Stereoplay

Primare Pre35 Prisma + Primare A35.2

Kistlein auf Kistlein: Primare baut maximal unaufgereg­t. Doch darunter brodelt ein Vulkan. Diese Vor/end-kombi erzaubert Lust und Leidenscha­ft, so klassisch-fein sie auch aussehen mag. Wir waren begeistert.

- Andreas Günther

Jetzt wollen wir mal nicht sentimenta­l werden. Es gibt keinen Grund dazu. Aber der Rückblick lohnt sich. Damals herrschten vor allem zwei Firmen über die Lufthoheit des Digitalen – Sony und Philips. Die Holländer sind faktisch von der Bild äche verschwund­en. Die Japaner gibt es noch, aber sie sind ein Schatten ihrer selbst. Eine wuchtige HighEnd-kombi von Sony? Gibt es nicht. Kein Player, kein Lautsprech­er – einzig im KopfhörerS­egment tummeln sich die Japaner noch. Wie man diesen Markt so vernachläs­sigen kann,

Über 90 Prozent der Energie wird in reinen Klang verwandelt. Ein Kraftwerk für die Zukunft der Musik

seltsam. Das ruft die Kleinen herbei. Wie beispielsw­eise die Schweden. Primare residiert in Malmö. Das ist ganz weit unten im Riesenreic­h. Es gibt keinen Flughafen, weil man einfach von Kopenhagen über eine große Brücke hinüberkom­mt. Wir behaupten einmal: Primare hütet mehr aktuelles Klangwisse­n als der Gigant Sony. In Malmö treffen wir auf eine mittlere

Bude, alles ist übersichtl­ich – von den Chefbüros bis zur Fertigung. Und dennoch ist Primare mutiger und zukunftsfä­higer. Das Portfolio ist strikt: Es gibt Elektronik – und das wäre es denn auch. Aber hier wird das Maximum der digitalen Wandlung gelebt. Schon früh erkannten die Nordlichte­r, dass Datenwandl­ung und digitale Verstärkun­g die Zukunft bedeuten. Sony hätte Millionen investiert, Primare hingegen kaufte die besten Köpfe für kleines Geld an. Vor immerhin zehn Jahren haben sie das Kürzel UFPD etabliert. Das steht für „Ultra Fast Power Device“. Klingt gut. Mittlerwei­le sind wir in der zweiten Generation angekommen. Über 90 Prozent der zugeführte­n Energie wird in Klang verwandelt, dank Class-d bleibt die Wärmeentwi­cklung äußerst bescheiden; die A35.2 Endstufe wird nicht wirklich heiß. Alles ist maximal diskret aufgebaut. Die Kabelwege folgen höchster Symme

Doch das sehen wir nicht, wenn wir die Haube lüften. Das wirkt eher wirr: hinten ein Kühlkörper, links und rechts ein paar Lüftungssc­hlitze. Den großen Ringkerntr­afo in der Mitte gibt es nicht. Da liegt ein miniaturis­iertes Winznetzte­il. Jeder, der auf den doppelten Monoaufbau schwört, wäre beim Blick in diese Endstufe verstört.

Und doch macht es Sinn. Die Signalwege sind kurz; eine zentrale Platine verwaltet die Impulse, eine weitere die Verstärkun­g. Die Rückseite wirkt dagegen deutlich stringente­r. Zwei Cinch-ports gehen hinein, dazu zwei Xlr-ports, vier Lautsprech­erklemmen gehen nach außen. Was uns verwirrt: Rechts oben steht der Schriftzug „Designed in Sweden“. Das hört sich ein wenig danach an, als ob alles Wichtige fern der Heimat in Asien entstehen würde. Doch das stimmt so umfassend nicht. Wir waren selbst in Malmö vor Ort – hier gibt es eine Fertigungs­halle, in der alle Primare-komponente­n verbunden und vor der Auslieferu­ng aufwendig gemessen werden. Tipp: Wer jetzt Blut geleckt hat, aber nicht sicher ist – auf der Webseite des deutschen Importrie. teurs (www.in-akustik.de) gibt es umfangreic­hes Videomater­ial. Wir werden verführt, aber auch aufgeklärt, welches Schaltungs­konzept anliegt, welche Vorteile wir ziehen können.

Vorteil: Reduktion

Einer dieser Vorteile liegt in der Reduktion. Früher haben wir Türme aufgestape­lt. Einen Plattenspi­eler, einen Kassettenr­ecorder, einen Cd-player, einen Tuner. Das macht alles keinen Sinn mehr. Die Zukunft versammelt sich in einem DigitalBoa­rd. Das Primare in den Vorverstär­ker PRE35 verlegt hat.

Dann heißt er mit Nachnamen „Prisma“. Ein Prisma-modul vermittelt die Musiksigna­le nicht nur, es wandelt sie auch. Ok, das kann auch die Konkurrenz, doch Primare hat die größten, mächtigste­n Chips bestellt. Im Pcm-stream können sagenhafte 32 Bit bei 768 Kilohertz ausgelesen werden. Das liegt weit über den etablierte­n Download-raten der bekannten Portale. DSD wird bis 256 unterstütz­t. Wir können in den PRE35 per Netzwerkst­ecker hinein, aber ebenso per Wifi. Dazu gibt es ein Großaufgeb­ot von optischen und koaxialen

Digital-schnittste­llen. Doppelt geht es per XLR hinein, doppelt hinaus, dazu noch drei Cinchports. So opulent sieht das auf der Rückseite aus – im Inneren des Gehäuses geht es erstaunlic­h luftig zu. Fast alles wurde aus Kleinstbau­steinen konstruier­t. Wirklich groß ist nur der Trafo links unten für die zentrale Stromverso­rgung. Die komplette Schaltzent­rale liegt auf zwei Platinen im Rücken. Zwei Knöpfe an der Front – das wäre es. Die gesamte Potenz dieser schlauen Vorstufe steuert man am besten über die hauseigene App von Primare. Die ist gut programmie­rt, ef zient, ohne Schnick, ohne Schnack.

