Me Geithain 921k
Geithains Neue tritt an, das Urmodell 901 wohnzimmertauglich kompakt zu machen. Doch statt Downsizing und Studio-nüchternheit erlebten wir eine Lehrstunde an Musikalität, audiophilem Klang auf hertz-haft sächsische Art und unendlichen Hörspaß...
Firmen, die technisch gesehen Meister ihres Faches sind, verdanken ihren guten Ruf oft einer einzigen ikonischen Entwicklung. Autofans dürften da an Porsche und ihren legendären 911er denken. Einen ähnlichen Ruf unter Aktivfans und Studioprofis genießen die 901 von ME Geithain: gigantische Studiomonitore, die sich seit 35 Jahren bei Hörtests auch unter kritischen Tonmeisterohren mit Dominanz durchsetzen.
Exklusives Vergnügen
Dass dieses Modell noch nicht die Verbreitung des vorgenannten Sportwagens erreicht hat, mag auch an den Proportionen liegen, bei denen Ehefrauen vor Entgeisterung mit Scheidung drohen wie eine Umweltschützerin angesichts eines 6,2-LiterMotors: Eine 50 cm breite Box mit einem 40 cm Bass hat keinen Platz in der guten Stube. Basta. MEG-GURU Joachim Kiesler und sein Entwicklungsleiter Markus Schmidt sannen schon seit Jahren darüber nach, wie man die Performance dieser legendären Box in alltagstaugliche Formate bringen könnte. Doch Downsizing, das bei einigen Autoherstellern beliebte Verkleinern und Ausquetschen kleiner Motoren, kam für beide nicht infrage.
Drehmoment statt Downsizing
Jetzt endlich, 36 Jahre nach Vorstellung des Urmodells 900, wurde aus dem Leipziger Umland Vollzug gemeldet: Durch eine moderate Verkleinerung von Mittel- und Tieftöner bei Erhöhung von Leistungsfähigkeit und Hub des Letzteren sei es gelungen, die Performance der großen, bei stereoplay zuletzt in 05/2015 getesteten XLBox zu erreichen. Quasi ein kompakter V6 statt eines Reihen-sechszylinders, aber kein mit Dreifach-turbo aufgebohrtes Rasenmäheraggregat.
Ja, der Bass mit der Sicke in den Dimensionen eines Mountainbike-reifens misst immer noch 30 Zentimeter und wird von 180 rein A/b-verstärkten Watt befeuert. Das muss auch sein, denn im Gegensatz zu den meisten Kollegen kann er sich nicht auf die pegelsteigernde Unterstützung eines Resonators, etwa in Form eines Reflexrohrs, verlassen. Im Gegenteil, das stattliche Endrohr sorgt sogar für eine Verringerung der Effektivität (siehe Kasten). Das verspricht durch die gerichtete Bassabstrahlung eine deutlich geringere Anregung des Raumes und damit eine Impulstreue des Basses, wie sie mit den üblichen rundstrahlenden Tieftonprinzipien in realen Räumen nicht zu erreichen ist.
Kontrollierte Kräfte
Der Kaventsmann ist trotz seines martialischen Aussehens keineswegs ein auf den Tiefbassbereich beschränkter Subwoofer. Im Gegenteil, die Geithainer setzen den 30er bis 650 Hz ein und erreichen durch die von selbst einsetzende Richtwirkung eine definierte Schallverteilung im unteren Mitteltonbereich.
Mut zur Brücke
Durch die hohe Trennung kann der echte Mitteltöner mit 10 Zentimetern sehr klein ausfallen, er sitzt koaxial vor dem Tieftöner auf einer Brücke. Im Gegensatz zu vielen Kollegen arbeitet der Kleine nicht auf ein geschlossenes Gehäuse, sondern halboffen auf einen rückwärtigen Schaumstoffring. Zusammen mit der Brückenschallwand funktioniert dies ähnlich wie die Bassniere und soll zu einem transparenteren und klangfarbentreueren Mittelton führen – dass das kein hohles Werbeversprechen wie die Verbrauchswerte heutiger Autos ist, davon konnten wir uns im Messlabor von einer Versuchsanordnung made in Geithain überzeugen.
