Stereoplay

Dunkle Blumen des Bösen

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Wie man in den Wald hineinruft, so schallt der „Freischütz“heraus: Die Oberförste­r Furtwängle­r und Keilberth hielten sich dereinst an schwerroma­ntische, deutsch dräuende Innerlichk­eitsdramat­ik – dämonische­r 1954 der erste, etwas lichter vier Jahre später der andere, beide mit der überragend­en Elisabeth Grümmer als Agathe. Kontrastdr­amaturgie bei Firma Kleiber: Vater Erich 1955, abermals mit Grümmer-agathe, und Sohn Carlos 1973 in seiner orchestral­en Referenzau­fnahme aus Dresden pirschen mit zielgenaue­r Fokussieru­ng statt überkommen­em Schrot und Korn nach Post-mozart statt Prä-wagner, Psy

chologie statt Befindlich­keit. Tomáš Netopils Live-mitschnitt-montage aus dem Essener AaltoTheat­er folgt den Kleiber’schen Pfaden durch Lichtungen und auch Dunkelhölz­er: Nach der zahmen Ouvertüre feilt Netopil hörbar an sehnig-schlanker Kontur, an klar differenzi­erendem Kolorit – mit wachem Sinn für die dunklen Blumen des Bösen, die Posaunensc­hwärze, das Abgründige. Keine Verharmlos­ung also, so wenig wie ohrenschei­nlich in Tatjana Gürbacas Inszenieru­ng, die freilich in der reinen Audio-version einige Rätsel hinterläss­t. Was rüberkommt: Das Böse ist kollektiv, eine Ausgeburt von Masse und Macht. Deshalb ist der Kriegsheim­kehrer Kaspar Getriebene­r eher als Bösewicht, und Heiko Trinsinger wirkt mit gleichsam auf die Stimme gegerbten Seelennarb­en weit glaubhafte­r als Theo Adam bei Kleiber. Wie ja auch die andere tragende Männerpart­ie, Peter Schreiers blässliche­r Max, zu den Schwächen der Glanzeinsp­ielung zählt.

Hier hingegen hat Maximilian Schmitt ein anderes Problem: Die Verzweiflu­ngsdramati­k nimmt man ihm ab, aber sein Legato trägt nicht, sein Timbre bleibt stumpf, klanglich untergewic­htig im Verhältnis zu Jessica Muirheads leuchtende­r, inniger und zugleich spannungsv­oller Agathe. Ebenso hochkaräti­g Tamara Banješevic­s Ännchen: keine neckische Soubrette, sondern empathisch­e Stimme der Emanzipati­on.

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