Primare Pre35 Prisma + Primare A35.2
Kistlein auf Kistlein: Primare baut maximal unaufgeregt. Doch darunter brodelt ein Vulkan. Diese Vor/end-kombi erzaubert Lust und Leidenschaft, so klassisch-fein sie auch aussehen mag. Wir waren begeistert.
Jetzt wollen wir mal nicht sentimental werden. Es gibt keinen Grund dazu. Aber der Rückblick lohnt sich. Damals herrschten vor allem zwei Firmen über die Lufthoheit des Digitalen – Sony und Philips. Die Holländer sind faktisch von der Bild äche verschwunden. Die Japaner gibt es noch, aber sie sind ein Schatten ihrer selbst. Eine wuchtige HighEnd-kombi von Sony? Gibt es nicht. Kein Player, kein Lautsprecher – einzig im KopfhörerSegment tummeln sich die Japaner noch. Wie man diesen Markt so vernachlässigen kann,
Über 90 Prozent der Energie wird in reinen Klang verwandelt. Ein Kraftwerk für die Zukunft der Musik
seltsam. Das ruft die Kleinen herbei. Wie beispielsweise die Schweden. Primare residiert in Malmö. Das ist ganz weit unten im Riesenreich. Es gibt keinen Flughafen, weil man einfach von Kopenhagen über eine große Brücke hinüberkommt. Wir behaupten einmal: Primare hütet mehr aktuelles Klangwissen als der Gigant Sony. In Malmö treffen wir auf eine mittlere
Bude, alles ist übersichtlich – von den Chefbüros bis zur Fertigung. Und dennoch ist Primare mutiger und zukunftsfähiger. Das Portfolio ist strikt: Es gibt Elektronik – und das wäre es denn auch. Aber hier wird das Maximum der digitalen Wandlung gelebt. Schon früh erkannten die Nordlichter, dass Datenwandlung und digitale Verstärkung die Zukunft bedeuten. Sony hätte Millionen investiert, Primare hingegen kaufte die besten Köpfe für kleines Geld an. Vor immerhin zehn Jahren haben sie das Kürzel UFPD etabliert. Das steht für „Ultra Fast Power Device“. Klingt gut. Mittlerweile sind wir in der zweiten Generation angekommen. Über 90 Prozent der zugeführten Energie wird in Klang verwandelt, dank Class-d bleibt die Wärmeentwicklung äußerst bescheiden; die A35.2 Endstufe wird nicht wirklich heiß. Alles ist maximal diskret aufgebaut. Die Kabelwege folgen höchster Symme
Doch das sehen wir nicht, wenn wir die Haube lüften. Das wirkt eher wirr: hinten ein Kühlkörper, links und rechts ein paar Lüftungsschlitze. Den großen Ringkerntrafo in der Mitte gibt es nicht. Da liegt ein miniaturisiertes Winznetzteil. Jeder, der auf den doppelten Monoaufbau schwört, wäre beim Blick in diese Endstufe verstört.
Und doch macht es Sinn. Die Signalwege sind kurz; eine zentrale Platine verwaltet die Impulse, eine weitere die Verstärkung. Die Rückseite wirkt dagegen deutlich stringenter. Zwei Cinch-ports gehen hinein, dazu zwei Xlr-ports, vier Lautsprecherklemmen gehen nach außen. Was uns verwirrt: Rechts oben steht der Schriftzug „Designed in Sweden“. Das hört sich ein wenig danach an, als ob alles Wichtige fern der Heimat in Asien entstehen würde. Doch das stimmt so umfassend nicht. Wir waren selbst in Malmö vor Ort – hier gibt es eine Fertigungshalle, in der alle Primare-komponenten verbunden und vor der Auslieferung aufwendig gemessen werden. Tipp: Wer jetzt Blut geleckt hat, aber nicht sicher ist – auf der Webseite des deutschen Importrie. teurs (www.in-akustik.de) gibt es umfangreiches Videomaterial. Wir werden verführt, aber auch aufgeklärt, welches Schaltungskonzept anliegt, welche Vorteile wir ziehen können.
Vorteil: Reduktion
Einer dieser Vorteile liegt in der Reduktion. Früher haben wir Türme aufgestapelt. Einen Plattenspieler, einen Kassettenrecorder, einen Cd-player, einen Tuner. Das macht alles keinen Sinn mehr. Die Zukunft versammelt sich in einem DigitalBoard. Das Primare in den Vorverstärker PRE35 verlegt hat.
