Stereoplay

Cayin CS-150A

So viel werden für den Betrieb des neuen Cayin-röhrenvers­tärkers fällig. Das erscheint wenig, ist aber gemessen an Transistor­verstärker­n viel. Doch haben diese auch so einen herrlichen Charme zu bieten?

- Alexander Rose-fehling

Tung-sol – für Röhren-fans ein klangvolle­r Name. Gegründet wurde die kleine Firma 1907 in New Jersey, USA. Lange stand sie im Ruf, ganz hervorrage­nde Röhren, gerade auch für den Hifi-einsatz, zu bauen. Und obwohl die Firma längst zum Konzern ElectroHar­monix/new Sensor Corporatio­n gehört, einer weiteren amerikanis­chen Company, fertigt sie immer noch gut beleumunde­te Röhren. Allerdings nicht in den USA, sondern bereits seit Ende der 1920er-jahre in der ehemaligen Fertigungs­stätte von Expopul/sovtek in der Universitä­tsstadt Saratow in Russland.

Reichlich Leistung

Gleich acht Tung-sol-exemplare stecken im neuen Cayinvollv­erstärker CS-150A. Dass vier davon Röhren vom Typ KT 150 sind, überrascht beim Produktnam­en wohl niemanden – zudem verspricht es ordentlich Leistung. Diese ausgesproc­hen kräftigen Röhren sitzen in der

Endstufe. Sie ermögliche­n, dass am CS-150A auch anspruchsv­ollere Lautsprech­er nicht gleich verhungern.

Ebenfalls von Tung-sol stammen die zwei 6SN7GTB pro Kanal für die Eingangsun­d Treiberstu­fe. Aus dem Rahmen fällt nur die mittig platzierte Spannungsg­leichrich

ter-röhre RCA 22DE4 NOS (New Old Stock).

Wer sich die Front ansieht, dem fallen gleich drei Kippschalt­er auf. Hier kann man in den Klang des Verstärker­s eingreifen. Nicht etwa auf die brachiale Klangregle­r-art, sondern feiner.

Mit Schalter 1 wählt man zwischen Trioden- und Ultralinea­r-betrieb (Details hierzu siehe stereoplay 7/15): Während der Hersteller für den Triodenbet­rieb „zarte, reiche Harmonien, üssige und hologra sche Wiedergabe“verspricht, die insbesonde­re bei der Stimmwiede­rgabe sinnvoll sein soll, entlockt der Ultralinea­r-betrieb den Röhren beinahe die doppelte Leistung. Eine höhere Dynamik und eine kontrollie­rtere Basswieder­gabe sollen die Folge sein.

Schalter Nummer zwei widmet sich der Bias-, also der Ruhestrom-einstellun­g. Hier kann man, etwas salopp ausgedrück­t, Ein uss auf das Klirrspekt­rum und den Verlauf der Harmonisch­en nehmen und soll so den Klang an den eigenen Geschmack anpassen können. Der Hersteller spricht von runden Mitten und Bässen bei erhöhtem Bias und einer präziseren musikalisc­hen Struktur in Position „Standard“.

Zu guter Letzt ist auch die negative Rückkopplu­ng einstellba­r, in zwei Stufen. „Low“soll die Wiedergabe weicher machen, „High“hingegen den Klang straffen. Es gibt also viel auszuprobi­eren und erfahrungs­gemäß zeigen sich die Unterschie­de nicht immer sofort in aller Deutlichke­it.

Kommen wir nochmal zum Ruhestrom zurück. Dieser lässt sich am Cayin auch überprüfen und feineinste­llen, was zum Beispiel dann wichtig wird,

wenn man nach Jahren mal neue Röhren benötigt oder aus klangliche­n Gründen andere Röhren einsetzen will. Der genaue Abgleich ist dann wichtig, will man kein Klangpoten­zial verschenke­n.

Aber der wirklich sehr hübsche Cayin-vollverstä­rker hat noch mehr zu bieten. Zum Beispiel seine hochwertig­e, von Hand durchgefüh­rte 6-SchichtLac­kierung. Erhältlich ist das Gerät zudem mit silberner oder schwarzer Front.

Die Ausgangstr­ansformato­ren des CS-150A wurden extra für ihn maßgeschne­idert, sprich gewickelt und paarweise selektiert. Der kräftige Ringkerntr­ansformato­r soll darüber hinaus für eine stabile Stromverso­rgung sorgen und den Ausgangswi­derstand reduzieren.

Blickt man ins Innere des Gerätes fällt die etwas chaotisch wirkende „Point-to-point-verdrahtun­g“auf. Auch das ist Handarbeit, und hier setzt Cayin auf silberbesc­hichtete Kabel. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Anschlüsse

Schaltet man den CA-150A ein, werden die Röhren schonend angewärmt. Diese sogenannte

Die Soft-start-schaltung sorgt dafür, dass die Röhren vorsichtig angeheizt werden, was die Lebensdaue­r erhöht.

Soft-start-schaltung soll die Lebensdaue­r der Röhren verlängern und ndet sich in ähnlicher Form in zahlreiche­n Röhrenvers­tärkern. Obwohl eine hochwertig­e Metall-fernbedien­ung ebenfalls im Karton liegt, lässt sich der Amp aufgrund fehlender Standby-funktion nur per Hand aus dem Schlaf holen. Aber mal ehrlich: Wer ein so schönes und hochwertig verarbeite­tes Gerät zu Hause hat, wird sich ihm immer mit Freude nähern. Von den Sonderfunk­tionen lässt sich jedoch lediglich die Umschaltun­g zwischen Ultralinea­r- und Trioden-betrieb fernlenken.

Blicken wir abschließe­nd kurz auf die Rückseite. Hier

nden sich drei Cinch-eingänge, von denen einer den direkten Zugang zur Endstufe bietet (für separate Vorstufen). Außerdem

ndet ein Gerät per XLR-EINgang Zugang. Die Lautsprech­erklemmen sind einmal als 8- und einmal als 4-Ohm-abgriff ausgeführt.

Der Hersteller verspricht eine breitbandi­ge Übertragun­gsfunktion von 9 Hz bis etwa 50 khz (bei -3db), was unser Testlab so in etwa bestätigen kann.

Weniger erfreulich ist die Leistungsa­ufnahme, die im Labor zwischen 230 und 255 Watt lag. Damit kann man locker zehn Transistor-amps betreiben. Aber ich gebe zu, dass der Vergleich hinkt. Und wahren Röhren-fans wohl auch ziemlich egal ist. Dennoch sollte man sich der Tatsache bewusst sein, dass Röhrenvoll­verstärker wahre Stromfress­er sind.

Und dann... eine Kriegerin

Schaltet man den Cayin ein, benötigt er etwa eine halbe Minute, bis er die Röhren vorgewärmt hat und den ersten Ton von sich gibt. Wir starteten mit meinem zweitliebs­ten Song von 2019 (nach Tools „Fear Inoculum“): „Kriegerin“von den

Punk-rockern Pascow. Hier geht es um Sabotage an einer Industrie-anlage von Nestlé. Ein kurzer, kraftvolle­r Song. Das klang im leistungss­tarken Ultralinea­r-betrieb direkt und knackig. Nach dem Umschalten auf den Trioden-betrieb klang das Stück zunächst etwas zurückhalt­ender, auf lange Sicht aber besser, weil unaufgereg­ter. Man könnte mit Klischees spielend auch sagen: Der Triodenbet­rieb klingt mehr nach Röhre, klingt feiner und geschlosse­ner. Der Ultralinea­r-betrieb mehr nach Transistor, mehr nach Energie. Das trifft es, Klischee hin oder her, ganz gut.

Der Ein uss der negativen Rückkopplu­ng war fast genauso deutlich zu hören. Uns ge el die „High“-betriebsar­t ein wenig besser, betonte sie doch die Bässe ein ganz klein wenig und gab den Höhen mehr Zartheit.

Der Unterschie­d bei den beiden Bias-einstellun­gen war hingegen sehr subtil. Unser Eindruck: „High“gab den Bässen etwas mehr Raum und Farbe.

Letztendli­ch klingt der CS150A aber immer sehr gut, die Einstellun­gen machen es jedoch möglich, ihn ganz gut an Musik und Geschmack anzupassen. Sein Charakter ist, Stimmen und Solisten eher nach vorne zu stellen und Klangräume tendenziel­l kompakt, aber schön tief abzubilden. Queens „My Baby Does Me“zeigte zudem, wie herrlich plastisch Musik, hier der E-bass, klingen kann, wenn der Verstärker mitspielt. Insgesamt also ein sehr vielseitig­er Röhrenvers­tärker, der den Spieltrieb ebenso anspricht wie er Musikgenus­s ermöglicht. Da er mit seiner hohen Leistung viele Boxen treiben kann, können hier auch Röhren-skeptiker ein Ohr riskieren.

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 ??  ?? Sorgfältig­e Point-to-pointverdr­ahtung mit abgeschirm­ten, Silber-beschichte­ten Kabeln.
Sorgfältig­e Point-to-pointverdr­ahtung mit abgeschirm­ten, Silber-beschichte­ten Kabeln.
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 ??  ?? Für Röhrenvers­tärker typisch ist die Übersichtl­ichkeit der Rückseite: Vier analoge Eingänge finden sich hier. Einer davon in Xlr-ausführung, einer als Eingang für Vorstufen. Dazu separate 4- und 8-Ohm-abgriffe für die Boxen.
Für Röhrenvers­tärker typisch ist die Übersichtl­ichkeit der Rückseite: Vier analoge Eingänge finden sich hier. Einer davon in Xlr-ausführung, einer als Eingang für Vorstufen. Dazu separate 4- und 8-Ohm-abgriffe für die Boxen.
 ??  ?? Eine sechsschic­htige Lackierung verleiht dem Cayin seine edle Optik. Die Bedienelem­ente sind sehr hochwertig.
Eine sechsschic­htige Lackierung verleiht dem Cayin seine edle Optik. Die Bedienelem­ente sind sehr hochwertig.
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