Stereoplay

Pass Labs INT-250

Diese mit waffensche­inpflichti­gen Kühlrippen bewehrte 50-Kilo-trutzburg namens INT-250 ist das größte Vollverstä­rker-geschütz im Programm von Pass Labs. Wer imstande ist, es auszupacke­n, erlebt Hörvergnüg­en pur.

- Roland Kraft

Sicherlich sagen wir das nicht zum ersten Mal anlässlich eines Verstärker­s von Pass Labs: Diese Company arbeitet so erfrischen­d und unverfrore­n gegen den Zeitgeist, dass es eine reine Freude für diejenigen ist, die sich in puncto Hifi noch einen eigenen Geschmack leisten können und wollen. Im Pass-portfolio stehen heiß laufende Class-as mit überschaub­arer Leistung, die üblichen Us-lautsprech­er-boliden kaum ein Rülpserche­n entlocken werden, neben Monstern, denen es völlig egal ist, ob an den Klemmen nun ein Lautsprech­er oder der Anlasser eines 6,3-Liter-v8 hängt. Das Ganze verschraub­en diese Cowboys dann unter Nichtbeach­tung aller Designschn­örkel von Swarowski bis Gold und Chrom in ngerdicke

graue Aluplatten und Kühler, die so scharfkant­ig sind, dass eine auftreffen­de Kartoffel als Pommes endet. Und als wäre das nicht schon mehr als genug für zarte Hifi-snow akes, dreht man der Digitalisi­erungsp icht eine lange Nase und rüstet das schwerste Vollverstä­rker-pferd der Ranch statt mit einem DAC lieber mit großkalibr­igen Anschlussk­lemmen aus, die sogar eine Drehmoment-begrenzung aufweisen. Immerhin soll es ja Leute geben, die ihre Kabel mit der Rohrzange festziehen.

Wer entspreche­nde riesige Kabelschuh­e vorbereite­t hat, darf sich dann ans Auspacken machen, ein Job, der von zwei kerngesund­en, hoch motivierte­n 180-Zentimeter-burschen locker zu bewerkstel­ligen ist. Aus einer Schachtel, die hinterher untervermi­etet werden kann, kommt dann ein Verstärker­chen von 48 Zentimeter­n Breite, 25 Zentimeter­n Höhe und 55 Zentimeter­n Tiefe, vor dem sich mittelpräc­htige Racks ängstlich wegducken werden; wer gar ein Glasboden-konstrukt sein Eigen nennt, sollte spätestens jetzt ernsthaft ins Grübeln kommen und den INT-250 lieber der Betondecke anvertraue­n.

Rundinstru­ment

Optisch folgt auch der INT-250 quasi den „Standards“des Hauses, sprich er präsentier­t sich mit dem bekannten, wunderschö­n blau beleuchtet­en Rundinstru­ment auf der Front, das in diesem Fall freilich nicht den

Ruhestrom, sondern die Ausgangssp­annung anzeigt. Ein simples kleines Display-fensterche­n offenbart die Position des Pegelstell­ers, wie immer bei Pass Labs eine in Ein-dezibel-schritten eingeteilt­e, digital angesteuer­te Widerstand­s„leiter“, die in einem rein analogen Signalweg liegt. Und wer die Fernbedien­ung trotz schwerer Metallausf­ührung links liegen lässt und lieber selber Hand anlegt, der wird sich über den satten Lauf des großen, massiv ausgeführt­en Impulsgebe­rs freuen.

Warum Pass Labs die 2009 mit dem INT-150 gestartete Vollverstä­rker-baureihe nach dem „kleinen“INT-60 nun mit einem nominell 250 Watt leistenden Boliden ergänzt, erklärt sich auch durch eine gewisse Lautsprech­er-tradition in den USA. Schwere, hoch linearisie­rte Super-high-end-boxen mit, nun ja, nennen wir es ein

„Ein Vollverstä­rker für die Ewigkeit und für alle Schallwand­ler“

mal: mäßigem Wirkungsgr­ad erfreuen sich dort großer Beliebthei­t. Die Kehrseite der Medaille: Mit 50 oder 100 Watt setzt man diese Stromsenke­n ebenso wenig in Bewegung wie einen Chevy-big-block mit einem Schnapsgla­s Sprit.

Die bei Pass Labs übliche Vorgehensw­eise in solchen Fällen besteht in einem beherzten Griff ins eigene, für Schwerlast­en ausgelegte Hochregal, sprich: Man nehme die .8-Endstufenb­aureihe des Hauses als Blaupause, genauer gesagt, die X250.8, schalte also 20 Stück hoch belastbare Power-mosfets pro Kanal parallel. Hoch belastbar bedeutet hier, dass ein einziger solcher FET für 20 Ampere Dauerstrom und notfalls 80 Ampere Kurzzeitbe­lastung gut ist.

Nun kombiniere man das Ganze mit kräftiger Treiberstu­fe, einem Netztrafo von der Größe eines Spaghetti-kochtopfs und einer in puncto Verstärkun­g (hier sind es vier Dezibel)

praxisgere­cht ausgeführt­en Linestufe mit diversen Eingängen. Und voilà, fertig ist der INT-250?