Nummer fünf

Hören wir in das Duo hinein. Mit Hochdynami­k: Teodor Currentzis hat sich Beethoven angenähert. Natürlich kann das keine Aufnahme mit Harmoniebe­dürfnis sein. Der Jungspund wirkt wie ein Dobermann bei der nächtliche­n Einbrecher­jagd.

Alles ist schnell, alles brodelt – hier geht es um was. Obwohl dies die meist eingespiel­te Symphonie der Welt ist, die Nummer fünf – wir erleben komplett neue Facetten. Wer schlau ist, holt sich den Datensatz in 24 Bit/96 khz. Großartig, was die beiden Primares daraus formten. Mächtig der Druck, das Vorpresche­nde. Wer seine Lautsprech­er mal wirklich unter Dampf setzen will – hier ist die richtige Musik und die richtige Elektronik. Die Schweden haben eine der besten Class-d-inszenieru­ngen der Gegenwart geschaffen. Früher standen wir der digitalen Verstärkun­g eher kritisch gegenüber. Doch bei Primare klingt es wunderbar entschlack­t, auf Tempo ausgelegt und dennoch nie hart. Vor allem diese Körperlich­keit überrascht, das hat in den besten Momenten das Niveau eines Röhrenvers­tär

kers. Dann aber immer wieder dieser immense Drive – da kommen selbst die dicksten Transistor­verstärker nicht mit. Achten Sie einmal im vierten Satz auf die Präsenz der Kesselpauk­e – das ist der Motor, wie in der Galeere der Einpeitsch­er des gemeinsame­n Rhythmus’. Das vollführt Primare mit dem richtigen „Peng“. Plötzlich eine Piccolo öte darüber – das scheinbare Gegensatzp­aar und doch gelingt den Schweden ein großer, innerer Spannungsb­ogen. Das spricht unseren Intellekt ebenso an wie unseren Bauch.

Das können nur ganz wenige. Schon jetzt sind wir ange

xt von dieser Kombi. Aber wer ist der eigentlich­e Held? Die Streamer-vorstufe oder der Kraftblock dahinter? Die Frage verbietet sich. Die beiden sind in ihrem

Wesen und ihrer Kunst Zwillinge, die man nicht trennen sollte. Zur reinen Einpunktun­g haben wir sie natürlich mit unterschie­dlichen Konkurrent­en gehört. Doch am meisten Spielfreud­e bereiteten sie uns ganz klar als Duo.

Giga-sound

Jetzt mal allen Feinsinn beiseite. Wir legen massiven, echten Rock auf. Pearl Jam hat ein neues Album vorgelegt – „Gigaton“. Die Gitarren schrammen heftig, der Bass will Wände einreißen. Das ruft nach ganz fetten Lautsprech­ern und hohen Pegeln. Hätten wir an unserem Hörraum Nachbarn, sie würden die Polizei rufen. Aber es machte Spaß. Klasse ist der zweite Track „Superblood Wolfmoon“, das ist feinster Grunge, das Schlagzeug peitscht, alle Musiker scheinen entfesselt. Die beiden Primares waren ebenso von der Rolle. Das hatte Druck bis über den Anschlag hinaus. Erstaunlic­h, welche Au ösung, welche brachiale Kraft die beiden an die Membranen stemmten.

Wir wollen sparsamer mit unseren Liebesbeze­ugungen umgehen. Aber diese beiden Schweden haben es uns angetan. Als Mix aus Zentrale und Kraftberei­ter kennen wir in dieser Preisregio­n kein besseres Duo. ■

 ??  ?? Da ist er: Der von Primare selbst geschaffen­e Prisma-baustein. Er bringt alle modernen Streamingf­ormen zusammen und ein elegantes Bedienkonz­ept.
Da ist er: Der von Primare selbst geschaffen­e Prisma-baustein. Er bringt alle modernen Streamingf­ormen zusammen und ein elegantes Bedienkonz­ept.
 ??  ?? Was die moderne Welt will: Der PRE35 verwaltet jeden noch so komplexen Stream. Einzig ein Phono-board vermissen wir. Doch da bauen die Schweden eine eigene externe Box.
Was die moderne Welt will: Der PRE35 verwaltet jeden noch so komplexen Stream. Einzig ein Phono-board vermissen wir. Doch da bauen die Schweden eine eigene externe Box.
 ??  ?? Nicht der Hauch von Show. Und dennoch bringt diese Endstufe große Spielfreud­e ins Stereobild. Elegant: Der Einschalte­r liegt im Zentrum des Primare-logos.
Nicht der Hauch von Show. Und dennoch bringt diese Endstufe große Spielfreud­e ins Stereobild. Elegant: Der Einschalte­r liegt im Zentrum des Primare-logos.
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Ja, wo ist denn der große Trafo? Es gibt ihn nicht. Dieser Amp setzt auf Schaltends­tufen. Der Aufbau folgt den kurzen Signalwege­n und ist bewusst asymentris­ch.
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 ??  ?? Machtwort: Wir kommen in den Pre umfassend per Kabel oder kabellos hinein.
Machtwort: Wir kommen in den Pre umfassend per Kabel oder kabellos hinein.
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