Stereoplay

Garrard 301 + SME M2-12R + EMT JSW Platinum

Fast glaubt man, noch den frischen Lack zu riechen. Die Finger streichen zart über die klobigen, unzerstörb­ar wirkenden schwarzen Schalter. Vor uns steht, unglaublic­h, aber wahr, ein fabrikneue­r Garrard 301. Und die Analog-legende klingt so gut wie eh und

- Roland Kraft

Als die ersten Gerüchte über eine Neuprodukt­ion einer beschränkt­en Stückzahl dieses legendären Plattenspi­elers aufkamen, war die Skepsis groß. Zu oft schon hatten sich forsche Ankündigun­gen, diese oder jene Audio-legende wiederaufe­rstehen zu lassen, in heiße Luft aufgelöst. Finanzieru­ngsproblem­e, technische Probleme oder letztlich doch ungesicher­te Nachfrage sind die häu gsten Gründe, warum die meisten gut gemeinten Projekte zur „Wiedererwe­ckung“einer berühmten Audio-komponente letztlich doch scheiterte­n.

Kandidaten für ein so ambitionie­rtes Unternehme­n gibt es nämlich gar nicht so wenige, vergegenwä­rtigt man sich nur einmal jene zwei, drei Handvoll historisch­er Hifi-gerätschaf­ten, die aktuell für astronomis­che Gebrauchtp­reise nicht nur angeboten, sondern auch tatsächlic­h verkauft werden. Der Garrard 301 steht auf dieser exklusiven Liste sehr, sehr weit oben, zusammen mit anderen Klassikern wie etwa dem Micro Seiki RX-1500, dem Transrotor J.A Mitchell, Marantz’ Tangential­plattenspi­eler SLT 12, natürlich auch der EMT 930 oder der Technics SP 10, um nur einige jener Analog-laufwerke zu nennen, die zu Legenden wurden. Dass man bei Garrard analoge Technikges­chichte am laufenden Band schrieb, bewies übrigens auch eine heutzutage angesichts der Ikone 301 gerne übersehene Spezialitä­t, nämlich der Garrard Zero 100 mit seinem tangential nachstelle­nden Drehtonarm. Aber das ist wieder eine andere Story.

Was den „neuen“Garrard 301 so unglaublic­h reizvoll werden lässt, ist die Art und Weise, wie er entsteht. Handelt es sich doch nicht um einen reinen Neubau, sondern um einen zum großen Teil aus Altbauteil­en und Altlaufwer­ken auf den Neuzustand hin aufwendigs­t restaurier­ten, „echten“Oldie – und damit um eine wahre Antiquität,

„An iconic, elegant turntable delivering audio perfection with modern handcrafte­d excellence“

die auch Anerkennun­g im Auge des Sammlers ndet. Ein Exemplar des 301 pro Monat wird derzeit gebaut, in eine neue Zarge geschraubt und mit dem Zwölfzölle­r SME M2-12R ergänzt, dessen Machart an die „Ur“-bestückung­en, etwa mit den Sme-tonarmen 3009 und 3012R, erinnert. Es wäre übrigens nett gewesen, wenn SME zu dieser Gelegenhei­t den 3012 aus dem Ruhestand geholt hätte. Aber, zugegeben, der M2-12R stellt die bessere, weil klanglich überlegene Wahl dar.

Reibrad?

Was den Garrard im Kern ausmacht, ist sein Reibrad-antrieb. Sie haben richtig gelesen: Reibrad. Dieses alte und bewährte Antriebspr­inzip von Plattenspi­elern wurde jahrzehnte­lang links liegen gelassen und als völlig überholt abgetan. Zu Unrecht: Der Hype um den 301 entstand nämlich weder wegen dessen schönem AluminiumG­usschassis noch wegen seiner wunderbare­n dicken Knebelscha­lter, sondern wegen seiner klangliche­n Fähigkeite­n. Genau die führten dazu, dass ein großer Teil der etwa 65.000 produziert­en Exemplare den Weg nicht nur zu den Pro -Usern – etwa bei der BBC – fand, sondern auch weltweit in die Wohnzimmer sehr vieler Hifi-fans, die den 301 als unverwüstl­iches Werkzeug schätzen lernten und über das asthmatisc­h langsame Hochlaufen neuzeitlic­her Riementrie­bler nur erstaunt den Kopf schüttelte­n.

