Cayin CS-150A
So viel werden für den Betrieb des neuen Cayin-röhrenverstärkers fällig. Das erscheint wenig, ist aber gemessen an Transistorverstärkern viel. Doch haben diese auch so einen herrlichen Charme zu bieten?
Tung-sol – für Röhren-fans ein klangvoller Name. Gegründet wurde die kleine Firma 1907 in New Jersey, USA. Lange stand sie im Ruf, ganz hervorragende Röhren, gerade auch für den Hifi-einsatz, zu bauen. Und obwohl die Firma längst zum Konzern ElectroHarmonix/new Sensor Corporation gehört, einer weiteren amerikanischen Company, fertigt sie immer noch gut beleumundete Röhren. Allerdings nicht in den USA, sondern bereits seit Ende der 1920er-jahre in der ehemaligen Fertigungsstätte von Expopul/sovtek in der Universitätsstadt Saratow in Russland.
Reichlich Leistung
Gleich acht Tung-sol-exemplare stecken im neuen Cayinvollverstärker CS-150A. Dass vier davon Röhren vom Typ KT 150 sind, überrascht beim Produktnamen wohl niemanden – zudem verspricht es ordentlich Leistung. Diese ausgesprochen kräftigen Röhren sitzen in der
Endstufe. Sie ermöglichen, dass am CS-150A auch anspruchsvollere Lautsprecher nicht gleich verhungern.
Ebenfalls von Tung-sol stammen die zwei 6SN7GTB pro Kanal für die Eingangsund Treiberstufe. Aus dem Rahmen fällt nur die mittig platzierte Spannungsgleichrich
ter-röhre RCA 22DE4 NOS (New Old Stock).
Wer sich die Front ansieht, dem fallen gleich drei Kippschalter auf. Hier kann man in den Klang des Verstärkers eingreifen. Nicht etwa auf die brachiale Klangregler-art, sondern feiner.
Mit Schalter 1 wählt man zwischen Trioden- und Ultralinear-betrieb (Details hierzu siehe stereoplay 7/15): Während der Hersteller für den Triodenbetrieb „zarte, reiche Harmonien, üssige und hologra sche Wiedergabe“verspricht, die insbesondere bei der Stimmwiedergabe sinnvoll sein soll, entlockt der Ultralinear-betrieb den Röhren beinahe die doppelte Leistung. Eine höhere Dynamik und eine kontrolliertere Basswiedergabe sollen die Folge sein.
Schalter Nummer zwei widmet sich der Bias-, also der Ruhestrom-einstellung. Hier kann man, etwas salopp ausgedrückt, Ein uss auf das Klirrspektrum und den Verlauf der Harmonischen nehmen und soll so den Klang an den eigenen Geschmack anpassen können. Der Hersteller spricht von runden Mitten und Bässen bei erhöhtem Bias und einer präziseren musikalischen Struktur in Position „Standard“.
Zu guter Letzt ist auch die negative Rückkopplung einstellbar, in zwei Stufen. „Low“soll die Wiedergabe weicher machen, „High“hingegen den Klang straffen. Es gibt also viel auszuprobieren und erfahrungsgemäß zeigen sich die Unterschiede nicht immer sofort in aller Deutlichkeit.
Kommen wir nochmal zum Ruhestrom zurück. Dieser lässt sich am Cayin auch überprüfen und feineinstellen, was zum Beispiel dann wichtig wird,
wenn man nach Jahren mal neue Röhren benötigt oder aus klanglichen Gründen andere Röhren einsetzen will. Der genaue Abgleich ist dann wichtig, will man kein Klangpotenzial verschenken.
Aber der wirklich sehr hübsche Cayin-vollverstärker hat noch mehr zu bieten. Zum Beispiel seine hochwertige, von Hand durchgeführte 6-SchichtLackierung. Erhältlich ist das Gerät zudem mit silberner oder schwarzer Front.
Die Ausgangstransformatoren des CS-150A wurden extra für ihn maßgeschneidert, sprich gewickelt und paarweise selektiert. Der kräftige Ringkerntransformator soll darüber hinaus für eine stabile Stromversorgung sorgen und den Ausgangswiderstand reduzieren.
Blickt man ins Innere des Gerätes fällt die etwas chaotisch wirkende „Point-to-point-verdrahtung“auf. Auch das ist Handarbeit, und hier setzt Cayin auf silberbeschichtete Kabel. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Anschlüsse
Schaltet man den CA-150A ein, werden die Röhren schonend angewärmt. Diese sogenannte
Die Soft-start-schaltung sorgt dafür, dass die Röhren vorsichtig angeheizt werden, was die Lebensdauer erhöht.
Soft-start-schaltung soll die Lebensdauer der Röhren verlängern und ndet sich in ähnlicher Form in zahlreichen Röhrenverstärkern. Obwohl eine hochwertige Metall-fernbedienung ebenfalls im Karton liegt, lässt sich der Amp aufgrund fehlender Standby-funktion nur per Hand aus dem Schlaf holen. Aber mal ehrlich: Wer ein so schönes und hochwertig verarbeitetes Gerät zu Hause hat, wird sich ihm immer mit Freude nähern. Von den Sonderfunktionen lässt sich jedoch lediglich die Umschaltung zwischen Ultralinear- und Trioden-betrieb fernlenken.
Blicken wir abschließend kurz auf die Rückseite. Hier
nden sich drei Cinch-eingänge, von denen einer den direkten Zugang zur Endstufe bietet (für separate Vorstufen). Außerdem
ndet ein Gerät per XLR-EINgang Zugang. Die Lautsprecherklemmen sind einmal als 8- und einmal als 4-Ohm-abgriff ausgeführt.
Der Hersteller verspricht eine breitbandige Übertragungsfunktion von 9 Hz bis etwa 50 khz (bei -3db), was unser Testlab so in etwa bestätigen kann.
Weniger erfreulich ist die Leistungsaufnahme, die im Labor zwischen 230 und 255 Watt lag. Damit kann man locker zehn Transistor-amps betreiben. Aber ich gebe zu, dass der Vergleich hinkt. Und wahren Röhren-fans wohl auch ziemlich egal ist. Dennoch sollte man sich der Tatsache bewusst sein, dass Röhrenvollverstärker wahre Stromfresser sind.
Und dann... eine Kriegerin
Schaltet man den Cayin ein, benötigt er etwa eine halbe Minute, bis er die Röhren vorgewärmt hat und den ersten Ton von sich gibt. Wir starteten mit meinem zweitliebsten Song von 2019 (nach Tools „Fear Inoculum“): „Kriegerin“von den
Punk-rockern Pascow. Hier geht es um Sabotage an einer Industrie-anlage von Nestlé. Ein kurzer, kraftvoller Song. Das klang im leistungsstarken Ultralinear-betrieb direkt und knackig. Nach dem Umschalten auf den Trioden-betrieb klang das Stück zunächst etwas zurückhaltender, auf lange Sicht aber besser, weil unaufgeregter. Man könnte mit Klischees spielend auch sagen: Der Triodenbetrieb klingt mehr nach Röhre, klingt feiner und geschlossener. Der Ultralinear-betrieb mehr nach Transistor, mehr nach Energie. Das trifft es, Klischee hin oder her, ganz gut.
Der Ein uss der negativen Rückkopplung war fast genauso deutlich zu hören. Uns ge el die „High“-betriebsart ein wenig besser, betonte sie doch die Bässe ein ganz klein wenig und gab den Höhen mehr Zartheit.
Der Unterschied bei den beiden Bias-einstellungen war hingegen sehr subtil. Unser Eindruck: „High“gab den Bässen etwas mehr Raum und Farbe.
Letztendlich klingt der CS150A aber immer sehr gut, die Einstellungen machen es jedoch möglich, ihn ganz gut an Musik und Geschmack anzupassen. Sein Charakter ist, Stimmen und Solisten eher nach vorne zu stellen und Klangräume tendenziell kompakt, aber schön tief abzubilden. Queens „My Baby Does Me“zeigte zudem, wie herrlich plastisch Musik, hier der E-bass, klingen kann, wenn der Verstärker mitspielt. Insgesamt also ein sehr vielseitiger Röhrenverstärker, der den Spieltrieb ebenso anspricht wie er Musikgenuss ermöglicht. Da er mit seiner hohen Leistung viele Boxen treiben kann, können hier auch Röhren-skeptiker ein Ohr riskieren.