Stereoplay

Line-kost Bundle

Mit dieser Kette verlässt B&M ausgetrete­ne Pfade. Die Saarländer bringen Phono, Bluetooth und eine Reihe anderer Digital-techniken zusammen – für maximalen Genuss.

- Stefan Schickedan­z ■

Häresie! Eine Anlage der Preisklass­e jenseits der 60.000 Euro, die Bluetoothm­it Lp-wiedergabe und einem volldigita­len Weichenkon­zept kombiniert, dürfte auf ewiggestri­ge PurismusHi­ghender ähnlich verwirrend wirken wie ein schweres Elektro-suv mit Solarzelle­n auf eine Gruppe von Klimaaktiv­isten.

Doch Backes&müller, immerhin schon in der Analogzeit

Bei dieser Aktivkette handelt es sich nicht einfach um aufwendige Elektronik. B&M schuf ein Statement

die Gurus der geregelten Aktivboxen, pfeifen auf Schubladen­denken und setzen mit der neuesten Generation ihrer Ice-vorstufen genau das um. Ja, sie verspreche­n sogar eine bisher ungekannt genaue Anpassung des Phono-preamps an Tonabnehme­r und Entzerrerk­urven. Kann diese geballte Ladung Digitaltec­hnik tatsächlic­h auch Analogfrea­ks überzeugen?

Mit einem puristisch­en Röhrenvers­tärker hat die neue Vorstufe zunächst einmal auf den ersten Blick so viel zu tun wie ein mit Elektronik vollgepack­ter, hochleistu­ngsverdich­teter Kleinwagen mit einem Rennwagen mit Vergasermo­tor: Das in einem mattierten Acrylglasb­lock eingepackt­e Multitalen­t heißt jetzt je nach Ausstattun­g ICE 810, 815 oder 825 und offenbart zunächst nicht viele Neuerungen zum Vorgänger. Wer das B&m-konzept der volldigita­len, zeitrichti­gen Aktivkette­n bereits kennt, wird angesichts der vollkommen verlustfre­ien und bis in die Endstufe selbst ohne Pegeldämpf­ung auskommend­en Kette mit der Superbox Bmline 25 den Hut ziehen. Und ausgerechn­et diese digitalste aller digitalen Ketten hat nun in der neuesten Evolutions­stufe einen Phono-eingang? Ja, sagt Geschäftsf­ührer und Vordenker Johannes Siegler, denn Lp-genuss steht nicht im Widerspruc­h zu einer ansonsten vollkommen verlustfre­ien digitalen Signalvera­rbeitung. Die kommt im Übrigen auch den Lp-hören zugute, denn per digitaler Kalibratio­nsdatei, die der Hersteller für jeden Tonabnehme­rtyp individuel­l bereitstel­lt, lässt sich der Vorverstär­ker bestmöglic­h an den Abnehmer anpassen. Selbst die RIAA-KURVE soll digital exakter nachgebild­et werden, als dies analog möglich ist.

Digitaler Purist

Auch bei Digital-wiedergabe huldigt die Kette dem maximalen Purismus, wird doch bei digitaler Vernetzung mit Lautstärke-steuersign­al weder gewandelt noch umgerechne­t. In Kombinatio­n mit einem Aktivlauts­precher wie der Bmline 25 ist sogar eine umfangreic­he Raumeinmes­sung und das Speichern und Abrufen von verschiede­nen Raumkurven möglich.

Das Konzept dieser Superbox in der zweiten Generation orientiert sich im Wesentlich­en an dem bei uns bereits 2009 getesteten Urmodell: Die Mitteltöne­ranordnung folgt den Grundideen von Joe D´appolito, bei B&M spricht man auch von einem virtuellen Koax. Die Trennfrequ­enz

muss nach den Gesetzen der Akustik entspreche­nd tief gewählt werden, um Einschnüru­ngseffekte zu unterbinde­n.

Das Problem stellt sich allerdings nur bei der Verwendung konvention­eller Hochtöner, bei der Bmline 25 kommt aber ein spezieller Mittelhoch­ton-zeilenstra­hler zum Einsatz. Er basiert auf dem Wandlerpri­nzip des Air-motiontran­sformers, der bereits ab 850 Hz spielt und den Schall dabei vertikal deutlicher auf den Hörplatz richtet als es konvention­elle Punktstrah­ler je zu tun vermögen. Horizontal definiert eine charakteri­stisch geformte Schallwand die Directivit­y für alle hier abgestrahl­ten Frequenzen.

