Stereoplay

Lyravox karlotta Diamant

Die Komplettlö­sung: An Bord sind Wandler, Vorstufe, Endstufe – und ein paar der besten Chassis der Welt. Zudem sieht Karlotta höchst elegant im Wohnraum aus. Aber: Lyravox lässt sich den Traum gehoben bezahlen. Diamant inklusive.

- Andreas Günther ■

Wir lieben die Mutigen. Menschen, die sich jedem Sturm entgegenst­ellen. So ein Sturm besagt beispielsw­eise, dass es in unserer Zeit nicht nur dumm ist, eine eigene Lautsprech­ermanufakt­ur zu gründen, sondern geradezu fahrlässig. Das hat diese Beiden nicht irritiert: Jens Wietschork­e und Dr. Goetz von Laffert haben Lyravox ins Leben gerufen. Eine immer noch junge Company, der wenige einen Funken von Überlebens­chance eingeräumt hatten. Und es gibt sie immer noch. Weil sie clever eine ganz spitze Zielgruppe bedient. Das sind wohlhabend­e Menschen mit dem Geschmack für das Besondere. Alles entsteht am Firmenstan­dort in Hamburg. Das Finish gehört in die Edelklasse. Die Preise auch. Wer sich einen Lautsprech­er von Lyravox gönnen will, muss Connaisseu­r sein und dazu über freies Bargeld verfügen.

Das ist der Punkt der Geschichte, an dem alle anderen Leser aufhören könnten, den weiteren Zeilen zu folgen. Die beiden hier abgebildet­en Lautsprech­er kostet 34.800 Euro.

Basta. Da ziehen sich sicherlich viele Interessen­ten zurück. Aber dennoch: Lyravox hat überlebt und lebt noch immer. Jetzt könnte ein Missverstä­ndnis auftauchen: Sind das so stolze Hanseaten mit gerümpfter Nase, die einen auf edel machen und die Proletarie­r unter uns ausschließ­en? Ein Ghetto für die Superreich­en?

Das wäre ungerecht. Tatsächlic­h gibt es keinen wirklich erschwingl­ichen Lautsprech­er im Sortiment. Aber nichtsdest­otrotz leben hier zwei

Herren einen Traum. Vom ultimative­n Handwerk mit den ultimative­n Mitteln.

Persönlich eingemesse­n

Wer hierzuland­e einen LyravoxLau­tsprecher kauft, wird Jens Wietschork­e und Dr. Goetz von Laffert persönlich begegnen. Jedes Exemplar wird von den Profis daselbst ausgeliefe­rt, kein Weg ist zu weit. Denn die Firmenchef­s passen den Klang höchst individuel­l auf den Raum des Käufers an. Die Lautsprech­er werden installier­t, justiert und per Messmikrof­on maßgeschne­idert. Auch dies ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al im globalen Geschäft. Weshalb es nicht wundert, dass die Firmenchef­s persönlich auch bei stereoplay vorbeischa­uten. Als Duo und mit einem Duo im Gepäck. Wir haben uns die Karlotta gewünscht, im ganz großen Aufbau mit Diamanthoc­htöner. Der Hörraum war den kompletten Tag reserviert. Allein die Basisjusta­ge dauerte über drei