Die Trennung zwischen allen Chassis übernimmt dabei eine analog aufgebaute Aktivweiche, sie weist der Hochtonkalotte erst den Bereich ab 3000 Hz zu. Drei Mosfet-verstärkerkanäle in A/b-technik nach alter
Väter Analogsitte treiben dann jedes einzelne der drei Chassis an. Auf eine digitale Weiche wird ebenso verzichtet wie auf komplexe Raumeinmessfunktionen. Die spezielle Schallabstrahlung der 921K mache in den meisten Fällen eine Einmessung unnötig, so Schmidt, und für eine breitbandige akustische Anpassung in den Höhen und eine feinfühlig-mehrbändige in den Bässen besitzt das Elektronikmodul einige stufenlos anpassbare Regler.
Zugefüttert wird übrigens nur analog per Profi-stecker XLR. Zugeständnisse an den Heim-audiophilen gibt es nur bei der Wahl der Echtholzoberfläche und beim zusätzlich erhältlichen, passenden Ständer. Und natürlich kann man auch die ausklappbaren, in der Seitenwand versenkten Tragegriffe und seitlichen Schraubenaufnahmen auf Wunsch weglassen, um der kantigen ME Geithain zu etwas mehr Wohnzimmertauglichkeit zu verhelfen. Im stereoplay-hörraum leisteten die beidseitigen Griffe gute Dienste bei der Aufstellung der samt integrierten Verstärker 39,5 Kilo schweren Profi-lautsprecher, die man am besten mit einem Mann auf jeder Seite bewegen und auf die soliden, aus Aluminium-rohren gefertigten Ständer heben kann. Dieses empfehlenswerte Zubehör bietet festen Stand und sieht in Verbindung mit den Echtholzfurnieren auch noch sehr gut aus. Wer seine 921K alleine hochheben muss, dem könnte der Sinn nach Gewichtsersparnis stehen. Das gelingt, indem man seine ME Geithain in der Version 921K1 mit externem, aufrechtstehendem und nebenbei für 19-Zoll-rackeinbau ausgelegtem Verstärkermodul bestellt. Das verringert nicht nur die Gehäusetiefe des AktivLautsprechers. Es teilt gleichzeitig die hohe Masse auf zwei
Gehäuse auf und erleichtert die aktive 3-Wege-box signifikant auf 26,5 Kilogramm. Wenn das mal kein drastischer Hinweis auf den hohen Aufwand beim 3-Kanal-amp ist? Der Standardverstärker in Class-d-technik bringt allein 11 kg auf die Waage, die Mosfet-bestückte High-end-variante sogar ein Kilo mehr.
Mit Peter Gabriels „Growing up“begann die Kieslersche Lehrstunde in Sachen Lautsprecherbau. Hätten die anwesenden Redakteure und Tester den Hörtest mit Kirchenmusik begonnen, hätten wir das Stück wohl in „Offenbarung des Joachim“umbenennen müssen. Derart satte, in jeder Lage präzise geschossene Tiefbasssalven hatte noch keine Box dieser Größenklasse
ME Geithain hat einen Weg gefunden, die ikonische 901 zu domestizieren. So entstand ein Profi-tool mit Groove.
abgefeuert. Für Passivboxen und selbst gehäuseumschlossene Aktive dürfte diese Präzision, kombiniert mit durchweg schlackenund dröhnfreier Ausgewogenheit, im Bass wohl für immer unerreichbar bleiben.
Viel Air, jede Menge Flair
Dazu lieferte die 921K eine herausragend plastische Stimme mit ungewöhnlich viel natürlicher Luft zwischen den Instrumenten. Von Künstlichkeit ist in der Aufnahme keine Spur, die Klangfarben erschienen uns den bei Audiophilen beliebten Schuss Wärme und Seidigkeit in den Höhen aufzuweisen.
