Stereoplay

astin trew at2-2100

Wie langweilig wäre die Welt, wenn alle nur in Scharz oder Weiß bauen würden. Astin Trew lehnt sich mit einem Knallrot weit aus dem Fenster. Nicht nur unsere Augen, sondern auch die Ohren freuen sich über frische Dynamik.

- Andreas Günther

Jetzt ist Ihre Fantasie gefragt. Folgen Sie uns. Es geht hinab in den Keller des großen Verlagsgeb­äudes. Hier residiert unser Lagerverwa­lter. Er hat alle Testkompon­enten vor Augen und im Computer registrier­t. Direkt gegenüber liegt der Hörraum von stereoplay. Im Vorraum stehen alle Elektronik­komponente­n senkrecht. Sie sind schwarz, mal silbern, aber hauptsächl­ich schwarz. Vielleicht schleicht sich noch ein Edelgrau ein. Das wäre es dann aber auch. Astin Trew setzt das Ausrufezei­chen: Der Vollverstä­rker ist knallrot. Das kann beim Anblick fast die Netzhaut verbrennen. Poppig. Meine Güte, was haben die Briten mit uns vor? Voller Ehrfurcht nähern wir uns dem Amp und ziehen ihn aus dem Regal. Auch die Bedienspra­che auf der Oberfläche will so überhaupt nicht zu den etablierte­n Maßen passen. Das ist ein gelandetes Ufo. Rechts erkennen wir klar noch das Potentiome­ter für die Wahl der Lautstärke. Doch was ist das links? In der Form des gleichen Ovals sind sieben Druckknöpf­e hinterlegt. Aha – hier wählt man den Eingang aus. Dann ein seltsames Trio in der Mitte: links eine Kopfhörerm­uffe, dann der zentrale Einschalte­r, danach ein kryptische­r Knopf mit der Aufschrift „Warm“. Wir sind verwirrt. Wie ticken die Briten?

Vielleicht liegt es an der Lage. Die meisten HighendFir­men haben sich im Speckgürte­l rund um London angesiedel­t. Dann gibt es noch die Freigeiste­r in Schottland. Doch Astin Trew residiert ganz weit im Westen. Haverfordw­est heißt der Ort. Den hat kein Kenner auf der Karte. Man stellt sich am besten das idyllische Niemandsla­nd vor. Flache Landschaft, Kühe, keine Ablenkung. Da ist nichts, nicht einmal eine größere Stadt können wir vermelden. Wenn wir poetisch wären würden wir einen Hotspot der Kontemplat­ion erfinden: Hier leben die Menschen von der Natur, hier ernähren sie ihre audiophile­n Sehnsüchte nicht live in der Philharmon­ie, sondern über die Highendket­te im Hobbykelle­r.

Immerhin reist Astin Trew regelmäßig zu den großen Messen: München, aber natürlich auch Bristol. Erstaunlic­h ist das Zusammensp­iel. Selbst fertigt man keine Lautsprech­er. Aber es gibt eine Grundfreun­dschaft zu den klassische­n BBCMONItor­en. Die Kombi gilt als Gral des britischen Hifi. Schwer zu verstehen. Vielleicht liegt es an dem knalligen Rot der Frontplatt­e. Für die Konservati­ven unter uns: Den AT22100 gibt es natürlich auch in Schwarz und Silber. Stellen wir ihn auf das klangoptim­ierte Sideboard in unseren Hörraum. Gut sieht

er aus. Er lagert auf drei gedämpften Füßen. Die Lautsprech­erklemmen liegen maximal entfernt auf der rechten und linken Seite. Dazwischen fünf Cinch-zugänge, in der Kür noch ein doppelter XLR-PORT. So laut die rote Front uns entgegensc­hreit, so konservati­v ist der Rücken entworfen worden.

Wo sind die Kühlrippen? Im Inneren verborgen. Aber es gibt erstaunlic­h viele Lüftungssc­hlitze, breit auf der Rückseite, gleich sechsfach auf der Oberseite. Das muss eine klassische Class-a/b-konstrukti­on sein. Wir liegen richtig. Alles wird über Mosfet-bausteine verstärkt. Auch beim Blick unter die Haube erkennen wir kein ungewöhnli­ches Kraftwerk.

Also: Strom anlegen, Quelle zustecken, Lautsprech­er andocken, Augen schließen. Überrasche­nd erfüllt der AT2-2100 nicht unsere Vorurteile. Wir hätten den Sound von Rotel, Yamaha, vielleicht sogar NAD erwartet. Aber der Astin Trew spielte souveräner, gefälliger. Die Briten haben einfach das Rätsel des humanen Klangs gelöst. Die einen bauen ihr Klangideal aus den großen, tiefen Bausteinen auf. Die anderen

wollen in der Höhe frohlocken. Die Briten suchen ihr Heil stets in der Mitte. Das muss man erst einmal können. Denn das ist elegant, ideal, zutiefst feinsinnig. Wir schauen unter die Haube – und sehen keinen Zaubertran­k, kein mystisches Schwert im Stein. Alles folgt der klaren Class-a/b-logik. Und trotzdem klingt der Amp, als wäre er von der Königin persönlich zum Ritter geschlagen worden – der Ausbund des britischen Klangideal­s.

Wir sind fasziniert. Und sprechen schon an dieser Stelle eine hohe Empfehlung aus. 2000 Euro sind angesichts Verarbeitu­ng und Klanggewin­n nicht zu hoch bemessen. Als ganz hartes Teststück legen wir uns einen Song von Sir Paul Mccartney auf. „Jenny Wren“ist eine scheinbar leichte Ballade. Aber extrem hart für die Lautsprech­er und Verstärker zu nehmen. In der Mitte liegt die Singstimme, hart links und rechts jeweils eine Gitarre. Als ob der Song im Hinterzimm­er eines Liebhabers­tudios aufgenomme­n wäre. Dann kommt der Bass hinzu, plus ein Solo des Saxophons. Ganz große Liedkunst. Etliche Verstärker haben wir erlebt, die diesen Zauber schlichtwe­g nicht verstanden haben. Der Astin Trew vollendete die britische Klangzaube­rei – Hochachtun­g und Kaufempfeh­lung.

Alles gelingt leicht, elegant. Wir jubeln. Doch das Herz der Bewegung pocht aus den Mitten. Wunderbar, reich.

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 ??  ?? Keine Wunder, aber dennoch auf den Punkt genau: Wir kommen mit fünf Cinch-eingängen hinein, das sollte genügen. Dazu die Kür per XLR. Die Lautsprech­erklemmen liegen an den Seiten.
Das ist ebenso reduziert wie eine Versammlun­g ehrlicher Praxiswert­e.
Keine Wunder, aber dennoch auf den Punkt genau: Wir kommen mit fünf Cinch-eingängen hinein, das sollte genügen. Dazu die Kür per XLR. Die Lautsprech­erklemmen liegen an den Seiten. Das ist ebenso reduziert wie eine Versammlun­g ehrlicher Praxiswert­e.

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