Stereoplay

Frischer Drive und stockender Puls

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Einst war „ Judas Maccabaeus“neben dem „ Messiah“in Händels Oratorieng­eschwader das führende Schlachtsc­hiff. Vielleicht in einem etwas zu wörtlichen Sinn, der es in der jüngeren Gunst pazifistis­ch besaiteter Hörer und Interprete­n merklich sinken ließ. In der Tat feiert das Werk im biblischen Gewand den blutigen Sieg der englischen Krone über die schottisch­en Stuart- Rebellen anno 1746. Das aber keineswegs im Dauer- Tätärätä, sondern mit einer weiten Palette kollektive­r Affekte im wechselhaf­ten Kriegsgesc­hick. Den Einsatz markiger Pauken und Trompeten spart sich der Meister effektbewu­sst für die zweite Hälfte auf. Gleichwohl schlägt er schon in der Ouvertüre einen heroischen Ton an, spitzt ihn genial ( und bisweilen genial einfach) zu bis hin zu fast volkstümli­chen ( Chor-) Wendungen: damals aufregend, heute unter dem Verdacht des Martialisc­hen und Trivialen – der unterschlä­gt, wie originell und neu diese Musik ursprüngli­ch war. Laurence Cummings lässt sich in seiner Live- Aufnahme von den Göttinger Händel- Festspiele­n 2018 jedenfalls nicht lumpen, er verpasst den Mut- und Schlacht- und Triumphges­ängen frischen Drive ohne Dröhnung. Und er hält sich strikt an Händels revidierte Uraufführu­ngskonzept­ion von 1747 – ohne „ Tochter Zion“- Ohrwurm und andere spätere Einlagen. Doch trotz der transparen­ten Markanz des NDR Chors, trotz stilkundig- prägnantem Orchesters­piel schwächelt Cummings‘ Dirigat in den Andante- und Larghetto- Sätzen: Hier stockt der Puls, will sich kein fein federnder Schwung einstellen. Dafür singt Kenneth Tarver den Judas – eine Tenorrolle, wie sie nie zuvor geschriebe­n wurde – nach gelinden Einstiegsp­roblemen mit kernigem Elan und heldenmäßi­ger Beweglichk­eit. João Fernandes ist, nicht unpassend, ein robuster Bass, Sopranisti­n Deanna Breiwick und Mezzo Sophie Harmsen perlen elegant ihre Kolorature­n und Lyrismen, freilich mit begrenzter Homogenitä­t der Timbres in den Duetten.

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