Hatte das noch etwas vom Klischee eines nüchternen Studiomonitors zu tun? Was die verblüffende Detailtreue, den natürlichen Raum und die entspannte Ruhe im Klangbild anging, ja. Doch entgegen der landläufigen Vorurteile ging das Hand in Hand mit einer spielfreudig-seidig durchgezeichneten Dynamik im Mittel- genau wie im Hochtonbereich. Und einem geradezu zwingend groovenden Tiefton, der jeden noch so bewegungsmuffeligen Musiktheoretiker auf die virtuelle Tanzfläche im Hörraum zwang.
Das war die eigentliche Überraschung. Dass der zivile Ableger des sächsischen Flaggschiffs mit orchestralen Werken wie dem extrem nuancierten, perfekt getimten „Bolero“von Ravel ein Klangfeuerwerk mit feinziselierten Violinen und mächtiger, trockener Kesselpauke abbrennen würde, war für Eingeweihte ausgemachte Sache. Schließlich arbeitet der MDR nicht zufällig mit Abhörmonitoren made in Geithain. Dass sich ein vergleichbares Maß an Begeisterung auch mit trocken aufgnommenen, von elektronischen Beats geprägtem
Pop wie „Chlorine“von den Twenty One Pilots einstellen würde, darf vor dem Studiohintergund als keinesfalls selbstverständlich gelten. Mit ihrem extrem tiefreichenden, dabei knackigen Tieftonbereich kann die Ostdeutsche bemerkenswert gut „Disco“.
Dennoch wäre es etwas dekadent, für ein so schnelles Vergügen einen derartigen Vollprofi wie die 921K zu engagieren. Man muss nicht gleich schwere Kost wie „Toccata And Fuge In D Minor BWV565“mit riesiger Kirchenorgel auflegen, um die Autorität, Räumlichkeit und Luftigkeit des Lautsprechers zu goutieren. Es genügt schon leichte Kost mit analogen Klängen wie „The Typewriter“vom Eastman-rochester „Pops“Orchestra. Besonders berauschte sich der Autor an akustisch geprägtem Rock wie „Biko“von Peter Gabriel mit den sonoren Drums in der Live-version. Eine eingedeutschte Konzerteinspielung von der stereoplay Audiophile Cover Songs 3 von Janis’ Joplins „Mercedes Benz“belegte mit Brumm aus der PA (normal kaum wahrnehmbar) und Applaus, der lebensecht seitlich außerhalb der Stereobasis im Raum stand. Das war so überwältigend authentisch und emotional aufgeladen, dass man zwangehaft mitapplaudieren wollte. Bravo!
Im letzten Teil unserer Ratgeberserie rund um die audiophilen Disziplinen widmen wir uns den zahlreichen Facetten der Basswiedergabe. In der Blütezeit des Hifi von den 1970er- über die 1980er-jahre galt ein vollwertiger Tiefton als das wichtigste Kriterium für eine hochwertige Anlage.
Niemals ohne den Raum
Die Beurteilung der Bassqualität kann und sollte niemals ohne eine Würdigung der Raumakustik stattfinden. Zudem gibt es mit der absoluten Beurteilung des Basses ein Problem: Wie Bass empfunden wird, ist selbst im Konzert stark sitzplatzabhängig, und die genaue Referenz, ob also eine Aufnahme richtig oder verfälscht wiedergegeben wird, ist nur äußerst schwer herzuleiten, weil sich selbst die Abhöranlagen in Studios im Tiefton recht deutlich unterscheiden.
Zudem kommt beim Bass immer eine deutliche Geschmackskomponente hinzu: Manche Hörer bevorzugen den ultimativ-trockenen Tiefton, andere eher eine füllige Untermalung der Musik, wiederum andere einen dominanten, „harten“Beat. Unsere Empfehlung der getesteten Boxen mit besonderen Meriten fällt denn auch recht vielfältig aus. ■