Stereoplay-musik
Neues und neu Aufgelegtes aus Rock, Pop, Jazz und Klassik u.a. von Einstürzende Neubauten, Joan As Police Woman, Connie Francis u.v.m.
Alben von den Einstürzenden Neubauten implizieren etwas Monumentales. Dann aber trifft man Blixa Bargeld am Bildschirm und der textende Kopf der Kollektivs erzählt von seinen Nöten, wie er nachts aufsteht, weil ihm endlich der passende, alles zusammenhaltende Satz für ein Lied zugeflogen ist. Oder er hält ein großes Skizzenbuch in die Kamera, voll mit Worten und Verweisen, Pfeilen, Unterstreichungen, Einkreisungen. Und schnell wird klar, dass der künstlerische Prozess etwas Fragiles ist, auch bei einer Band, die früher auf der Suche nach der Unabdingbarkeit des Klangs schon mal Eisenträger auf der Bühne mit Vorschlaghammer und Schwingschleifer traktierte. Solche wilden Akte des Ausbruchs sind inzwischen nicht mehr nötig, das Quintett feiert vier Jahrzehnte seines Bestehens, was mit dem Album „Alles in Allem“werbetechnisch wirkungsvoll, aber inhaltlich nicht notwendig gefeiert wird.
Er habe das Gefühl gehabt, meint Bargeld weiter, mit der Band noch einmal eine Platte machen zu müssen, das Datum sei eher Beiwerk. Überhaupt wirken die zehn Stücke auf reizvolle Art entschlackt. Pathos war gestern, das ganze System erscheint entrümpelt, neu eingerichtet und umgebaut, folgt man den Bildern von „Möbliertes Lied“. Lyrische Kryptik wie etwa das nach verbalen Fan-vorlieben benannte „Ten Grand Goldie“trifft auf lächelnde Lakonik wie bei „Am Landwehrkanal“. Manches bekommt wie das Titelstück schon beinahe konkret poetische Klarheit. Der Sound ist präsent, statt auf Eisenschrott wird stellenweise auf Zivilisationsmüll, aber auch auf zirzensischem Instrumentarium musiziert. Das alles wirkt so unaufgeregt konzentriert, ein Alterswerk lächelnder Avantgarde, dem Schaffensprozess mit Witz abgetrotzt. RD