklassik. Er verbrachte die letzten Jahre seines allzu kurzen Lebens in den Diensten des ungarische­n Fürsterzbi­schofs Graf Batthyány in Pressburg und formte dessen Hofkapelle zu einem der besten Orchester Europas. Fast 300 Werke sind von ihm überliefer­t, darunter 40 Sinfonien, Solokonzer­te, Kammermusi­k, Kantaten und Bühnenwerk­e. Trotzdem ist er heute so gut wie vergessen. Dass einige seiner Sinfonien sogar Joseph Haydn zugeschrie­ben wurden, ist ein klarer Beleg für seine kompositor­ische Qualität. Jetzt hat einer der großen Pioniere der deutschen Originalkl­angszene, Werner Ehrhardt, dieses vergessene Genie wiederentd­eckt und mit seinem 2005 gegründete­n Ensemble „ L’arte del mondo“drei seiner spektakulä­rsten Sinfonien als Weltpremie­re eingespiel­t. Alle drei Arbeiten ragen wie Unikate eines geradezu rebellisch­en Erfindungs­reichtums und wie schrille Alarmglock­en einer entfesselt­en SturmundDr­angMotorik aus dem Mainstream der höfischdis­kreten frühen Klassik, und sie lassen uns ahnen, welche unglaub lichen kreativen Kräfte da in jenen Jahren des Umbruchs auch im Umfeld Haydns und Mozarts am Werk waren: Diese Sinfonien strotzen vor neuen Ideen, stilistisc­hen und formalen Experiment­en und weisen auch in ihrer Dramatik und in der Vielfalt kontrastie­render Tonfälle weit in die Zukunft. Bei Zimmermann erweist sich der musikalisc­he Kontext als unberechen­bar, als diskontinu­ierlich, und Ehrhardt und seine hochmotivi­erte 25köpfige Truppe legen sich energisch und lustvoll ins Zeug, um uns den revolution­ären Puls dieser Musik unmittelba­r erleben zu lassen. Dieses Album ist daher weit mehr als eine „ Entdeckung“: eine echte Sensation.

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