astin trew at2-2100
Wie langweilig wäre die Welt, wenn alle nur in Scharz oder Weiß bauen würden. Astin Trew lehnt sich mit einem Knallrot weit aus dem Fenster. Nicht nur unsere Augen, sondern auch die Ohren freuen sich über frische Dynamik.
Jetzt ist Ihre Fantasie gefragt. Folgen Sie uns. Es geht hinab in den Keller des großen Verlagsgebäudes. Hier residiert unser Lagerverwalter. Er hat alle Testkomponenten vor Augen und im Computer registriert. Direkt gegenüber liegt der Hörraum von stereoplay. Im Vorraum stehen alle Elektronikkomponenten senkrecht. Sie sind schwarz, mal silbern, aber hauptsächlich schwarz. Vielleicht schleicht sich noch ein Edelgrau ein. Das wäre es dann aber auch. Astin Trew setzt das Ausrufezeichen: Der Vollverstärker ist knallrot. Das kann beim Anblick fast die Netzhaut verbrennen. Poppig. Meine Güte, was haben die Briten mit uns vor? Voller Ehrfurcht nähern wir uns dem Amp und ziehen ihn aus dem Regal. Auch die Bediensprache auf der Oberfläche will so überhaupt nicht zu den etablierten Maßen passen. Das ist ein gelandetes Ufo. Rechts erkennen wir klar noch das Potentiometer für die Wahl der Lautstärke. Doch was ist das links? In der Form des gleichen Ovals sind sieben Druckknöpfe hinterlegt. Aha – hier wählt man den Eingang aus. Dann ein seltsames Trio in der Mitte: links eine Kopfhörermuffe, dann der zentrale Einschalter, danach ein kryptischer Knopf mit der Aufschrift „Warm“. Wir sind verwirrt. Wie ticken die Briten?
Vielleicht liegt es an der Lage. Die meisten HighendFirmen haben sich im Speckgürtel rund um London angesiedelt. Dann gibt es noch die Freigeister in Schottland. Doch Astin Trew residiert ganz weit im Westen. Haverfordwest heißt der Ort. Den hat kein Kenner auf der Karte. Man stellt sich am besten das idyllische Niemandsland vor. Flache Landschaft, Kühe, keine Ablenkung. Da ist nichts, nicht einmal eine größere Stadt können wir vermelden. Wenn wir poetisch wären würden wir einen Hotspot der Kontemplation erfinden: Hier leben die Menschen von der Natur, hier ernähren sie ihre audiophilen Sehnsüchte nicht live in der Philharmonie, sondern über die Highendkette im Hobbykeller.
Immerhin reist Astin Trew regelmäßig zu den großen Messen: München, aber natürlich auch Bristol. Erstaunlich ist das Zusammenspiel. Selbst fertigt man keine Lautsprecher. Aber es gibt eine Grundfreundschaft zu den klassischen BBCMONItoren. Die Kombi gilt als Gral des britischen Hifi. Schwer zu verstehen. Vielleicht liegt es an dem knalligen Rot der Frontplatte. Für die Konservativen unter uns: Den AT22100 gibt es natürlich auch in Schwarz und Silber. Stellen wir ihn auf das klangoptimierte Sideboard in unseren Hörraum. Gut sieht
er aus. Er lagert auf drei gedämpften Füßen. Die Lautsprecherklemmen liegen maximal entfernt auf der rechten und linken Seite. Dazwischen fünf Cinch-zugänge, in der Kür noch ein doppelter XLR-PORT. So laut die rote Front uns entgegenschreit, so konservativ ist der Rücken entworfen worden.
Wo sind die Kühlrippen? Im Inneren verborgen. Aber es gibt erstaunlich viele Lüftungsschlitze, breit auf der Rückseite, gleich sechsfach auf der Oberseite. Das muss eine klassische Class-a/b-konstruktion sein. Wir liegen richtig. Alles wird über Mosfet-bausteine verstärkt. Auch beim Blick unter die Haube erkennen wir kein ungewöhnliches Kraftwerk.
Also: Strom anlegen, Quelle zustecken, Lautsprecher andocken, Augen schließen. Überraschend erfüllt der AT2-2100 nicht unsere Vorurteile. Wir hätten den Sound von Rotel, Yamaha, vielleicht sogar NAD erwartet. Aber der Astin Trew spielte souveräner, gefälliger. Die Briten haben einfach das Rätsel des humanen Klangs gelöst. Die einen bauen ihr Klangideal aus den großen, tiefen Bausteinen auf. Die anderen
wollen in der Höhe frohlocken. Die Briten suchen ihr Heil stets in der Mitte. Das muss man erst einmal können. Denn das ist elegant, ideal, zutiefst feinsinnig. Wir schauen unter die Haube – und sehen keinen Zaubertrank, kein mystisches Schwert im Stein. Alles folgt der klaren Class-a/b-logik. Und trotzdem klingt der Amp, als wäre er von der Königin persönlich zum Ritter geschlagen worden – der Ausbund des britischen Klangideals.
Wir sind fasziniert. Und sprechen schon an dieser Stelle eine hohe Empfehlung aus. 2000 Euro sind angesichts Verarbeitung und Klanggewinn nicht zu hoch bemessen. Als ganz hartes Teststück legen wir uns einen Song von Sir Paul Mccartney auf. „Jenny Wren“ist eine scheinbar leichte Ballade. Aber extrem hart für die Lautsprecher und Verstärker zu nehmen. In der Mitte liegt die Singstimme, hart links und rechts jeweils eine Gitarre. Als ob der Song im Hinterzimmer eines Liebhaberstudios aufgenommen wäre. Dann kommt der Bass hinzu, plus ein Solo des Saxophons. Ganz große Liedkunst. Etliche Verstärker haben wir erlebt, die diesen Zauber schlichtweg nicht verstanden haben. Der Astin Trew vollendete die britische Klangzauberei – Hochachtung und Kaufempfehlung.
Alles gelingt leicht, elegant. Wir jubeln. Doch das Herz der Bewegung pocht aus den Mitten. Wunderbar, reich.