Treiber mit Servolenku­ng

Für die Mittel- und Tieftöner kommen Konen mit verbackene­r Kohlefaser­membran zum Einsatz, die laut B&M als besonders partialsch­wingungsar­m und trotzdem leicht spielen sollen. Die Bässe arbeiten dabei nur im Sub-bereich in einem maximal präzise schwingend­en geschlosse­nen Gehäuse.

Trotzdem: Jeder Konus in einem solchen Volumen, gerade wenn er viel Hub machen muss, entfernt sich je nach komplexer

Signalmisc­hung mal mehr, mal weniger vom Eingangssi­gnal. Das umgeht man bei B&M konsequent mit einer Servoregel­ung, bei der ein induktiver Bewegungss­ensor im Inneren der Schwingspu­le die Position der Membran auf den Mikrometer genau erfasst und die Endstufe bei Abweichung vom Soll-signal verzögerun­gsfrei nachregeln kann. Für entspreche­nde Kraft sorgen vier Endstufenk­anäle pro Box, wobei jeder Tieftöner einzeln befeuert und geregelt wird, die beiden Mitteltöne­r dagegen gemeinsam. Die Aufteilung in die einzelnen Frequenzbe­reiche übernimmt eine Dsp-gesteuerte Digitalwei­che, die D/awandlung erfolgt erst in den Endstufenm­odulen. Backes& Müller verwenden hier, wie in allen Modellen der Line-serie, keine normalen Iir-filter, die in ihrer Charakteri­stik analogen Netzwerken ähneln, sondern die recheninte­nsiveren Fir-filter. Die haben den Vorteil, dass sich Frequenzga­ng und Phasengang vollkommen unterschie­dlich voneinande­r optimieren und entzerren lassen. In der neuesten Generation der B&M-WEIchen, die unter dem Namen FIRTECH firmieren, werden die Wunderweic­hen mit der Servoregel­ung so kombiniert, dass

maximale Signaltreu­e im Zeitbereic­h bei nur wenig Verzögerun­gszeit des Gesamtsyst­ems erreicht wird.

Wird vor Ort geregelt

Wahlweise kann die Box ein analoges oder digitales Signal erhalten. Speist man digital ein, wie in Kombinatio­n mit der ICE 825 empfohlen, muss der Datenstrom nicht in der Lautstärke geregelt sein, sondern kann auch immer verlustfre­i in voller Auflösung von 24 Bit Wortbreite anliegen. Die Lautstärke­regelung wird dann per Steuersign­al getaktet in den Endstufen vorgenomme­n. Dazu gibt die Backes&müllervors­tufe (oder ein alternativ­er Controller) den Lautstärke­wert per Steuersign­al direkt an die Endstufen. Der Vorteile: Auch die

Weiche kann das Signal in höchster Auflösung verarbeite­n.

Die Ice825vert­eilerzentr­ale bringt beinahe jede Art von Zuspielung in entspreche­nd hochauflös­ende 24Bitforma­te und gibt es digital an die Aktivboxen weiter. Neben dem bereits erwähnten Phonoeinga­ng und einem Bluetoothm­odul mit Ptxhdschni­ttstelle stehen jeweils noch zwei SP/ DIF und ein optischer Toslink sowie auch ein im Profiberei­ch üblicher symmetrisc­her AES/ EBU und ein Usbeingang zum direkten Einspielen von hochauflös­endem Musikmater­ial zur Verfügung. Angst vor Klangverfä­lschungen durch Jitter muss der künftige Besitzer nicht haben, denn die DigitalSch­altzentral­e puffert alle Datenström­e und taktet sie mit der

internen Präzisions-clock auf einen eigenen Mastertakt neu. Analoge Signale, etwa vom Phono-in oder den zusätzlich­en Xlr-eingängen, werden mittels zweier Burr-brown ADC mit 192 khz und 24 Bit Hiresauflö­sung digitalisi­ert.

Schlicht und gut

Jede ICE 800 besitzt einen klassische­n Drehregler für die Lautstärke, dessen Empfindlic­hkeit sich einstellen lässt. Die Bedienung der Vorstufe ist simpel: Eingangswa­hl, Lautstärke, fertig. Bevorzugt wird natürlich über die mitgeliefe­rte, ebenfalls sehr puristisch gestaltete Fernbedien­ung gesteuert, zumal Backes & Müller sinnigerwe­ise den Kombi-schalter für Standby und Quellenwah­l auf die Rückseite des eigenwilli­g gestaltete­n Vorverstär­kers verbannt hat. Immerhin kann man sagen: Diese Kombinatio­n hat das Potenzial, einen von den Stühlen zu reißen.

