Pass Labs INT-250
Diese mit waffenscheinpflichtigen Kühlrippen bewehrte 50-Kilo-trutzburg namens INT-250 ist das größte Vollverstärker-geschütz im Programm von Pass Labs. Wer imstande ist, es auszupacken, erlebt Hörvergnügen pur.
Sicherlich sagen wir das nicht zum ersten Mal anlässlich eines Verstärkers von Pass Labs: Diese Company arbeitet so erfrischend und unverfroren gegen den Zeitgeist, dass es eine reine Freude für diejenigen ist, die sich in puncto Hifi noch einen eigenen Geschmack leisten können und wollen. Im Pass-portfolio stehen heiß laufende Class-as mit überschaubarer Leistung, die üblichen Us-lautsprecher-boliden kaum ein Rülpserchen entlocken werden, neben Monstern, denen es völlig egal ist, ob an den Klemmen nun ein Lautsprecher oder der Anlasser eines 6,3-Liter-v8 hängt. Das Ganze verschrauben diese Cowboys dann unter Nichtbeachtung aller Designschnörkel von Swarowski bis Gold und Chrom in ngerdicke
graue Aluplatten und Kühler, die so scharfkantig sind, dass eine auftreffende Kartoffel als Pommes endet. Und als wäre das nicht schon mehr als genug für zarte Hifi-snow akes, dreht man der Digitalisierungsp icht eine lange Nase und rüstet das schwerste Vollverstärker-pferd der Ranch statt mit einem DAC lieber mit großkalibrigen Anschlussklemmen aus, die sogar eine Drehmoment-begrenzung aufweisen. Immerhin soll es ja Leute geben, die ihre Kabel mit der Rohrzange festziehen.
Wer entsprechende riesige Kabelschuhe vorbereitet hat, darf sich dann ans Auspacken machen, ein Job, der von zwei kerngesunden, hoch motivierten 180-Zentimeter-burschen locker zu bewerkstelligen ist. Aus einer Schachtel, die hinterher untervermietet werden kann, kommt dann ein Verstärkerchen von 48 Zentimetern Breite, 25 Zentimetern Höhe und 55 Zentimetern Tiefe, vor dem sich mittelprächtige Racks ängstlich wegducken werden; wer gar ein Glasboden-konstrukt sein Eigen nennt, sollte spätestens jetzt ernsthaft ins Grübeln kommen und den INT-250 lieber der Betondecke anvertrauen.
Rundinstrument
Optisch folgt auch der INT-250 quasi den „Standards“des Hauses, sprich er präsentiert sich mit dem bekannten, wunderschön blau beleuchteten Rundinstrument auf der Front, das in diesem Fall freilich nicht den
Ruhestrom, sondern die Ausgangsspannung anzeigt. Ein simples kleines Display-fensterchen offenbart die Position des Pegelstellers, wie immer bei Pass Labs eine in Ein-dezibel-schritten eingeteilte, digital angesteuerte Widerstands„leiter“, die in einem rein analogen Signalweg liegt. Und wer die Fernbedienung trotz schwerer Metallausführung links liegen lässt und lieber selber Hand anlegt, der wird sich über den satten Lauf des großen, massiv ausgeführten Impulsgebers freuen.
Warum Pass Labs die 2009 mit dem INT-150 gestartete Vollverstärker-baureihe nach dem „kleinen“INT-60 nun mit einem nominell 250 Watt leistenden Boliden ergänzt, erklärt sich auch durch eine gewisse Lautsprecher-tradition in den USA. Schwere, hoch linearisierte Super-high-end-boxen mit, nun ja, nennen wir es ein
„Ein Vollverstärker für die Ewigkeit und für alle Schallwandler“
mal: mäßigem Wirkungsgrad erfreuen sich dort großer Beliebtheit. Die Kehrseite der Medaille: Mit 50 oder 100 Watt setzt man diese Stromsenken ebenso wenig in Bewegung wie einen Chevy-big-block mit einem Schnapsglas Sprit.
