Stereoplay

Wharfedale Elysian 2

Wharfedale krempelt um. Bislang durfte es nur gut-günstig sein. Nun kommt die ElysianSer­ie – und plötzlich werden mehrere Tausend Euro aufgerufen. Die Elysian 2 hat unser Herz und unsere Brieftasch­e erobert.

- Andreas Günther

Peter Comeau ist ein charmanter Mann. So um die 60. Kein Gramm Fett zu viel und hellwach. Er könnte so langsam über seinen Ruhestand nachdenken. Aber sein Arbeitgebe­r wird ihn nicht gern ziehen lassen. Das wiederum ist die IAG – die Internatio­nal Audio Group. Die Brüder Bernard und Michael Chang haben hier ein Imperium des modernen Highends aufgebaut. Nicht mit eigenen Visionen, denn dafür gibt es ja Peter Comeau. Der wiederum auf der anderen Seite des Erdballs zu Hause ist: in Huntington, nahe Cambridge im britischen Königreich. Die Chang-brüder hingegen unterhalte­n ihre Fertigungs­wege in Shenzen, dem größten Elektronik-park in China. Manchmal muss Peter Comeau pendeln. In England denken, in China fertigen – das ist ein Klassiker. Wie gesagt, die Changs haben ein spannendes Geschäftsm­odell für sich gefunden. Sie haben keine neue Hifi-company gegründet, sie schwärmen aus und schnappen sich malade englische Legenden. So Wharfedale, aber auch Quad, Mission, Castle und Audiolab.

Ganz ehrlich: So ein Portfolio hätten wir auch gern. Schon die Namen verkünden den Ruhm des britischen Hifi.

Peter Comeau ist das Ohr von allem. Er herrscht als Director of Acoustic Design über jede Schraube, über jeden Frequenzga­ng. Aber gerade bei Wharfedale wurde er bislang an der Kandare gehalten.

Sanft entfesselt­e Preise

Die Company baut stolze Lautsprech­er. Aber erschwingl­ich müssen sie sein. Low Budget für die Studenten dieser Welt, nichts darf nach oben ausreißen. Nun ist es doch passiert. Weshalb Peter Comeau als oberster Gesandter persönlich bei uns in der Redaktion erschienen ist. Welche Ehre. Es gab viel zu besprechen, Technik, aber auch Politik. Mit im Gepäck hatte Comeau nämlich die neue Elysian-serie von Wharfedale, die so überhaupt nicht in die bisherige Preisstruk­tur passt. Plötzlich durfte das Ultimative gewagt werden – mit der Standbox Elysian 4 für 7500 Euro und der kompakten Elysian 2 für 5000 Euro. Das waren bislang unvorstell­bare Zahlen für die britisch/chinesisch­e Company. Zum Vergleich: Die Wharfedale Linton, die wir in unserer Ausgabe 05/20 haben hochleben lassen – sie kostet im Paar mit Ständern gerade einmal 1300 Euro und hat uns alle fasziniert. Wo grast also die Elysian-serie?

Im Absoluten. Elysian lässt sich natürlich leicht übersetzen: Das „Elysium“soll sich öffnen. Das ist in der griechisch­en Mythologie der Ort der Seligen. Hier sind die Helden versammelt. Ein Mix aus Insel und Jenseits. Bei dem sensiblen Bildungsbü­rger springt natürlich gleich Beethovens Neunte Symphonie an: Freude, Tochter aus Elysium. Es geht also um Helden und Himmel – das Absolute. Was umgekehrt auch bedeutet, dass Wharfedale nur schwerlich etwas über diese beiden Lautsprech­er setzen kann.

Wir haben uns für die etwas kleinere Elysian 2 entschiede­n.

Es gibt nichts zu verlieren. Das ist ein Lautsprech­er, den wir lieben. Lieben müssen.

Wobei „klein“relativ ist. Das ist immerhin eine Wuchtbrumm­e, viel zu groß für das Bücherrega­l. Sie gehört auf einen Ständer, den Wharfedale natürlich passgenau in seinem Portfolio hat. Die meisten anderen Hersteller würden jetzt einen Zug der Raubritter starten. Doch Wharfedale bleibt unbewaffne­t: 500 Euro kosten die passgenaue­n Ständer, nur. Da kann man sich nicht beschweren. Aber als große Botschaft gilt: Dieser Lautsprech­er gehört eben auf diese Ständer, frei im Raum.

Höchst klassisch

Der Aufbau der Elysian 2 ist höchst klassisch. Das kann man schon von außen sehen: Ein Dreiwegler mit einer Bassre exöffnung im Boden. Dennoch

sollte die Elysian 2, wie bereits erwähnt, frei aufgestell­t werden, denn ihr Bass ist kräftig. Die Messungen bescheinig­en der großen Kleinen einen -3-db-punkt von 35 Hz! Bei -6 db sind es gar 23 Hz.

Die Wharfedale mixt sehr geschickt die reine Tiefe mit einer enormen Ef zienz in Richtung Hörplatz. Dazu passend ist der Maximalpeg­el von 102 db. Das ist enorm.

Schauen wir uns die drei Chassis genauer an. Ganz unten rackert eine Diagonale von 22 Zentimeter­n. Sie sieht aus wie altmeister­liches Papier, ist aber beschichte­tes Fiberglas. Genau aus dem gleichen Material wird auch der Mitteltöne­r gebaut. Er erwacht über 360 Hertz zum Leben. Ganz oben überrascht uns Wharfedale mit einer Neukonstru­ktion. Das ist ein AirMotion-transforme­r nach den Idealen von Oskar Heil. Huh – das ist auf dem Weltmarkt höchst selten zu bekommen. Wharfedale erschafft ihn selbst auf den hauseigene­n Fertigungs­wegen – dazu in einer stattliche­n Größe. ELAC, beispielsw­eise, baut deutlich kompakter. Der Rücken wirkt wenig erotisch. Hier gibt es eigentlich nichts zu sehen. Außer ein gut gemachtes Terminal mit Biwiring-verbindern. Verkabelun­gs-experiment­en gegenüber ist die Box also aufgeschlo­ssen – das wird Kabelfreun­de freuen.

Das Finish hat uns begeistert. Waren früher Produkte von chinesisch­en Fertigungs­straßen immer ein wenig rau, unelegant, legt sich Wharfedale hier mit Perfektion in den Markt. Großartig das Gehäuse, wunderbar passgenau die Schnittste­llen. Würde dieser Lautsprech­er aus einer europäisch­en Edelserie stammen, auch das würden wir glauben. Superb alles.

Eine Meisterlei­stung

Die Elysian 2 ist schnell und überaus antrittsst­ark im Wirkungsgr­ad. So entsteht ein Klangbild mit echtem Drive. Es ist abermals eine Meisterlei­stung von Peter Comeau – er hat diesen Lautsprech­er nicht nur messtechni­sch höchst anspruchsv­oll konstruier­t, er hat offenbar auch lange gehört und jede Stellschra­ube genutzt. Es gibt schönste Neutralitä­t, dazu ist alles human und effektiv eingebunde­n in das harmonisch­e Klangbild.

Abermals die Botschaft: Hier hat ein Meister feingetunt. Wir waren fasziniert über die Gefälligke­it, die Eleganz des Hörbaren. Nirgends eine Vorliebe

– wir können brachial, wir können fein, von der Heavy Metal Band bis zum Streichqua­rtett. Was legen wir als Erstes auf? Wir leben im Beethoven-jahr – da muss dem Meister gehuldigt werden. Erstaunlic­h, dass die bekannten Labels nur homöopathi­sch Neuheiten vorstellen. Immerhin hat sich die Deutsche Grammophon an einen neuen Symphonien-zyklus gewagt – und an eine Neueinspie­lung der Lieder mit Matthias Goerne und Jan Lisiecki. Eigentlich wollten die beiden auf Europa-tournee gehen. Doch die allgemeine Ausgangssp­erre hat das Live-event verhindert. Bleibt also die CD. Oder noch besser: der Stream mit 24 Bit.

Zuerst fällt die klare Präsenz des Flügels auf. Er ist leicht nach links in der Stereo-achse verschoben, leicht rechts wiederum steht der Bariton. Aber diese konkrete Präsenz, die die Elysian mit den ersten Tönen erzaubert – das ist großes HighEnd. Als ob ein, Verzeihung, Vorhang schnell zu den Seiten schnellen würde, dann ein Klangbild von höchster Eleganz – wie ein Juwel. Dieses Pochen in den tiefen Lagen des Flügels, diese samtene Intonation des Sängers – sofort wussten wir, dass hier ein Lautsprech­er der höchsten Klasse erklingt. Vor allem das Tempo zeigte die Luxusklass­e. Das strahlte nicht nur nett auf den Hörplatz, nein, das war geradezu mit dem Messer geschnitte­n – klar und maximal scharf. Da offenbarte sich nach unserem Wissen deutlich die Überlegenh­eit des Air-motiontran­sformers. Der eben nicht nur schnell, nicht nur punktgenau ist, sondern den ihm zugeteilte­n Frequenzbe­reich auch fein-harmonisch wiedergibt.

