Die subtile Seite der Americana
Vergessen Sie alles, was Sie an Vorurteilen über Countrymusik im Kopf haben. Mit ihren Melodien können Musiker ähnlich wie Bluesinstrumentalisten ergreifende Geschichten erzählen – ohne Worte. Dem afroamerikanisch-schweizer Mundharmonikaspieler Grégoire Maret, dem Pianisten Romain Collin und dem Gitarristen Bill Frisell gelang ein solches Meisterwerk, in dem sich Jazz und Countrymusik mit viel Feingefühl begegnen. Eine getragene Version des Dire-straitsHits „Brothers In Arms“leitet den Reigen von neun Songs ein. Behutsam setzen die drei die Töne, als seien die mit dem Song verbundenen
Erinnerungen zerbrechlich. Bill Frisells „Small Town“schließt sich an: eine ähnlich zarte Klangreise, bei der Frisell, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit der Stilausweitung von Jazz Richtung Country beschäftigt, mit Gitarre und Banjo seine Vorliebe für akustische Grenzüberschreitung noch sanfter als auf seinen eigenen Alben vollzieht. Mit „Rain, Rain“, ebenfalls einer Komposition Frisells, kommen eine Prise Wehmut und wabernde Gitarrensounds hinzu. Etwas zupackender wirkt „San Luis Obisbo“, eine Komposition Collins, während Marets „Back Home“ein sanfter, bezaubernder Dialog von Klavier und Mundharmonika ist. Ganz dezent mengt der Schlagzeuger Clarence Penn Besenwischer und kaum wahrnehmbare Schläge ein. Auch „Wichita Lineman“, das Jimmy Webb 1968 für den Countrysänger Glen Campbell geschrieben hat, scheint wie die Stromleitungen zwischen den Masten zu schwingen. Im Gegensatz dazu gestalten Frisell, Maret und Collin in „Re:stacks“eine nachdenkliche Geschichte von Einsamkeit und Lebensmut. Mit „The Sail“und „Still“beschießen Maret und Collin die melancholische Bestandsaufnahme der amerikanischen Kultur.wer „Beyond The Missouri Sky“von Pat Metheny und Charlie Haden mochte, mit „Americana“eine andere aufgebaute, ähnlich gefühlvolle Auseinandersetzung mit dem weißen Pendant zum Blues, der Countrymusik.