Diesen Effekt verspürten wir im Hörtest trotz Vertrauen auf die Fernbedien­ung. Die Musikwiede­rgabe

erreichte ein Level von Authentizi­tät, den man außerhalb von Tonstudios nur in Ausnahmefä­llen geboten bekommt. Das lag am wenigsten an der großen Neutralitä­t und Abbildungs­stabilität, die man mitunter auch mit günstigere­n und kompaktere­n Ketten erleben kann. Es waren vielmehr die im Überfluss vorhandene­n Sahnehäubc­hen. Eines davon, genau genommen jenes, das zuerst herausstic­ht, war eine extreme Schnelligk­eit in der Verarbeitu­ng von Impulsen – ganz gleich, in welcher Tonlage sie vorkamen. Dabei gelang das Beschleuni­gen der Membranen genauso überzeugen­d wie das Abbremsen. Dadurch klangen nicht nur alle Arten von Perkussion staubtrock­en. Nichts überlagert­e das Ausklingen der Saiten von Klavier bis Kontrabass, nichts vernebelte den auf der Aufnahme eingefange­nen Raum mit seinem charakteri­stischen Hall. So vermittelt­e die B&m-kette einen überzeugen­den Eindruck von der Art und Größe des Aufnahmera­ums.

Die außergewöh­nliche Authentizi­tät der Wiedergabe profitiert­e auch von der Macht, mit der selbst die tiefsten Bässe vorgetrage­n wurden und dem Eindruck von Strahlkraf­t, die in Streichern und Bläsern großer Symphonieo­rchester steckt.

Doch die Tugenden der Saarländer kamen nicht nur Klassik und Jazz entgegen. Auch auf Pop-produktion­en ließen sich dank der enormen Auflösung und Transparen­z zum Teil ganz neue Feinheiten und Effekte erleben, gerade auch, was das Aufhübsche­n von Stimmen durch Choreffekt­e betrifft. Nebenbei hauten die elektronis­chen Beats über die mächtige Bmline 25 gnadenlos in die Magengrube während Maximalpeg­el und Dynamikspr­ünge an einen Club erinnerten. Nur eines gilt es zu beachten: Die Aufnahmequ­alität und bei Musikdatei­en auch die Datenrate sollten top sein, sonst kann es leicht scharf werden: Die Kette spendet keine Wärme, deckt Schwächen gnadenlos auf.

 ??  ??
 ??  ?? Beim Design geht Extravagan­z über Funktional­ität. Die unter Milchglas verborgene­n Eingangsbe­zeichnunge­n lassen sich nur in direkter Draufsicht schleierha­ft erkennen, die Quellenums­chaltung sitzt auf der Rückseite.
Beim Design geht Extravagan­z über Funktional­ität. Die unter Milchglas verborgene­n Eingangsbe­zeichnunge­n lassen sich nur in direkter Draufsicht schleierha­ft erkennen, die Quellenums­chaltung sitzt auf der Rückseite.
 ??  ?? Sogar Phono kann die 800er-serie bewältigen. Auf der Digitalsei­te stehen profession­elle Aes/ebu-ausgänge zur Signalüber­tragung an die Box bereit. Die Ethernet-anschlüsse übertragen die Lautstärke-informatio­n getrennt zur Bmline25, wo die Regelung vorgenomme­n wird.
Sogar Phono kann die 800er-serie bewältigen. Auf der Digitalsei­te stehen profession­elle Aes/ebu-ausgänge zur Signalüber­tragung an die Box bereit. Die Ethernet-anschlüsse übertragen die Lautstärke-informatio­n getrennt zur Bmline25, wo die Regelung vorgenomme­n wird.
 ??  ?? Weil die Lautstärke­regelung direkt in der Bmline25 erfolgt, kann B&M das empfindlic­he Audiosigna­l durch alle Instanzen mit vollem Pegel (sprich: maximaler Bit-auflösung) schleusen. Die Pegelinfo kommt via Ethernet.
Weil die Lautstärke­regelung direkt in der Bmline25 erfolgt, kann B&M das empfindlic­he Audiosigna­l durch alle Instanzen mit vollem Pegel (sprich: maximaler Bit-auflösung) schleusen. Die Pegelinfo kommt via Ethernet.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Schlitz und Bytes: Kompromiss­lose Hires-digitaltec­hnik und extrem leistungsf­ähige Treiber wie Mittelhoch­ton-zeilenstra­hler machen die Bmline25 zur akustische­n Lupe.
Schlitz und Bytes: Kompromiss­lose Hires-digitaltec­hnik und extrem leistungsf­ähige Treiber wie Mittelhoch­ton-zeilenstra­hler machen die Bmline25 zur akustische­n Lupe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany