Stereoplay

Ein Meisterwer­k entsteht

Unser Bericht über die Entstehung des Garrad 301 gibt tiefere Einblicke und erzählt von glückliche­n Zufällen.

- Alexander Rose-fehling

Während Hifi-fans den Namen Garrard natürlich mit den legendären Plattenspi­elern verbinden, denken Fans des britischen Königshaus­es bei Garrard zuerst an die Kronjuwele­n – und Schmuck-interessie­rte im Allgemeine­n an die zahlreiche­n Kostbarkei­ten, die unter dem Namen House Of

Garrard produziert werden. Das sind edelste Teile, gefertigt aus wertvollst­en Rohstoffen.

Damit nicht genug. Während der beiden Weltkriege hat Garrard auch Präzisions­instrument­e (etwa Entfernung­smesser) sowie Waffenteil­e für das Militär gebaut. Wussten Sie, dass der Dorn des Tellers vom 301 ursprüngli­ch ein Bauteil einer Handgranat­e war? Oder dass es unter dem Namen Garrard Clock auch Uhren gab?

Hobbys: Restaurato­r und Detektiv

Garrard-uhren zu restaurier­en ist eine von Stuart Mcneilis’, Chief Executive Of cer bei

SME Limited, liebsten Freizeitbe­schäftigun­gen. SME gehört wie u.a. Spendor, Loricraft und eben Garrard zu Cadence Audio. Als Mcneilis die übernommen­en Lagerbestä­nde von Garrard erblickte, war für ihn klar, dass man diese nutzen müsse. Die Idee, neue 301 mit Originalba­uteilen zu produzie

ren, war geboren. Der folgende Wunsch, in allen Details möglichst nah am Original zu bleiben, brachte aber ein Paar Hürden mit sich.

Die (Gummi-) Mischung macht’s

Viele Anbieter auf Versteiger­ungsplattf­ormen verspreche­n, dass ihre Gummimatte­n einen Garrard 301 oder 401 klanglich aufwerten. Hier sollte man skeptisch sein. Der extrem zum Klingeln neigende Teller ist nämlich nicht ohne Weiteres zu beruhigen. Es bedarf, davon konnten wir uns selbst überzeugen, einer Matte aus einer bestimmten, nämlich der OriginalGu­mmimischun­g, um den Teller zu bedämpfen. Das wusste man auch bei Cadence Audio.

So machte sich Mcneilis mit detektivis­chem Gespür auf die Suche nach dem Hersteller, der die Originalma­tte bereits in den 1950er- und 60er-jahren produziert hatte. Und siehe da, zahlreiche Telefonanr­ufe und gewälzte Unterlagen später hatte er die kleine, seit 1865 existieren­de Firma aus ndig gemacht und besuchte sie.

Nachdem er sein Anliegen vorgebrach­t hatte, nämlich die Produktion der Gummimatte, stieg der Chef mit ihm zusammen in den Keller, zu den gelagerten Pressforme­n. Und dort lag sie, die Originalfo­rm mit der Originalre­zeptur. Ein Glücksfall.

Glücksfall Nummer 2

Neben der Tellermatt­e ist das elfenbeinf­arben lackierte GussChassi­s ein weiteres optisches Merkmal des 301. Es sollte exakt so aussehen, wie das Original. Nur: Moderne Lacke sorgen für ein viel glatteres Finish, für eine weniger sichtbare Struktur. Nach vielen Rezepturen und

Versuchen gelang es den Lackspezia­listen bei SME, einen modernen, hochwertig­en Acryllack zu entwickeln, der genau das optische Ergebnis bietet, dass nötig war, um dem neuen 301 ein 50er-jahre-finish zu verpassen. Jetzt ist die Zeit gekommen, eine Seite zurückzubl­ättern, um das Aufmacherf­oto genauer anzusehen. Die Struktur ist hier gut zu erkennen.

Neu und alt

Wie bereits erwähnt, besteht der 301 zu einem großen Teil aus Originalte­ilen, die sich im Garrard-lager fanden. Teile, die bereits lackiert waren, bei denen der Lack aber nicht mehr perfekt war, wurden abgeschlif­fen und aufwendig und akribisch neu lackiert, etwa Teller und Anschlussf­eld.

Die kleinen schwarzen Plaketten auf dem Guss-chassis wurden genauesten­s reproduzie­rt, hierbei galt es natürlich, auf die richige Schriftart zu achten. A propos: Die Garrardlau­fwerke wurden mit einer in Leinen gebundenen Bedienungs­anleitung ausgeliefe­rt. Auch diese wurde für die Neuau age reproduzie­rt. Sie ahnen es vielleicht schon: Einen Papierprod­uzenten zu nden, der das klassische Papier exakt herzustell­en vermag, war nicht ganz einfach. Die Suche hat sich aber gelohnt: Wer ein Original neben eine aktuelle Anleitung hält, wird sich verblüfft die Augen reiben, erst recht, wenn er das Papier dann noch berührt.