Die bei Pass Labs übliche Vorgehensweise in solchen Fällen besteht in einem beherzten Griff ins eigene, für Schwerlasten ausgelegte Hochregal, sprich: Man nehme die .8-Endstufenbaureihe des Hauses als Blaupause, genauer gesagt, die X250.8, schalte also 20 Stück hoch belastbare Power-mosfets pro Kanal parallel. Hoch belastbar bedeutet hier, dass ein einziger solcher FET für 20 Ampere Dauerstrom und notfalls 80 Ampere Kurzzeitbelastung gut ist.
Nun kombiniere man das Ganze mit kräftiger Treiberstufe, einem Netztrafo von der Größe eines Spaghetti-kochtopfs und einer in puncto Verstärkung (hier sind es vier Dezibel)
praxisgerecht ausgeführten Linestufe mit diversen Eingängen. Und voilà, fertig ist der INT-250?
Feinabstimmung
Ganz so einfach ist es wohl doch nicht. Bei Pass Labs werden die Neudesigns präzise abgestimmt, sodass es zwar strukturelle Ähnlichkeiten, jedoch keine Gleichheit zwischen der reinen Endstufe und dem Endstufentrakt des Vollverstärkers gibt. Der kann mit symmetrischen und unsymmetrischen Eingängen aufwarten, zudem mit einem Line-ausgang zur Speisung von aktiven Subwoofern oder einer weiteren Endstufe, Stichwort: Bi-amping. Die unsymmetrischen Eingangssignale werden intern symmetriert, um sie der vollsymmetrischen Schaltung anzupassen.
Bei Start setzt der INT-250 vorsichtig schon mal den Pegelsteller auf null und mutet seine Eingänge, nach ein paar Sekunden wird dann der Ausgang freigegeben. Gut, denn was ein versehentlich weit offener Pegelsteller in diesem speziellen Fall anrichten könnte, offenbart ein Blick in unsere Messungen, die dem Schwergewicht knapp 500 Watt Musikleistung an vier Ohm bescheinigen. Für so etwas braucht man in Deutschland fast den kleinen Waffenschein, in den USA geben geschäftstüchtige Hifihändler zum Amp vielleicht eine Winchester dazu.
Nach einer Stunde bereits vergnüglichen Hörens stellt man dann fest, dass die inzwischen in allen Stockwerken durchgeheizte AluminiumTrutzburg doch reichlich Verlustwärme loswerden muss, die groß ächige Kühlrippen-bewehrung also ihre volle Berechtigung hat.
Kein Wunder: Erklecklich viel Ruhestrom sorgt nicht nur für üppige Stromaufnahme aus dem Netz (in Deutschland kein billiger Spaß mehr), sondern auch für runde 15 Watt im Abetrieb, bevor der Vollverstärker dann ießend in den Abbetrieb übergeht. In der Praxis und bei normalen Pegeln hört man also Class-a, sicherlich mit Ausnahme jener Boxen, die 15 Watt schon in der Frequenzweiche abfackeln.
Autorität und Gefühl
Dass die hier zu hörende Autorität nicht mehr infrage zu stellen ist, sollte so glasklar sein wie die bis weit in virtuelle Tiefen reichende Transparenz eines enorm großen, präzise aufgeteilten Klangbilds, von dem
„With higher power MOSFETS and more of them, the INT-250 drives large, demanding and relatively inefficient loudspeakers.“
man einfach nicht genug bekommen kann. Dabei wirkt der INT-250 unerwartet leichtfüßig und so dynamisch-spielerisch wie ein kleiner Class-a-verstärker. Dessen Basswiedergabe aber zwei Tonnen Beton beigemischt wurden. In den Mitten begeistert uns der Pass dann mit seinem röhrenähnlichen Klang:
üssig, seidig, anmutig und einen Hauch einschmeichelnd. Diesem reizvollen Angebot zu verfallen, ist keine Sünde, zumal dann, wenn man sich vorher eine Superbox gegönnt hat, die vom schier unendlichen Stromnachschub des Monsters pro tiert.
So hatte der INT-250 etwa mit der Magico A3 leichtes Spiel mit süchtigmachendem Klangpotenzial, geprägt von Kontrolle, beeindruckender Feindynamik und tiefer Emotionalität.
Für den glücklichen Besitzer sollte das Thema Verstärker mit dem Pass Labs INT-250 für alle Zeiten erledigt sein. Und für uns? Auch.