Ein Meisterwerk entsteht
Unser Bericht über die Entstehung des Garrad 301 gibt tiefere Einblicke und erzählt von glücklichen Zufällen.
Während Hifi-fans den Namen Garrard natürlich mit den legendären Plattenspielern verbinden, denken Fans des britischen Königshauses bei Garrard zuerst an die Kronjuwelen – und Schmuck-interessierte im Allgemeinen an die zahlreichen Kostbarkeiten, die unter dem Namen House Of
Garrard produziert werden. Das sind edelste Teile, gefertigt aus wertvollsten Rohstoffen.
Damit nicht genug. Während der beiden Weltkriege hat Garrard auch Präzisionsinstrumente (etwa Entfernungsmesser) sowie Waffenteile für das Militär gebaut. Wussten Sie, dass der Dorn des Tellers vom 301 ursprünglich ein Bauteil einer Handgranate war? Oder dass es unter dem Namen Garrard Clock auch Uhren gab?
Hobbys: Restaurator und Detektiv
Garrard-uhren zu restaurieren ist eine von Stuart Mcneilis’, Chief Executive Of cer bei
SME Limited, liebsten Freizeitbeschäftigungen. SME gehört wie u.a. Spendor, Loricraft und eben Garrard zu Cadence Audio. Als Mcneilis die übernommenen Lagerbestände von Garrard erblickte, war für ihn klar, dass man diese nutzen müsse. Die Idee, neue 301 mit Originalbauteilen zu produzie
ren, war geboren. Der folgende Wunsch, in allen Details möglichst nah am Original zu bleiben, brachte aber ein Paar Hürden mit sich.
Die (Gummi-) Mischung macht’s
Viele Anbieter auf Versteigerungsplattformen versprechen, dass ihre Gummimatten einen Garrard 301 oder 401 klanglich aufwerten. Hier sollte man skeptisch sein. Der extrem zum Klingeln neigende Teller ist nämlich nicht ohne Weiteres zu beruhigen. Es bedarf, davon konnten wir uns selbst überzeugen, einer Matte aus einer bestimmten, nämlich der OriginalGummimischung, um den Teller zu bedämpfen. Das wusste man auch bei Cadence Audio.
So machte sich Mcneilis mit detektivischem Gespür auf die Suche nach dem Hersteller, der die Originalmatte bereits in den 1950er- und 60er-jahren produziert hatte. Und siehe da, zahlreiche Telefonanrufe und gewälzte Unterlagen später hatte er die kleine, seit 1865 existierende Firma aus ndig gemacht und besuchte sie.
Nachdem er sein Anliegen vorgebracht hatte, nämlich die Produktion der Gummimatte, stieg der Chef mit ihm zusammen in den Keller, zu den gelagerten Pressformen. Und dort lag sie, die Originalform mit der Originalrezeptur. Ein Glücksfall.
Glücksfall Nummer 2
Neben der Tellermatte ist das elfenbeinfarben lackierte GussChassis ein weiteres optisches Merkmal des 301. Es sollte exakt so aussehen, wie das Original. Nur: Moderne Lacke sorgen für ein viel glatteres Finish, für eine weniger sichtbare Struktur. Nach vielen Rezepturen und
Versuchen gelang es den Lackspezialisten bei SME, einen modernen, hochwertigen Acryllack zu entwickeln, der genau das optische Ergebnis bietet, dass nötig war, um dem neuen 301 ein 50er-jahre-finish zu verpassen. Jetzt ist die Zeit gekommen, eine Seite zurückzublättern, um das Aufmacherfoto genauer anzusehen. Die Struktur ist hier gut zu erkennen.
Neu und alt
Wie bereits erwähnt, besteht der 301 zu einem großen Teil aus Originalteilen, die sich im Garrard-lager fanden. Teile, die bereits lackiert waren, bei denen der Lack aber nicht mehr perfekt war, wurden abgeschliffen und aufwendig und akribisch neu lackiert, etwa Teller und Anschlussfeld.
Die kleinen schwarzen Plaketten auf dem Guss-chassis wurden genauestens reproduziert, hierbei galt es natürlich, auf die richige Schriftart zu achten. A propos: Die Garrardlaufwerke wurden mit einer in Leinen gebundenen Bedienungsanleitung ausgeliefert. Auch diese wurde für die Neuau age reproduziert. Sie ahnen es vielleicht schon: Einen Papierproduzenten zu nden, der das klassische Papier exakt herzustellen vermag, war nicht ganz einfach. Die Suche hat sich aber gelohnt: Wer ein Original neben eine aktuelle Anleitung hält, wird sich verblüfft die Augen reiben, erst recht, wenn er das Papier dann noch berührt.
Neu sind indes auch die Zargen. Da mit Spendor eine Lautsprechermarke zu Cadence Audio gehört, die die Gehäuse selbst fertigt, war es (endlich mal!) verhältnismäßig einfach, hier ein Produkt zu entwickeln, dass dem Anspruch Mcneilis’ gerecht wird. Es liegt dabei in der Natur der Sache (bzw. der Technik), dass auch die 2020erInkarnation des 301 ziemlich ausladend ist. Ursprünglich war der 301 als er 1954 auf den
Markt kam wie sein Vorgänger 201 übrigens ein reines Laufwerk. Rundfunkanstalten bauten sich das Gerät in spezielle Laufwerkstische ein. Ein Tonarm war nicht Teil des Pakets, so kennt man es auch von anderen Studio-laufwerken, etwa dem SP10 von Technics. Zargen zum Einbau dieser Laufwerke, und damit Klang-tuning-optionen, gibt es übrigens in nicht unerheblicher Zahl.
Wertanlage
Wenn es um die Preise von Hifi-komponenten geht, bin ich nicht unsensibel. Manches Mal schon musste ich Schlucken, so auch zunächst beim
Garrard 301. Doch nach der detaillierten Betrachtung und den „Werkstattberichten“von Stuart Mcneilis, übrigens ein ausgesprochen sympathischer Mann, relativierte sich mein Gefühl für den Preis deutlich. Ja, 28.000
Euro sind enorm viel Geld. Die Liebe zum Detail, die sich hier
ndet, die erstaunliche Zahl an Originalteilen sowie deren aufwendige und akribische Aufbereitung, und nicht zuletzt die zu erwartende Wertstabilität bei einer stark begrenzten, zweistelligen Stückzahl (pro Monat wird übrigens nur ein Exemplar gebaut), lassen diesen Plattenspieler extrem interessant werden. Wenn man dann noch hört, wie grandios er klingt, mit welcher Mühelosigkeit er dynamische Schattierungen wiedergibt und Räume darstellt, dann fragt man sich zwangsläu g, ob man nicht ugs das Auto zu Geld machen sollte...