Line-kost Bundle
Mit dieser Kette verlässt B&M ausgetretene Pfade. Die Saarländer bringen Phono, Bluetooth und eine Reihe anderer Digital-techniken zusammen – für maximalen Genuss.
Häresie! Eine Anlage der Preisklasse jenseits der 60.000 Euro, die Bluetoothmit Lp-wiedergabe und einem volldigitalen Weichenkonzept kombiniert, dürfte auf ewiggestrige PurismusHighender ähnlich verwirrend wirken wie ein schweres Elektro-suv mit Solarzellen auf eine Gruppe von Klimaaktivisten.
Doch Backes&müller, immerhin schon in der Analogzeit
Bei dieser Aktivkette handelt es sich nicht einfach um aufwendige Elektronik. B&M schuf ein Statement
die Gurus der geregelten Aktivboxen, pfeifen auf Schubladendenken und setzen mit der neuesten Generation ihrer Ice-vorstufen genau das um. Ja, sie versprechen sogar eine bisher ungekannt genaue Anpassung des Phono-preamps an Tonabnehmer und Entzerrerkurven. Kann diese geballte Ladung Digitaltechnik tatsächlich auch Analogfreaks überzeugen?
Mit einem puristischen Röhrenverstärker hat die neue Vorstufe zunächst einmal auf den ersten Blick so viel zu tun wie ein mit Elektronik vollgepackter, hochleistungsverdichteter Kleinwagen mit einem Rennwagen mit Vergasermotor: Das in einem mattierten Acrylglasblock eingepackte Multitalent heißt jetzt je nach Ausstattung ICE 810, 815 oder 825 und offenbart zunächst nicht viele Neuerungen zum Vorgänger. Wer das B&m-konzept der volldigitalen, zeitrichtigen Aktivketten bereits kennt, wird angesichts der vollkommen verlustfreien und bis in die Endstufe selbst ohne Pegeldämpfung auskommenden Kette mit der Superbox Bmline 25 den Hut ziehen. Und ausgerechnet diese digitalste aller digitalen Ketten hat nun in der neuesten Evolutionsstufe einen Phono-eingang? Ja, sagt Geschäftsführer und Vordenker Johannes Siegler, denn Lp-genuss steht nicht im Widerspruch zu einer ansonsten vollkommen verlustfreien digitalen Signalverarbeitung. Die kommt im Übrigen auch den Lp-hören zugute, denn per digitaler Kalibrationsdatei, die der Hersteller für jeden Tonabnehmertyp individuell bereitstellt, lässt sich der Vorverstärker bestmöglich an den Abnehmer anpassen. Selbst die RIAA-KURVE soll digital exakter nachgebildet werden, als dies analog möglich ist.
Digitaler Purist
Auch bei Digital-wiedergabe huldigt die Kette dem maximalen Purismus, wird doch bei digitaler Vernetzung mit Lautstärke-steuersignal weder gewandelt noch umgerechnet. In Kombination mit einem Aktivlautsprecher wie der Bmline 25 ist sogar eine umfangreiche Raumeinmessung und das Speichern und Abrufen von verschiedenen Raumkurven möglich.
Das Konzept dieser Superbox in der zweiten Generation orientiert sich im Wesentlichen an dem bei uns bereits 2009 getesteten Urmodell: Die Mitteltöneranordnung folgt den Grundideen von Joe D´appolito, bei B&M spricht man auch von einem virtuellen Koax. Die Trennfrequenz
muss nach den Gesetzen der Akustik entsprechend tief gewählt werden, um Einschnürungseffekte zu unterbinden.
Das Problem stellt sich allerdings nur bei der Verwendung konventioneller Hochtöner, bei der Bmline 25 kommt aber ein spezieller Mittelhochton-zeilenstrahler zum Einsatz. Er basiert auf dem Wandlerprinzip des Air-motiontransformers, der bereits ab 850 Hz spielt und den Schall dabei vertikal deutlicher auf den Hörplatz richtet als es konventionelle Punktstrahler je zu tun vermögen. Horizontal definiert eine charakteristisch geformte Schallwand die Directivity für alle hier abgestrahlten Frequenzen.
Treiber mit Servolenkung
Für die Mittel- und Tieftöner kommen Konen mit verbackener Kohlefasermembran zum Einsatz, die laut B&M als besonders partialschwingungsarm und trotzdem leicht spielen sollen. Die Bässe arbeiten dabei nur im Sub-bereich in einem maximal präzise schwingenden geschlossenen Gehäuse.
Trotzdem: Jeder Konus in einem solchen Volumen, gerade wenn er viel Hub machen muss, entfernt sich je nach komplexer
Signalmischung mal mehr, mal weniger vom Eingangssignal. Das umgeht man bei B&M konsequent mit einer Servoregelung, bei der ein induktiver Bewegungssensor im Inneren der Schwingspule die Position der Membran auf den Mikrometer genau erfasst und die Endstufe bei Abweichung vom Soll-signal verzögerungsfrei nachregeln kann. Für entsprechende Kraft sorgen vier Endstufenkanäle pro Box, wobei jeder Tieftöner einzeln befeuert und geregelt wird, die beiden Mitteltöner dagegen gemeinsam. Die Aufteilung in die einzelnen Frequenzbereiche übernimmt eine Dsp-gesteuerte Digitalweiche, die D/awandlung erfolgt erst in den Endstufenmodulen. Backes& Müller verwenden hier, wie in allen Modellen der Line-serie, keine normalen Iir-filter, die in ihrer Charakteristik analogen Netzwerken ähneln, sondern die rechenintensiveren Fir-filter. Die haben den Vorteil, dass sich Frequenzgang und Phasengang vollkommen unterschiedlich voneinander optimieren und entzerren lassen. In der neuesten Generation der B&M-WEIchen, die unter dem Namen FIRTECH firmieren, werden die Wunderweichen mit der Servoregelung so kombiniert, dass
maximale Signaltreue im Zeitbereich bei nur wenig Verzögerungszeit des Gesamtsystems erreicht wird.
