Mal etwas anderes
Stefano Bollani ist ein erstaunlicher Musiker. Im Laufe von zwei Jahrzehnten hat er von der Arbeit mit dem Trompeter Enrico Rava über Stilexperimente mit dem Mandolinen-meister Hamilton de Holanda bis hin zu eigenen Orchestersuiten ein buntes Spektrum gestalterischer Optionen ausprobiert. Mit Hang zum Musikantischen ist ihm dabei eine Mixtur zwischen künstlerischem Ernst und kreativem Humor gelungen, die so ziemlich alle seine Projekte zu einem pfiffigen
Hörvergnügen werden lässt. Er liebt es, zu unterhalten, auch ein wenig zu provozieren, und so passt sein aktuelles Projekt perfekt ins Portfolio. Denn Bollani widmet sich einem Repertoire, das der Jazz bislang nicht für sich entdeckt hat. „Ich bin Fan von Jesus Christ Superstar, seitdem ich 14 bin. Ich habe die ganze Zeit die Lieder gesungen, einmal sogar im Chor bei einer Aufführung“, erzählt er über die Ursprünge seiner Solo-variationen. „Eigentlich ist eher die Frage, warum ich so lange gebraucht habe, um mich weiter mit der Musik zu beschäftigen. Als der Entschluss feststand, war aber klar, dass es eine persönliche Sache sein soll, etwas Intimes, nur ich und das Klavier. Ich habe mich auf die Musik konzentriert, denn sie verdient das. Und ich habe die Struktur beibehalten, die Geschichte sollte ja weiterhin präsent sein. Die Musik insgesamt ist so stark, dass ich sie auch ohne die Texte wirken lassen kann. Nur an einigen Stellen ändere ich Melodien, Harmonien. Es ist keine originale Adaption des Stücks, sondern es sind meine Überlegungen dazu.“Aufgenommen wurde in Rom auf einem Flügel, dessen Stimmung auf 432 Hertz unter der Norm liegt, dafür aber ein warmes, lebendiges Klangbouquet entwickelt. Bollani spielt inspiriert und konzentriert, perlend brillant, aber nicht übervoll ornamentierend. Er gibt dem Original die Chance, nicht unter der Interpretation zu verschwinden und trotzdem formale Schönheit zu entwickeln. Ein Hörgenuss. RD