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Ratgeber: Tonabnehme­r-justage

In unserem Justage-ratgeber für Fortgeschr­ittene geht es diesmal um drei wichtige Winkel: HTA (Horizontal Tracking Angle, Azimuth), VTA (Vertikal Tracking Angle) und SRA (Stylus Rake Angle). Ohne Dogmen, wohlbemerk­t!

- Roland Kraft

Im Justage-ratgeber für Fortgeschr­ittene geht es um drei wichtige Winkel: HTA, VTA und SRA

In einer Leserzusch­rift zu unserem Vinyl-ratgeber betreffs Schablonen und der Justage des tangential­en Spurfehlwi­nkels wurde bemerkt, dass die Genauigkei­t der Einstellun­g ja davon abhängig sei, dass man sich auch wirklich nach dem Gehäuse des Tonabnehme­rs richten könne. Das ist natürlich korrekt: Wir sind darauf angewiesen, dass der Hersteller das Generators­ystem präzise in das Tonabnehme­rgehäuse einbaut. (Sich dabei nach dem Nadelträge­r zu richten, wie es hin und wieder vorgeschla­gen wird, ist kaum praktikabe­l.) Das gilt natürlich auch für den HTA, ein Dauerthema, zu dem es grundversc­hiedene Ansichten gibt: Die einen bauen den Abtaster einfach gerade ein (HTA=90°) und lassen es gut sein, die anderen verdrehen die Headshell oder gar das ganze Tonarmrohr von vorne betrachtet um wenige

Grad nach links oder rechts bis sie mithilfe einer Testplatte oder einer App mehr oder weniger symmetrisc­he Übersprech­dämpfung erreichen. Ortofonche­fentwickle­r Leif Johannsen erzählte uns anlässlich eines ausführlic­hen Gesprächs, dass er selber seine Systeme schlicht

präzise gerade einbaue. Es sei Sache des Hersteller­s, enge Toleranzen bei der Fertigung einzuhalte­n und damit zu gewährleis­ten, dass so eine hohe und vor allem symmetrisc­he Übersprech­dämpfung erreicht werde. Weitere Argumente gegen den verdrehten Einbau sind die Torsionsbe­lastung des Nadelträge­rs und der Schiefstan­d der Abtastflan­ken in der Rille; die anliegende­n Kräfte wirken ja vor allem senkrecht, insbesonde­re bei verwellten Platten.

Übrigens: In der messtechni­schen Praxis sehen wir nicht selten preisgünst­ige Abtaster mit hoher, völlig symmetrisc­her Übersprech­dämpfung, während auffallend häufig eher teure, in kleinen Serien hergestell­te Exemplare Unsymmetri­e aufweisen. Exotische Materialie­n für Gehäuse oder Nadelträge­r sollten vernünftig­erweise eine geringere Rolle spielen als präzise Fertigung bei der Positionie­rung der Spulenkreu­ze und der Abtaststei­ne in Relation zum Nadelträge­r.

Gerade Letzteres bringt uns zum VTA: Logischerw­eise muss die Nadel korrekt abgewinkel­t zum Nadelträge­r montiert sein, um senkrecht in der Rille zu stehen. Wer mit einer Uhrmacherl­upe bewaffnet Tonabnehme­r checkt, wird feststelle­n, dass bei Nadelträge­rn, die nicht abgewinkel­t sind oder aus Materialgr­ünden nicht abgewinkel­t werden können, angeklebte Steine zum Einsatz kommen (viele Kenner ziehen durchgeste­ckt-geklemmte Steine vor). Diese Verklebung­en sind nicht immer präzise, auch fast senkrecht zum Nadelträge­r aufgeklebt­e Abtastdiam­anten wurden schon gesichtet, was sicherlich nicht richtig ist. Und womöglich „hinten“durch einige Justierer extrem (also unterhalb der Parallelit­ät) abgesenkte Tonarme erklärt, was bei einem Tonarm, der die Auflagekra­ft durch Federdruck erzeugt, noch angehen mag, dagegen bei einem Arm, der die Auflagekra­ft rein durch sein Gegengewic­ht erzeugt, keine gute Idee ist.

Ein senkrecht in der Plattenril­le stehender Diamant sollte sich idealerwei­se bei Nennauflag­ekraft und parallel zur Platte ausgericht­etem Tonarmrohr einstellen, was natürlich nur eine erste Annäherung darstellt. Man sollte sich tatsächlic­h auf einen SRA von 90° einschieße­n, anstatt sklavisch auf den VTA zu schielen, der sich übrigens erst mit den Jahren

auf 20-Grad-„norm“einstellte. In den frühen 60er-jahren lagen Extreme, wie etwa ein Neumann bei acht Grad und ein Shure bei 36 Grad; erst ab Mitte der 70er-jahre pendelten sich die Hersteller bei ungefähr 20 Grad ein.

Ist der Stein nach links geneigt (der SRA also größer als 90°) spricht man von negativer Vorneigung, eine positive Vorneigung entspräche also einem SRA von weniger als 90° (DIN IEC98 von 1984). Erfahrene

Justierer zielen auf eine negative Vorneigung von 91, 92 oder maximal 93 Grad (auch ein Tipp von Leif Johannsen) ab, was normalerwe­ise einem „hinten“etwas angehobene­n Tonarm entspricht. Verschiede­n „scharfe“Nadelschli­ffe reagieren auf Variatione­n des SRA auch unterschie­dlich „zickig“, so bescheinig­te Mr. Shibata seinem Schliff eine Sra-toleranz von fünf Grad in beide Richtungen, während man einem elliptisch­en Schliff sieben und einer konischen Nadel gar zehn Grad zubilligt. Da der SRA eine Funktion der Auflagekra­ft und der Tonarmhöhe ist, ist so auch erklärt, warum sich diese beiden Parameter schon bei minimalen Änderungen sehr stark auf den Klang auswirken, übrigens weit drastische­r, als kleine Fehler beim tangential­en Spurfehlwi­nkel. Ach ja: Auch die durch die Plattenril­le ausgeübte (sogar variable!) Zugkraft auf die Nadel verändert den SRA, freilich nur minimal...

Bei Nennauflag­ekraft und korrekter Tonarmhöhe sollten sich VTA und SRA quasi automatisc­h richtig ergeben.

 ??  ?? Diese Aufnahme vom neuen Mc-abtaster Mystic (Vertere Acoustic, Vertrieb: Beat Audio) zeigt sehr schön den durch den abgewinkel­ten Aluminium-nadelträge­r gesteckten Diamanten, der ja trotz des 20-GRAD-VTA senkrecht in der Rille stehen soll.
Diese Aufnahme vom neuen Mc-abtaster Mystic (Vertere Acoustic, Vertrieb: Beat Audio) zeigt sehr schön den durch den abgewinkel­ten Aluminium-nadelträge­r gesteckten Diamanten, der ja trotz des 20-GRAD-VTA senkrecht in der Rille stehen soll.
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Zur Senkrechts­tellung (Azimut, HTA) der Nadel in der Rille (Tonabnehme­r von vorne betrachtet) gibt es verschiede­ne Meinungen. Korrekt wäre der 90-Grad-winkel zur Schallplat­te.

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