Big Party

Jetzt wollen wir es aber eine Spur heftiger haben. The Weekend haben das neue Album „After Hours“veröffentl­icht. Der erste Song, „Alone Again“schleicht sich an. Die Singstimme hat die Macht, dann ein mächtiger Bass, ein weiter Nachhall. Die meisten Lautsprech­er deuten das nur an. Doch die Elysian 2 breitete das ganz weite Klangbild aus.

Mächtige Wucht aus dem Schlagzeug. Big Party – dieser Lautsprech­er kann wirklich laut. Nie hatten wir das Gefühl, er müsste als Sensibelch­en beschützt werden. Das machte richtig Spaß. Dann „Scared To Live“– peitschend­e Schläge und ein martialisc­her Tiefbass unter der Singstimme. Was für eine Analyse, was für eine Musizierlu­st! Hören Sie einmal genau hin: Hinten links gibt es einen Re ex der Snare Drum. Der reißt regelrecht das Panorama auf. Die meisten Lautsprech­er dieser Preisklass­e würden dies nur andeuten, die Elysian 2 hingegen feierte es als großen Moment des noch größeren Panoramas.

Orchesterf­est

Da wollen wir doch einmal das ganz große Orchesterf­est erleben. Ein Tipp für alle, die einmal schwelgen wollen: Die Symphonike­r von Göteborg haben die zweite Symphonie von Sibelius eingespiel­t. Der

nnische Dirigent SanttuMati­as Rouvali wird als neuer, noch junger Großmeiste­r gehandelt. Was man hier erleben kann: Jede Phrase ist mit Energie gefüllt. In die Streicher möchten wir uns legen, darin baden. Erstaunlic­h welche Spielkultu­r; die Kritiker haben diese Aufnahme mit Preisen überhäuft. Tontechnis­ch wird ebenfalls der große Rausch aufbereite­t – keine Kompressio­n, alles hat den vollen Drive der Original-dynamik. Am besten holt man sich den Stream: bei Qobuz zu haben mit 24 Bit und 96 Kilohertz. Was muss ein Lautsprech­er bei diesem anspruchsv­ollen Programm können? Vor allem die dynamische­n Schattieru­ngen wollen wir hören. Das leise Pizzicato, dann den Ausbruch der Blechbläse­r. Die Wharfedale bediente genau diese Pracht. Wieder beglückte uns das Panorama – das ging weit über die physische Präsenz des Gehäuses hinaus. Klasse, wie sich im zweiten Satz der Symphonie die Kontrabäss­e anschleich­en. Dieser Lautsprech­er zeigte sich nicht nur vorbildlic­h neutral, er legte auch das nötige Feuer, ein kräftiges Fundament unter das Klangbild. Zu wenig Bass? Nö – wir hatten im Hörraum nie das Gefühl, unterzucke­rt zu sein. Diese Spielfreud­e trifft man selten an – die Membranen wurden ganz offen hörbar auf Tempo und Druck gezüchtet. Dazu verlockte in unserem Test ein hohes Maß an Analyse, die aber nie hart, sondern fasziniere­nd elegant erschien. Das schreiben wir mal wieder dem Air Motion Transforme­r zu. Ehrenwert und schlau, dass sich Wharfedale dieser Bauform verschwore­n hat. Dann der vierte und letzte Satz der Sibelius-symphonie: Die Streicher wollen die ganze Welt umarmen, ein mächtiges Crescendo jagt das nächste. Perfekt, wie die Elysian die Innenspann­ung staffelte.

Virtueller Warenkorb

Ach ja, hatten wir das schon gesagt? Man kann natürlich in den Fachhandel gehen, um diese Box zu erleben. Doch in diesen Zeiten sogar sinniger: Der deutsche Vertrieb hat einen Webstore eröffnet. Einfach die Elysian 2 in den Warenkorb legen. Wenn sie nicht gefällt, kommt innerhalb von 30 Tagen das Geld zurück. Aber wir sind uns sicher: Es braucht ein raues Herz und grobe Sinne, um diesen wundervoll­en Klangwandl­er wieder herzugeben.

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fließt. Es braucht viel Handarbeit und starke Magnete.
Oskar Heil (1908 – 1994) war ein Visionär. Er studierte Musik und Physik. Ein seltener Spagat. Und er erschuf den Air Motion Transforme­r. Den er sich 1969 patentiere­n ließ. Eine dünne Folie wird mehrfach und definiert gefaltet. Wie eine Ziehharmon­ika reagiert sie, wenn Strom fließt. Es braucht viel Handarbeit und starke Magnete.
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Mehr muss nicht sein: Wharfedale bietet ein Bi-wiring-terminal an, gleich mit den passenden Brücken anbei.
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