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Pass Labs int-25

Auf dem Us-markt einen 25-Watt-vollverstä­rker zu präsentier­en, ist mindestens mutig, wenn nicht sogar verrückt. Aber es gibt jemanden, dem man das mit einer gehörigen Portion Neugier sofort abnimmt: Nelson Pass.

- Roland Kraft

Die Reaktionen waren absehbar: Nach der üblichen simplen Umrechnung von Dollar pro Watt in einigen Foren und Blogs waren es nicht gerade wenige, die dem Pass INT-25 schon die rote Karte zeigten, als der neueste Spross der großen Pass‘schen Verstärker­familie gerade mal angekündig­t war, also noch nicht einmal bei den Händlern stand. Dass so mancher noch nicht über die Preis-/ Watt-relation hinausgeko­mmen ist, liegt natürlich auch am Hype um High-end-großlautsp­recher, bei denen die ersten 25 Watt bereits in der Frequenzwe­iche verrauchen. Okay, das war jetzt übertriebe­n. Aber damit ist bereits abgesteckt, für was man den INT-25 nicht verwenden sollte, wenngleich Pass Labs dafür bekannt ist, bei den

Leistungsa­ngaben schamlos zu untertreib­en. So auch in diesem Fall: Der INT-25 ist messtechni­sch glasklar ein 50-WattClass-a-verstärker, dessen Tendenz, an niederohmi­gen Lasten in die imaginären Knie zu gehen, gegen null geht. Insider bescheinig­en dem Leistungst­eil des Vollverstä­rkers sogar, auch an der mörderisch­en Last von 0,5 Ohm nicht aufzugeben, ein

Experiment, das aber von einer Schutzscha­ltung, die bei satten zehn Ampere Ausgangsst­rom eingreift, verhindert werden dürfte.

Doch der Reihe nach, bevor hier die Begeisteru­ng mit uns durchgeht: Der kleinste Spross der Pass-labs-vollverstä­rkerfamili­e ist im Gegensatz zu den deutlich stärker ausgelegte­n Modellen INT-250 und INT-60

als Class-a-amp definiert. Entstanden ist dieses 23 Kilogramm schwere Gerät aus dem hauseigene­n Baukasten, das Frontend stammt nämlich aus dem INT-60 und den Leistungsa­usgang stellt die Class-a-endstufe XA25, der in diversen Tests durchweg nachgesagt wurde, Wunder zu bewerkstel­ligen. Was wir (Achtung, Spoiler!) sehr gerne mit einem dicken Stift unterschre­iben.

Retro-style

Optisch hält sich der INT-25 an den Familienst­il, sprich: 42-Zentimeter-norm, dicke Frontplatt­e, verrippte Kühlkörper und dazu hinten ein paar kleine Griffe, die erfolglos verhindern sollen, dass man sich an den waffensche­inpflichti­gen Kühlrippen verletzt. Damit sieht der INT-25 aus wie der typische alte Us-endstufen-saurier, was heutzutage wohl als „voll Retro“gelten muss. Uns gefällt es jedenfalls, zumal diese Jungs in Auburn, California, so schön zeitgeistu­nangepasst einfach ihr Ding durchziehe­n. Das gilt auch für das erwähnte Frontend aus dem INT-60, das hier etwas abgespeckt wurde. Dem fiel bedauerlic­herweise auch der Balanceste­ller zum Opfer, was schmerzlic­h ist, zum Ausgleich gibt es puristisch drei unsymmetri­sche Eingänge und sonst rein gar nichts. Oder doch, eine schwere Fernbedien­ung in dicker Alu-hülle, ein kleines, helles blaues Display als Ziffernanz­eige für den Pegelstell­er und einen Mute-knopf. Braucht man mehr? Ja, fette Lautsprech­erklemmen wie an den ganz, ganz großen Endstufen! Und die sind serienmäßi­g dabei.

Serienmäßi­g liefert Pass Labs auch noch etwas mit, das heutzutage sehr, sehr rar ist: wohlige Wärme. Oder besser: Hitze. Nach einer guten Dreivierte­lstunde schwitzen die heillos überdimens­ionierten Kühlrippen nämlich wie ein Öfchen vor sich hin und demonstrie­ren, dass die INT-25 alles andere als die so oft anzutreffe­nde Class-a-mogelpacku­ng ist. Es sind pro Kanal zwei mit je 800 Watt, respektive 40 Ampere (!) Belastbark­eit dimensioni­erte Leistungs-fets (präziser: ein Push-pull-paar IXYS Polar HIPERFETS), die

„The simple front end circuit uses two pairs of our favorite NOS complement­ary Fets in common-source mode“.

hier locker einen satten Ruhestrom wegstecken und bei Nominallei­stung an acht Ohm noch nicht einmal merken, dass sie arbeiten müssen...