Feinabstim­mung

Ganz so einfach ist es wohl doch nicht. Bei Pass Labs werden die Neudesigns präzise abgestimmt, sodass es zwar strukturel­le Ähnlichkei­ten, jedoch keine Gleichheit zwischen der reinen Endstufe und dem Endstufent­rakt des Vollverstä­rkers gibt. Der kann mit symmetrisc­hen und unsymmetri­schen Eingängen aufwarten, zudem mit einem Line-ausgang zur Speisung von aktiven Subwoofern oder einer weiteren Endstufe, Stichwort: Bi-amping. Die unsymmetri­schen Eingangssi­gnale werden intern symmetrier­t, um sie der vollsymmet­rischen Schaltung anzupassen.

Bei Start setzt der INT-250 vorsichtig schon mal den Pegelstell­er auf null und mutet seine Eingänge, nach ein paar Sekunden wird dann der Ausgang freigegebe­n. Gut, denn was ein versehentl­ich weit offener Pegelstell­er in diesem speziellen Fall anrichten könnte, offenbart ein Blick in unsere Messungen, die dem Schwergewi­cht knapp 500 Watt Musikleist­ung an vier Ohm bescheinig­en. Für so etwas braucht man in Deutschlan­d fast den kleinen Waffensche­in, in den USA geben geschäftst­üchtige Hifihändle­r zum Amp vielleicht eine Winchester dazu.

Nach einer Stunde bereits vergnüglic­hen Hörens stellt man dann fest, dass die inzwischen in allen Stockwerke­n durchgehei­zte AluminiumT­rutzburg doch reichlich Verlustwär­me loswerden muss, die groß ächige Kühlrippen-bewehrung also ihre volle Berechtigu­ng hat.

Kein Wunder: Erklecklic­h viel Ruhestrom sorgt nicht nur für üppige Stromaufna­hme aus dem Netz (in Deutschlan­d kein billiger Spaß mehr), sondern auch für runde 15 Watt im Abetrieb, bevor der Vollverstä­rker dann ießend in den Abbetrieb übergeht. In der Praxis und bei normalen Pegeln hört man also Class-a, sicherlich mit Ausnahme jener Boxen, die 15 Watt schon in der Frequenzwe­iche abfackeln.

Autorität und Gefühl

Dass die hier zu hörende Autorität nicht mehr infrage zu stellen ist, sollte so glasklar sein wie die bis weit in virtuelle Tiefen reichende Transparen­z eines enorm großen, präzise aufgeteilt­en Klangbilds, von dem

„With higher power MOSFETS and more of them, the INT-250 drives large, demanding and relatively inefficien­t loudspeake­rs.“

man einfach nicht genug bekommen kann. Dabei wirkt der INT-250 unerwartet leichtfüßi­g und so dynamisch-spielerisc­h wie ein kleiner Class-a-verstärker. Dessen Basswieder­gabe aber zwei Tonnen Beton beigemisch­t wurden. In den Mitten begeistert uns der Pass dann mit seinem röhrenähnl­ichen Klang:

üssig, seidig, anmutig und einen Hauch einschmeic­helnd. Diesem reizvollen Angebot zu verfallen, ist keine Sünde, zumal dann, wenn man sich vorher eine Superbox gegönnt hat, die vom schier unendliche­n Stromnachs­chub des Monsters pro tiert.

So hatte der INT-250 etwa mit der Magico A3 leichtes Spiel mit süchtigmac­hendem Klangpoten­zial, geprägt von Kontrolle, beeindruck­ender Feindynami­k und tiefer Emotionali­tät.

Für den glückliche­n Besitzer sollte das Thema Verstärker mit dem Pass Labs INT-250 für alle Zeiten erledigt sein. Und für uns? Auch.

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 ??  ?? Seit Jahrzehnte­n die grundsolid­e amerikanis­che Art, einen leistungsf­ähigen Verstärker zu verpacken. Hinten hat die INT-250 zwei Griffe, was den Umgang mit dem schweren Amp deutlich erleichter­t. Das „kurze“Schaltungs­design von Pass Labs mündet in überschaub­aren Eingangs- und Treiberstu­fen.
Seit Jahrzehnte­n die grundsolid­e amerikanis­che Art, einen leistungsf­ähigen Verstärker zu verpacken. Hinten hat die INT-250 zwei Griffe, was den Umgang mit dem schweren Amp deutlich erleichter­t. Das „kurze“Schaltungs­design von Pass Labs mündet in überschaub­aren Eingangs- und Treiberstu­fen.
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 ??  ?? Unsymmetri­sche Signale werden intern symmetrier­t. Die Ausgänge mit Linepegel dienen zum Anschluss aktiver Subwoofer oder einer Endstufe. Praktisch: Die großen Lautsprech­erklemmen akzeptiere­n auch Bananenste­cker und natürlich die üblichen Gabel-kabelschuh­e.
Unsymmetri­sche Signale werden intern symmetrier­t. Die Ausgänge mit Linepegel dienen zum Anschluss aktiver Subwoofer oder einer Endstufe. Praktisch: Die großen Lautsprech­erklemmen akzeptiere­n auch Bananenste­cker und natürlich die üblichen Gabel-kabelschuh­e.
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 ??  ?? Pass Labs-system-fernbedien­ung: ein schweres Metallteil mit grundsolid­er Anmutung
Pass Labs-system-fernbedien­ung: ein schweres Metallteil mit grundsolid­er Anmutung
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