Wird vor Ort geregelt
Wahlweise kann die Box ein analoges oder digitales Signal erhalten. Speist man digital ein, wie in Kombination mit der ICE 825 empfohlen, muss der Datenstrom nicht in der Lautstärke geregelt sein, sondern kann auch immer verlustfrei in voller Auflösung von 24 Bit Wortbreite anliegen. Die Lautstärkeregelung wird dann per Steuersignal getaktet in den Endstufen vorgenommen. Dazu gibt die Backes&müllervorstufe (oder ein alternativer Controller) den Lautstärkewert per Steuersignal direkt an die Endstufen. Der Vorteile: Auch die
Weiche kann das Signal in höchster Auflösung verarbeiten.
Die Ice825verteilerzentrale bringt beinahe jede Art von Zuspielung in entsprechend hochauflösende 24Bitformate und gibt es digital an die Aktivboxen weiter. Neben dem bereits erwähnten Phonoeingang und einem Bluetoothmodul mit Ptxhdschnittstelle stehen jeweils noch zwei SP/ DIF und ein optischer Toslink sowie auch ein im Profibereich üblicher symmetrischer AES/ EBU und ein Usbeingang zum direkten Einspielen von hochauflösendem Musikmaterial zur Verfügung. Angst vor Klangverfälschungen durch Jitter muss der künftige Besitzer nicht haben, denn die DigitalSchaltzentrale puffert alle Datenströme und taktet sie mit der
internen Präzisions-clock auf einen eigenen Mastertakt neu. Analoge Signale, etwa vom Phono-in oder den zusätzlichen Xlr-eingängen, werden mittels zweier Burr-brown ADC mit 192 khz und 24 Bit Hiresauflösung digitalisiert.
Schlicht und gut
Jede ICE 800 besitzt einen klassischen Drehregler für die Lautstärke, dessen Empfindlichkeit sich einstellen lässt. Die Bedienung der Vorstufe ist simpel: Eingangswahl, Lautstärke, fertig. Bevorzugt wird natürlich über die mitgelieferte, ebenfalls sehr puristisch gestaltete Fernbedienung gesteuert, zumal Backes & Müller sinnigerweise den Kombi-schalter für Standby und Quellenwahl auf die Rückseite des eigenwillig gestalteten Vorverstärkers verbannt hat. Immerhin kann man sagen: Diese Kombination hat das Potenzial, einen von den Stühlen zu reißen.
Diesen Effekt verspürten wir im Hörtest trotz Vertrauen auf die Fernbedienung. Die Musikwiedergabe
erreichte ein Level von Authentizität, den man außerhalb von Tonstudios nur in Ausnahmefällen geboten bekommt. Das lag am wenigsten an der großen Neutralität und Abbildungsstabilität, die man mitunter auch mit günstigeren und kompakteren Ketten erleben kann. Es waren vielmehr die im Überfluss vorhandenen Sahnehäubchen. Eines davon, genau genommen jenes, das zuerst heraussticht, war eine extreme Schnelligkeit in der Verarbeitung von Impulsen – ganz gleich, in welcher Tonlage sie vorkamen. Dabei gelang das Beschleunigen der Membranen genauso überzeugend wie das Abbremsen. Dadurch klangen nicht nur alle Arten von Perkussion staubtrocken. Nichts überlagerte das Ausklingen der Saiten von Klavier bis Kontrabass, nichts vernebelte den auf der Aufnahme eingefangenen Raum mit seinem charakteristischen Hall. So vermittelte die B&m-kette einen überzeugenden Eindruck von der Art und Größe des Aufnahmeraums.
Die außergewöhnliche Authentizität der Wiedergabe profitierte auch von der Macht, mit der selbst die tiefsten Bässe vorgetragen wurden und dem Eindruck von Strahlkraft, die in Streichern und Bläsern großer Symphonieorchester steckt.
Doch die Tugenden der Saarländer kamen nicht nur Klassik und Jazz entgegen. Auch auf Pop-produktionen ließen sich dank der enormen Auflösung und Transparenz zum Teil ganz neue Feinheiten und Effekte erleben, gerade auch, was das Aufhübschen von Stimmen durch Choreffekte betrifft. Nebenbei hauten die elektronischen Beats über die mächtige Bmline 25 gnadenlos in die Magengrube während Maximalpegel und Dynamiksprünge an einen Club erinnerten. Nur eines gilt es zu beachten: Die Aufnahmequalität und bei Musikdateien auch die Datenrate sollten top sein, sonst kann es leicht scharf werden: Die Kette spendet keine Wärme, deckt Schwächen gnadenlos auf.