Neuer Blick auf die Pioniere
„The Soft Parade” von 1969 ist das wohl ungewöhnlichste Album von The Doors. Öffentlich in Ungnade gefallen, versuchte die Band ihren eigenen Kokon zu sprengen, experimentierte mit komplexen Songstrukturen, verarbeitete offensiver als zuvor Einflüsse von Kurtweill und Konsorten.weniger Morrison, mehr Musik – bei Fans und Kritik kam dieses unfreiwillige Motto dreier hoch motivierter Musiker und eines chronisch betrunkenen Sängers gleichermaßen schlecht an. Nun verändert der historische Abstand die Perspektive auf diese Platte mehr als bei anderen Werken der Band, zumal die klanglich um ein Vielfaches verbesserte Ausgabe von 2019 auch einen ganz anderen Zugang gewährt.
Die inflationär gebrauchte Phrase, eine Band war ihrer Zeit weit voraus, trifft hier insbesondere zu. Die Klarheit und Transparenz der remasterten Fassung gewährt völlig neue Tiefeneinblicke in das wahrscheinlich facettenreichste Album der Doors.was zuvor als opulenter Klangbrei daherkam, wirkt plötzlich filigran aufgefächert. Drei CDS mit Zusatzmaterial, darunter die 64-minütige Performance „Rock Is Dead“, versorgen den Hörer mit überraschenden Einfallswinkeln und Informationen. Die gefallenen Gottgleichen von einst werden ein Stück näher an die Gegenwart herangerückt. Das Dilemma um Morrison wird deutlich in bisher unveröffentlichten Versionen, in denen Organist Ray Manzarek das Mikrofon übernimmt.
Es gibt Gründe, warum das Meiste davon nie herausgebracht wurde, aber im Kontext dieser Jubiläumsausgabe ist es überaus erhellend und erweitert den Blick auf eine prägende Band der frühen Rockgeschichte. „The Soft Parade“mag zu ihrer Zeit einen Tiefpunkt in der Laufbahn einer stilprägenden Band der 1960er-jahre beschrieben haben, in der historisch-kritischen Ausgabe von 2019 wird sie ein bleibender Höhepunkt. Und das völlig zu Recht.well done! wk