Rebellisches Künstlerleben
Rudolf Buchbinder zählt zu den bedeutendsten Beethoven-interpreten unserer Zeit. Bereits mit
12 Jahren gab der damals jüngste
Schüler des legendären Bruno
Seidlhofer sein Debüt mit Beethovens erstem Klavierkonzert;
Seither hat er seinen Abgott auf der ganzen Welt immer wieder neu gedeutet. Besonders angetan haben es ihm dabei die Diabelli-variationen, in denen Beethoven im
Jahr 1824 den gewaltigen Schlusspunkt seines Klavierschaffens setzt. Buchbinder nennt sie das
„Leitmotiv“seines Lebens und er hat sie vor seiner aktuellen Neueinspielung genau 99-mal öffentlich gespielt. Die Vermutung, dass sein Beethoven-enthusiasmus sich gemildert, in Altersweisheit verwandelt haben könnte, widerlegt der 73-Jährige aber schon im wild dahin brausenden walzer thema mit draufgängerisc her Attacke. Und dann folgte ine33-t eilige, rasante Diabelli- rallye der ungestümenLebensfreude, der grimmigen Humors und einer explodierenden Kreativität, die in keinem einzigen Moment den Eindruck „letzter Worte“aufkommen, sondern sie als vulkanische Verdichtung eines unbeugsamen, stets rebellischen Künstlerlebens aufleuchten lässt: So emotional frisch und zugleich so penibel und intelligent ausgehört, dabei so frei, so jugendlich ungestüm und zwingend klangen die Diabelli-variationen schon lange nicht mehr. Meine neue Referenz.
Auf einer zweiten CD kontrastiert Buchbinder Beethovens Genie mit 20 weiteren Versuchen über Diabellis ominöses Walzerthema, wobei er acht historischen Beiträgen von Beethoven-konkurrenten (wie Liszt, Schubert, Czerny und anderen) aktuelle Neukompositionen von 12 lebenden Tonsetzern gegenüberstellt. Die künstlerische Ausbeute ist hier eher durchwachsen.