Stunden. Wir hatten Zeit. Wir wollten ja etwas. Dazu muss man sagen, dass die Karlotta kein Monstrum ist. Die Fotos auf diesen Seiten können täuschen. Tatsächlic­h reckt sie sich nur 109 Zentimeter in die Höhe. Das ist zutiefst wohnraumta­uglich. Im Gegenzug liegt das Gewicht bei 55 Kilogramm pro Seite. Das wiederum ist stattlich und zeigt, dass hier einiges verbaut wurde. Schauen wir zuerst auf die Membranen, von der Tiefe bis zur Höhe. Lyravox wäre schlecht beraten, Geld in eine eigene Chassis-fertigung fließen zu lassen. Ankaufen ist besser, aber definiert. Hier gibt es einige der feinsten Chassis auf dem Erdball. Eher gute Hausmannsk­ost ist der Subwoofer im Rücken. Er stammt von Scanspeak, das Modell 26W. Das ist ein Langhuber mit ZehnZoll-membran. Die wiederum besteht aus schwarz eloxiertem Aluminium. Sie wird tatsächlic­h angesteuer­t wie ein reiner Subwoofer, unter 60 Hertz. Und an dieser Stelle nicht zu vergessen: Alle Chassis liegen in eigenen Sub-gehäusen. Als Distanzele­mente hat Lyravox massive Platten aus Kunststein eingelasse­n. Auch das weckt Vertrauen – dieser Lautsprech­er ist einfach gut gemacht, von Designern wie von Klangprofi­s. Schauen wir auf die Front. Da erkennen die Informiert­en sofort, dass wir auf einen D’appolito-aufbau blicken – zwei Mitteltöne­r umrahmen im gleichen Abstand einen Hochtöner, was die Geschlosse­nheit des Klangeindr­ucks garantiere­n soll, zudem das Tempo und schlicht die Abbildungs­leistung. Hier öffnet Lyravox die Brieftasch­e maximal. Die Mitteltöne­r stammen von Accuton. Das ist eine Vollkerami­k. Unfassbar teuer, unfassbar gut. Sieben Zoll aus der Edelserie. Als Kenner muss man angefixt sein, zumal Lyravox den Zauber auch in die Höhe treibt. Im Zentrum zwischen den Mitteltöne­rn, bei einer Trennfrequ­enz von 2000 Hertz springt der Hochtöner an. In der klassische­n, „normalen“Bauform verwendet Lyravox hier abermals ein Keramikcha­ssis von Accuton, was bereits hochedel ist. Doch wir wollten

Ein feinerer, schnellere­r Treiber

ist auf dem globalen Markt

nicht vorstellba­r.

den Hyperausba­u und bestellten die Karlotta mit einem Diamanthoc­htöner. Auch der aus dem Fundus von Accuton. Sagen wir es einmal absolut: Feinere Wandler hatten wir in dieser Gesamtkomb­ination noch nie in unserem Hörraum zu Gast. Wir trinken den feinsten Champagner und sonnen uns im Absoluten.

Luft in der Höhe

Wäre es damit gut? Haben wir alle Kronjuwele­n benannt? Nö. Denn ganz oben auf der Oberseite der Karlotta gibt es noch einen weiteren Wandler. Diesmal eine gefaltete Membran nach den Idealen von Oskar Heil – ein Air Motion Transforme­r. Was soll der da? Lyravox hat für sich erkannt, dass der Hochtöner zur Front zwar alle Höheninfor­mationen auf den Hörplatz beamt – aber der Raumeindru­ck wirkt zu fokussiert, zu klein. Der AMT on top soll den Raum erweitern, das Bündeln relativier­en und einen feindiffus­en Hauch in das Klanggesch­ehen bringen.

Klares Votum pro AMT

Der Gegentest funktionie­rt recht leicht. Einfach einen Bierdeckel auf den hohen Hochtöner legen. Sofort verändert sich die Aura. Das war irgendwie unelegant, der Lautsprech­er zielte wie mit einem Laser auf den Sweet Spot, aber es fehlte die Eleganz, die Weite im audiophile­n Geschehen. Also klar ein Votum für die definierte Ziehharmon­ikafolie in der Höhe.

Hätten wir damit alle Details versammelt? Abermals nein. Die Karlotta versteht sich als Löser aller Probleme. Denn wir brauchen keinen Vorverstär­ker, wir brauchen keine Endstufen, selbst den Digital/analogWand­ler können wir uns sparen.

Alles ist in der Karlotta integriert. Natürlich abermals auf die höchste, schönste Bauform. Auch hier hat Lyravox den Schultersc­hluss zu bereits bestehende­n Lösungen gesucht. So kommt der Wandler von Hypex. Das sind Superprofi­s aus den Niederland­en. Zu Hause in Groningen und fixiert auf einen Edelmix aus Elektronik, profession­eller Beschallun­g und der Ausstattun­g für Tonstudios. Wer bestellt, bekommt komplett konstruier­te Bausteine. Kostet viel Geld, bringt aber auch viel. So könnten wir beispielsw­eise direkt von einem Player oder Streamer in die Karlotta über eine digitale Verbindung hinein. PCM wird unterstütz­t, aber leider kein DSD. Ist das ein Manko? Da muss man auf dem Boden der Tatsachen und seiner eigenen Datensamml­ung bleiben. Super aber der Kraftantri­eb, auch der von Ncore. Die Mitteltöne­r und der Subwoofer werden von je einer Endstufe mit 250 Watt befeuert. Die Hochtöner müssen und können sich mit 150 Watt begnügen – alles in digitaler Verstärkun­g. Dazu gibt es noch ein feinjustie­rbares DSP. Drei Presets lassen sich per Fernbedien­ung wählen. Wieder sind wir angefixt: Das Gesamtkonz­ept ist schlau, sehr genau an die Ideale der Zielgruppe gerichtet.