Dann heißt er mit Nachnamen „Prisma“. Ein Prisma-modul vermittelt die Musiksignale nicht nur, es wandelt sie auch. Ok, das kann auch die Konkurrenz, doch Primare hat die größten, mächtigsten Chips bestellt. Im Pcm-stream können sagenhafte 32 Bit bei 768 Kilohertz ausgelesen werden. Das liegt weit über den etablierten Download-raten der bekannten Portale. DSD wird bis 256 unterstützt. Wir können in den PRE35 per Netzwerkstecker hinein, aber ebenso per Wifi. Dazu gibt es ein Großaufgebot von optischen und koaxialen
Digital-schnittstellen. Doppelt geht es per XLR hinein, doppelt hinaus, dazu noch drei Cinchports. So opulent sieht das auf der Rückseite aus – im Inneren des Gehäuses geht es erstaunlich luftig zu. Fast alles wurde aus Kleinstbausteinen konstruiert. Wirklich groß ist nur der Trafo links unten für die zentrale Stromversorgung. Die komplette Schaltzentrale liegt auf zwei Platinen im Rücken. Zwei Knöpfe an der Front – das wäre es. Die gesamte Potenz dieser schlauen Vorstufe steuert man am besten über die hauseigene App von Primare. Die ist gut programmiert, ef zient, ohne Schnick, ohne Schnack.
Nummer fünf
Hören wir in das Duo hinein. Mit Hochdynamik: Teodor Currentzis hat sich Beethoven angenähert. Natürlich kann das keine Aufnahme mit Harmoniebedürfnis sein. Der Jungspund wirkt wie ein Dobermann bei der nächtlichen Einbrecherjagd.
Alles ist schnell, alles brodelt – hier geht es um was. Obwohl dies die meist eingespielte Symphonie der Welt ist, die Nummer fünf – wir erleben komplett neue Facetten. Wer schlau ist, holt sich den Datensatz in 24 Bit/96 khz. Großartig, was die beiden Primares daraus formten. Mächtig der Druck, das Vorpreschende. Wer seine Lautsprecher mal wirklich unter Dampf setzen will – hier ist die richtige Musik und die richtige Elektronik. Die Schweden haben eine der besten Class-d-inszenierungen der Gegenwart geschaffen. Früher standen wir der digitalen Verstärkung eher kritisch gegenüber. Doch bei Primare klingt es wunderbar entschlackt, auf Tempo ausgelegt und dennoch nie hart. Vor allem diese Körperlichkeit überrascht, das hat in den besten Momenten das Niveau eines Röhrenverstär
kers. Dann aber immer wieder dieser immense Drive – da kommen selbst die dicksten Transistorverstärker nicht mit. Achten Sie einmal im vierten Satz auf die Präsenz der Kesselpauke – das ist der Motor, wie in der Galeere der Einpeitscher des gemeinsamen Rhythmus’. Das vollführt Primare mit dem richtigen „Peng“. Plötzlich eine Piccolo öte darüber – das scheinbare Gegensatzpaar und doch gelingt den Schweden ein großer, innerer Spannungsbogen. Das spricht unseren Intellekt ebenso an wie unseren Bauch.
Das können nur ganz wenige. Schon jetzt sind wir ange
xt von dieser Kombi. Aber wer ist der eigentliche Held? Die Streamer-vorstufe oder der Kraftblock dahinter? Die Frage verbietet sich. Die beiden sind in ihrem
Wesen und ihrer Kunst Zwillinge, die man nicht trennen sollte. Zur reinen Einpunktung haben wir sie natürlich mit unterschiedlichen Konkurrenten gehört. Doch am meisten Spielfreude bereiteten sie uns ganz klar als Duo.
Giga-sound
Jetzt mal allen Feinsinn beiseite. Wir legen massiven, echten Rock auf. Pearl Jam hat ein neues Album vorgelegt – „Gigaton“. Die Gitarren schrammen heftig, der Bass will Wände einreißen. Das ruft nach ganz fetten Lautsprechern und hohen Pegeln. Hätten wir an unserem Hörraum Nachbarn, sie würden die Polizei rufen. Aber es machte Spaß. Klasse ist der zweite Track „Superblood Wolfmoon“, das ist feinster Grunge, das Schlagzeug peitscht, alle Musiker scheinen entfesselt. Die beiden Primares waren ebenso von der Rolle. Das hatte Druck bis über den Anschlag hinaus. Erstaunlich, welche Au ösung, welche brachiale Kraft die beiden an die Membranen stemmten.
Wir wollen sparsamer mit unseren Liebesbezeugungen umgehen. Aber diese beiden Schweden haben es uns angetan. Als Mix aus Zentrale und Kraftbereiter kennen wir in dieser Preisregion kein besseres Duo. ■