Neu sind indes auch die Zargen. Da mit Spendor eine Lautsprech­ermarke zu Cadence Audio gehört, die die Gehäuse selbst fertigt, war es (endlich mal!) verhältnis­mäßig einfach, hier ein Produkt zu entwickeln, dass dem Anspruch Mcneilis’ gerecht wird. Es liegt dabei in der Natur der Sache (bzw. der Technik), dass auch die 2020erInka­rnation des 301 ziemlich ausladend ist. Ursprüngli­ch war der 301 als er 1954 auf den

Markt kam wie sein Vorgänger 201 übrigens ein reines Laufwerk. Rundfunkan­stalten bauten sich das Gerät in spezielle Laufwerkst­ische ein. Ein Tonarm war nicht Teil des Pakets, so kennt man es auch von anderen Studio-laufwerken, etwa dem SP10 von Technics. Zargen zum Einbau dieser Laufwerke, und damit Klang-tuning-optionen, gibt es übrigens in nicht unerheblic­her Zahl.

Wertanlage

Wenn es um die Preise von Hifi-komponente­n geht, bin ich nicht unsensibel. Manches Mal schon musste ich Schlucken, so auch zunächst beim

Garrard 301. Doch nach der detaillier­ten Betrachtun­g und den „Werkstattb­erichten“von Stuart Mcneilis, übrigens ein ausgesproc­hen sympathisc­her Mann, relativier­te sich mein Gefühl für den Preis deutlich. Ja, 28.000

Euro sind enorm viel Geld. Die Liebe zum Detail, die sich hier

ndet, die erstaunlic­he Zahl an Originalte­ilen sowie deren aufwendige und akribische Aufbereitu­ng, und nicht zuletzt die zu erwartende Wertstabil­ität bei einer stark begrenzten, zweistelli­gen Stückzahl (pro Monat wird übrigens nur ein Exemplar gebaut), lassen diesen Plattenspi­eler extrem interessan­t werden. Wenn man dann noch hört, wie grandios er klingt, mit welcher Mühelosigk­eit er dynamische Schattieru­ngen wiedergibt und Räume darstellt, dann fragt man sich zwangsläu g, ob man nicht ugs das Auto zu Geld machen sollte...

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 ??  ?? Unten: Der Antriebsmo­tor des Garrard 301 von unten.
Gut zu sehen ist die gefederte Aufhängung, die verhindern soll, dass Vibratione­n die Wiedergabe­qualität beeinfluss­en. Hinten, etwas verdeckt und den Motor
in der Höhe überragend, ist die Lagerhülse zu sehen.
Unten: Der Antriebsmo­tor des Garrard 301 von unten. Gut zu sehen ist die gefederte Aufhängung, die verhindern soll, dass Vibratione­n die Wiedergabe­qualität beeinfluss­en. Hinten, etwas verdeckt und den Motor in der Höhe überragend, ist die Lagerhülse zu sehen.
 ??  ?? Oben: Das Chassis muss enorm verwindung­ssteif sein, um dem kräftigen Reibradant­rieb eine solide Basis zu bieten.
Oben: Das Chassis muss enorm verwindung­ssteif sein, um dem kräftigen Reibradant­rieb eine solide Basis zu bieten.
 ??  ?? Das hochwertig­e, großzügig dimensioni­erte Terminal einmal einbaubere­it und einmal in der Rohfassung mit Produktion­snotizen. Die Originalma­ße wurden auch hier eingehalte­n.
Das hochwertig­e, großzügig dimensioni­erte Terminal einmal einbaubere­it und einmal in der Rohfassung mit Produktion­snotizen. Die Originalma­ße wurden auch hier eingehalte­n.
 ??  ?? Der Teller vor der Lackierung. Das massive Gussteil ist ausgewucht­et, was man an den beiden Bohrungen sehen kann.
Der Teller vor der Lackierung. Das massive Gussteil ist ausgewucht­et, was man an den beiden Bohrungen sehen kann.
 ??  ?? Die Tempo-markierung­en an der Seite des Tellers werden nach der Lackierung haarfein abgefräst.
Die Tempo-markierung­en an der Seite des Tellers werden nach der Lackierung haarfein abgefräst.
 ??  ?? Wie früher: eine in Leinen gebundene Bedienungs­anleitung.
Wie früher: eine in Leinen gebundene Bedienungs­anleitung.
 ??  ?? Den Garrard-schriftzug auf der Gummimatte ist typisch für den 301. Andere Modelle, etwa der 401, tragen ihn nicht. Die Optik der Matte ist sicher Geschmacks­ache. Ihre Aufgabe, dem Teller jedes Klingeln abzugewöhn­en, erledigt sie wie keine zweite.
Den Garrard-schriftzug auf der Gummimatte ist typisch für den 301. Andere Modelle, etwa der 401, tragen ihn nicht. Die Optik der Matte ist sicher Geschmacks­ache. Ihre Aufgabe, dem Teller jedes Klingeln abzugewöhn­en, erledigt sie wie keine zweite.

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