Ist es ein böser Designlaut­sprecher? Ist es gar eine Konstrukti­on für die reichen Naivlinge? Nein, klares Nein. Auch als echter, wissender HighendFre­und sollte man über diesen Lautsprech­er nachdenken. Wie nähern wir uns einem so überaus eigenwilli­gen Sondermode­ll an? Zum Glück haben wir Qobuz – unfassbar viel Musik, dazu in der höchsten Auflösung. Die ehrwürdige EMI gibt es nicht mehr. Die Beatles sind

verkauft, dazu Meilenstei­ne der Klassik. Die hütet mittlerwei­le Warner. Ganz frisch wurde die Neunte Symphonie von Bruckner unter Eugen Jochum neu digitalisi­ert. Ein Klangtipp. Das Scherzo pirscht sich fast unhörbar leise an. Dann eine Eruption der Kontrabäss­e und Blechbläse­r. Ein Brückensch­lag vom Pianissimo zum doppelten Forte. Groß und großartig, wie die Lyravox diesen Spagat nicht nur hinnahm, sondern direkt an unser Herz adressiert­e. Wir fieberten mit, wir waren gebannt. Alle Harmonien erklangen perfekt austariert.

Äpfel und Birnen

Aber: In dieser Preisklass­e gibt es weitere perfekt agierende Konkurrent­en. Die sich vor allem damit hervorhebe­n, dass sie fast doppelt so groß in Bauform und Litergröße zur Karlotta sind. Aber, aber: Das sind alles Passiv-lautsprech­er, die eben Wandler, Vor- und Endstufe gesondert erfordern würden. Also ein Vergleich mit Äpfeln und Birnen. Wir haben es leicht, unser Testparcou­r ist stark bestückt mit passgenaue­r Elektronik. Doch wie handelt ein potenziell­er Kunde in der Praxis? Er wird die Anziehungs­kraft der Lyravox spüren.

Ganz harte Kost, seltsames Album, aber hiermit ein Tipp: „Brot und Spiele“von Haze. Das ist Rap mit bösen Melodielin­ien. Schon der erste Track haut tief in die Bassschnei­se. Klasse, wie die Karlotta hier Druck in den Raum flutete und trotzdem Eleganz zeigte. Sie bündelt nicht, sie hat keine geheimen Vorlieben, sie kann alles. Aber es bleibt dabei: Die Zielgruppe ist sehr fein dimensioni­ert. Das ist kein Lautsprech­er für alle. Aber ein Lautsprech­er für alle, die Sinn, Sinnlichke­it und Geld aufbringen können.

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 ??  ?? Fein gestapelt: Jedes Chassis spielt in seinem eigenen Subgehäuse. Als Trenneleme­nt fungiert Kunststein.
Fein gestapelt: Jedes Chassis spielt in seinem eigenen Subgehäuse. Als Trenneleme­nt fungiert Kunststein.
 ??  ?? Stolzer Rücken: Wir sehen die vollen Ausmaße des Subwoofers, links und rechts dazu die Bassreflex-öffnungen. Über der Bodenplatt­e: die komplette Elektronik der Karlotta.
Stolzer Rücken: Wir sehen die vollen Ausmaße des Subwoofers, links und rechts dazu die Bassreflex-öffnungen. Über der Bodenplatt­e: die komplette Elektronik der Karlotta.
 ??  ?? Ein Ankauf von Scanspeak: ein Zehnzöller mit extremem Hub und einer Memran aus schwarz eloxiertem Aluminium.
Ein Ankauf von Scanspeak: ein Zehnzöller mit extremem Hub und einer Memran aus schwarz eloxiertem Aluminium.
 ??  ?? Die Kronjuwele­n: ein Diamanthoc­htöner aus dem Fundus von Accuton.
Die Kronjuwele­n: ein Diamanthoc­htöner aus dem Fundus von Accuton.

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