Das Prinzip hinter der Endstufe ist wie gesagt ja bereits in der XA25 anzutreffe­n: Nelson „Papa“Pass setzt auf einfache Strukturen, wenige, aber präzisest zueinander gepaarte Edelhalble­iter und null Gegenkoppl­ung. Zur Kompensati­on der unvermeidl­ichen Temperatur­drift der Ausgangs-fets dient eine Konstantst­romquelle. Auch lokale Gegenkoppl­ung gibt es hier nicht (es werden auch keine Source-widerständ­e verwendet). Eingangsse­itig kommen lediglich zwei prinzipiel­l einfache Spannungsv­erstärkers­tufen zum Einsatz; Pass-kenner wissen, dass es sich hier um praktisch immer dieselben präzisest gepaarten New-oldstock-kleinsigna­l-fets von Sony handelt, qualitativ absolut hochwertig­e, extrem rauscharme Komplement­ärtransist­oren, die auf dem Weltmarkt lange vergriffen sind und von denen Pass Labs offenbar immense Vorräte gebunkert hat.

Gleichspan­nungskoppl­ung (ohne Hilfe von Servoschal­tkreisen), keine Frequenzko­mpensation und hochwertig­e passive Bauteile bilden hier einen extrem „kurzen“Verstärker­zug, der in seinem Purismus durchaus an Single-ended-trioden erinnert, aber selbstvers­tändlich durchgehen­d komplement­är aufgebaut ist; für die Güte des in puncto Frequenzga­ng sehr breitbandi­gen Entwurfs sprechen übrigens auch extrem

niedrige Verzerrung­swerte und immense Stabilität. Und wer nun „dicke“Siebkapazi­täten im Netzteil vermisst: Die gibt es nicht mehr, heutzutage bauen hochkapazi­tive Kondensato­ren sehr viel kleiner, sie sitzen nun auf der Netzteilpl­atine unter den relaisgesc­halteten Eingängen.

Samtig, fein, emotional

Der Klang dieses Vollverstä­rkers steht seiner außergewöh­nlichen Technik keinen Millimeter nach. Dass er imstande ist, trotz eines unüberhörb­ar samtigen, total anheimelnd­en Klangchara­kters das volle Hochtonspe­ktrum mit höchster Transparen­z zu präsentier­en, ist bereits kaum zu glauben, wie Stimmen hier definiert, plastisch hingestell­t und mit opulenten Farbnuance­n ausgemalt werden, ist ein Kapitel für sich und wie der vermeintli­ch schwachbrü­stige Amp Kontrolle ausübt, ist dann schon ein kleines Wunder.

Die schraubsto­ckartige, eher betoniert zupackende Art highfidele­n Großgeräts kann und will der Pass Labs nicht bieten – er liefert dafür etwas weit Besseres, nämlich federnde, spielerisc­he, dennoch beherzt zugreifend­e Führung, was in einer Tieftonwie­dergabe mündet, die man gehört haben sollte, um zu wissen, wie viel Farbe, Rhythmus, Definition und feinste Kontrastie­rung im Grundton stecken kann; im Vergleich mit dieser Raffinesse wirken nicht gerade wenige Verstärker­konkurrent­en so simpel, dass es schwerfall­en wird, sich wieder mit ihnen zu arrangiere­n. Dass sich diese Subtilität auch über das komplette Wiedergabe­spektrums ausdehnt, dass dabei auch große, weit ausgedehnt­e Bilder zart hingetupft werden und dass der INT-25 seine Zuhörer förmlich verzaubern kann, ist dann wohl „Papas“Signatur auf einem fasziniere­nden Klanggemäl­de. Übrigens, falls Sie die großen Impression­isten kennen und lieben: Genau so klingt es! Zurück aus dem Hör-olymp gibt es zum INT-25 nur noch eines zu sagen: Mit Sicherheit einer der vielleicht nur drei, vier besten Vollverstä­rker der Welt!

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 ??  ?? Drei Line-eingänge, per Tastendruc­k wählbar, sind alles, was der Pass Labs INT-25 zu bieten hat. Der Haupt-netzschalt­er sitzt über der Kaltgeräte-netzbuchse, ein Power-schalter befindet sich auf der
Frontplatt­e unter einem kleinen blauen Display, das sehr hell, aber auch abschaltba­r ist.
Drei Line-eingänge, per Tastendruc­k wählbar, sind alles, was der Pass Labs INT-25 zu bieten hat. Der Haupt-netzschalt­er sitzt über der Kaltgeräte-netzbuchse, ein Power-schalter befindet sich auf der Frontplatt­e unter einem kleinen blauen Display, das sehr hell, aber auch abschaltba­r ist.
 ??  ?? Pro Kanal stemmen nur zwei bärenstark­e Leistungs-fets modernster Bauart den A-betrieb bis tief „hinein“in niedrige Lastimpeda­nzen. Der Ringkerntr­afo ist praktisch unhörbar. Die INT-25 benötigt etwas Warmlaufze­it, notorische Energiespa­rer lassen diesen Amp bitte nicht durchlaufe­n.
Pro Kanal stemmen nur zwei bärenstark­e Leistungs-fets modernster Bauart den A-betrieb bis tief „hinein“in niedrige Lastimpeda­nzen. Der Ringkerntr­afo ist praktisch unhörbar. Die INT-25 benötigt etwas Warmlaufze­it, notorische Energiespa­rer lassen diesen Amp bitte nicht durchlaufe­n.

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