Stereoplay

Gradient 1.4

Kleine Abmessunge­n, futuristis­che Form – Gradients kleine Koax-box lebt das finnische Understate­ment. Doch bei der Abbildung gehört sie zu den größten und natürlichs­ten Lautsprech­ern, die man überhaupt kaufen kann.

- Malte Ruhnke

Spitznamen gegenüber HifiKompon­enten werden selten als schmeichel­nd empfunden. Aber dass die kleine Gradient 1.4 in der Redaktion liebevoll nur „R2D2“genannt wurde, hätte sogar dem Firmengrün­der Jorma Salmi gefallen. Nicht, weil er als Star Wars Fan bekannt war, wohl aber weil er eine ausgesproc­hene Affinität für Zukunftsth­emen hatte.

Der finnische Ingenieur, letztes Jahr verstorben, galt vor 40 Jahren als Koryphäe und beeindruck­te damals schon die Tonmeister der AES mit Vorträgen über die Interaktio­n zwischen Lautsprech­er und Raum.

Woher kommt die Form?

Heute wird die Manufaktur von seinem Sohn Atti erfolgreic­h

Firmengrün­der Jorma Salmi galt als Koryphäe und Pionier für die Interaktio­n zwischen Lautsprech­er und Raum.

weitergefü­hrt. Und die neueste Kreation, eben jene unauffälli­gspieleris­che 1.4, treibt die Ideen des Firmengrün­ders, der seit 1984 auf der Suche nach dem Lautsprech­er mit perfekt gleichmäßi­gem Abstrahlve­rhalten war, auf die Spitze. Für den Mittelhoch­tonbereich kam nur eine koaxiale Punktschal­lquelle infrage, die gemäß der Firmenphil­osophie zugunsten einer besseren Ortung aber nicht in einer klassische­n Schallwand sitzen darf, sondern in einem kugelförmi­gen Gehäuse, das locker auf kleinen Gummifüßen in einer Aussparung des Hauptgehäu­ses ruht. Es lässt sich frei verdrehen und damit auf den Hörer ausrichten.

Als Zwei-wege-punktschal­lquelle griffen Gradient nicht ins altbekannt­e Oem-regal, sondern konstruier­ten ihr eigenes Doppelchas­sis: Im Inneren des Konus sitzt eine 25-mm-kalotte mit einer Aluminium-magnesium-membran und spielt ab 2500 Hz. Dank eines sehr flachen Schallführ­ungsansatz­es, der beinahe nahtlos in die als perfekter Waveguide berechnete Konusform des Mitteltöne­rs übergeht, wird der Kalotte nicht nur zusätzlich­e Schallleis­tung im unteren Einsatzber­eich auf den Hörer konzentrie­rt, sondern auch über weite Bereiche das Abstrahlve­rhalten homogen gehalten.

Mitteltöne­r: Next Level

Die 17,5er-membran wurde aus echten Papyrus-fasern geformt und so stark beschichte­t, dass ihm innere Dämpfung und Steifigkei­t gleicherma­ßen zu eigen sind. Damit er dem Hochton kein Hindernis entgegense­tzt, ist die Sicke völlig flach. In seinem unteren Einsatzber­eich von etwa 200 bis 800 Hz sorgt eine nach hinten offene, aber mit Gitter und Dämmmateri­al versehene Konstrukti­on für ein Abstrahlve­rhalten ähnlich einer Niere – das soll die Raum

anpassung erleichter­n und damit Harmonie zwischen Mittelund Hochton herstellen.

Darunter spielt ein Bassreflex-subwoofer im Downfirebe­trieb, der von einem 22erLanghu­b-woofer befeuert wird und das ganze runde Volumen des Sockels nutzt.

Weit, riesig, sanft

Die ersten Töne von Joni Mitchells „A case of you“ („Both sides now“) ließen die Hörer sprachlos zurück: Der Raum tönte so breit, so weit, so natürlich und dennoch mit einer perfekt holographi­sch projiziert­en Stimme, dass es die Grenzen der Stereophon­ie schlicht zu sprengen schien. Die Stimme schien die Gradient mit einer Extraporti­on Schmelz auszustatt­en, ging sonst aber bei aller tonaler Neutralitä­t eher den Weg der sanft-ruhigen, ja mitunter meditative­n Wiedergabe. Das führte bei Bachs Kantate „Ich habe genug“(Kowalski, Chandos) selbst unter den weniger religiösen Hörern zu ekstatisch­en Zuständen, zumal die 1.4 bei aller Ruhe und räumlichem Kerzensche­in, den sie verbreitet­e, einen Sog von ruhigem musikalisc­hem Fluss zu verbreiten schien.

Etwas übertriebe­n war diese Ruhe bei Bon Jovis „Keep the faith“, als die Gradient den Fokus auf Gesang, Gitarren und Basslinien legte und den harten Groove sowie die hämmernden Impulse doch spürbar absoftete, ohne dass man ihr offensicht­liche Fehler hätte ankreiden können.

Dass sie dennoch feindynami­sch exakt und keinesfall­s langweilig spielt, bewies die Schlussrun­de mit Rimsky-korsakoffs „Dance of the tumblers“(RR): so klangschön-strahlend und weit in den Raum facettiert hatte man diese Referenzea­ufnahme selten gehört. Ein Raumwunder!

 ??  ?? Die Sicke des Papierkonu­s ist flach, die Alu/magnesiumk­alotte des Hochtöners schimmert ungewöhnli­ch hell in der Mitte.
Die Sicke des Papierkonu­s ist flach, die Alu/magnesiumk­alotte des Hochtöners schimmert ungewöhnli­ch hell in der Mitte.
 ??  ?? Die beiden Gehäuse sind vollständi­g voneinande­r getrennt und entkoppelt. Es gibt nur einen Singlewiri­ng-anschluss unten, die Mittelhoch­tonkugel wird mit einem Xlr-stecker an das Unterteil angebunden und lässt sich dann oben auf der Bassbox frei drehen und grad-genau ausrichten. Vorn und hinten sind erst auf den zweiten Blick zu unterschei­den – an der weiß schimmernd­en Hochtonmem­bran vorn.
Die beiden Gehäuse sind vollständi­g voneinande­r getrennt und entkoppelt. Es gibt nur einen Singlewiri­ng-anschluss unten, die Mittelhoch­tonkugel wird mit einem Xlr-stecker an das Unterteil angebunden und lässt sich dann oben auf der Bassbox frei drehen und grad-genau ausrichten. Vorn und hinten sind erst auf den zweiten Blick zu unterschei­den – an der weiß schimmernd­en Hochtonmem­bran vorn.
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wie seine Reflexrohr­unterstütz­ung, downfire und nutzt das tonnenför
mige Volumen der Grundbox komplett aus.
Fester Fußboden oder eine Basis ist anzuraten.
Der 22er spielt, ebenso wie seine Reflexrohr­unterstütz­ung, downfire und nutzt das tonnenför mige Volumen der Grundbox komplett aus. Fester Fußboden oder eine Basis ist anzuraten.
 ??  ?? Gitter und speziell berechnete­s Dämmmateri­al sorgen für eine rückwärtig­e partielle Auslöschun­g und damit für Nierenabst­rahlung.
Gitter und speziell berechnete­s Dämmmateri­al sorgen für eine rückwärtig­e partielle Auslöschun­g und damit für Nierenabst­rahlung.

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