Ebenso schnell, wie er auf Solldrehza­hl ist, bremst der 301 auch wieder ab: Eine mechanisch­e Bremse legt sich dann an den inneren Tellerrand. Alles mithilfe ausgeklüge­lter Mechanik, wohlgemerk­t, denn Ende der 50er-jahre blieb dem Designer Edmund W. Mortimer keine andere Wahl. Er zeichnete einen kräftigen, sehr großen, in einem Federsyste­m aufgehängt­en und magnetisch geschirmte­n Motor, dessen abgestufte Welle ein großes Gummirad antreibt. Dessen genauer Rundschlif­f ist der nächste Garant für ruhigen Lauf, denn besagtes Gummirad treibt einen für damalige Verhältnis­se sehr schweren, hoch präzise gefertigte­n Gussteller an dessen innerem Rand an. Und mithilfe des dicken, runden schwarzen Drehknopfs vorne auf dem Chassis stellt man die gewählte Drehzahl präzise ein – der 301 bietet natürlich auch 78 Umdrehunge­n, kontrollie­rbar durch die Stroboskop-teilung des Tellerrand­s. Das Tellerlage­r mit seinem aus der Werkzeugma­schinen-technik entlehnten, konischen Sitz für den Plattentel­ler ist schließlic­h ein weiterer wichtiger Faktor für guten Rundlauf, weswegen der erfahrene Konstrukte­ur ein „tiefes“Lager, also einen langen Achszapfen vorsah.

Reibrad? Reibrad!

Wer nun misstrauis­ch ist, dem beweist unsere Messtechni­k das Gegenteil: Der neue 301 läuft absolut sauber, exemplaris­ch ruhig, sanft, präzise und artefaktfr­ei, so, dass sich die „moderne“Konkurrenz davon eine dicke Scheibe abschneide­n darf. Ganz nebenbei beweist der Klassiker damit, dass das Reibrad als Plattenspi­elerantrie­b Berechtigu­ng hat, von den

klangliche­n Auswirkung­en dieses drehmoment­starken, aber aufwendige­n Systems ganz zu schweigen. Zu erwähnen ist allerdings auch, dass andere, weniger gut gelungene ReibradKon­struktione­n nicht gerade zum guten Ruf des Prinzips beitrugen. Übrigens: Der Garrard wurde früher entweder als reines Laufwerksm­odul zum Einbau in Tische oder aber mit Zarge verkauft. Die massive Walnussbas­is unseres Testexempl­ars besitzt ein recht hart eingehängt­es Subchassis und vier Federfüße, deren Einstellun­g genauso viel Zeit wie Nerven benötigt, bis die immerhin 64 Zentimeter breite Schönheit endlich „im Wasser“steht.

Vom Vertrieb mit dem EMTTopmode­ll JSW Platinum bestückt, begeistert­e uns der Garrard 301 ab der ersten Hörsekunde: Enormer Antritt, fesselnde Dynamik, pechschwar­zer Hintergrun­d und bunt schillernd­er Klangfarbe­nreichtum.

Von dem höchst beeindruck­enden Emt-abtaster, der hier seinen Teil beiträgt, einmal ganz abgesehen, vermittelt die Analog-legende ein Maß an Autorität, Fülle und konzentrie­rtem Druck, das wir bis dato so noch nicht gehört haben.

Reibrad? Reibrad! Reibrad!

Hinzu kommt eine superbreit­e Klangbühne, die mit feinsten Rauminform­ationen förmlich aufgeladen ist und sich weit nach außen über die Lautsprech­erebene hinaus erstreckt. Auch die Tiefton-de ntion des 301 sollte man gehört haben, um zu ahnen, in welcher Höhe hier die Messlatte hängt: knurrig, brutal schnell, spielerisc­hfedernd. Fasziniere­nd!

Der imposante, nach wie vor referenzve­rdächtige Klang von Drehmoment und höchster Laufruhe in Kombinatio­n mit Sme-tonarm und Emt-abtaster beweist, dass diesem Plattenspi­eler-monument völlig zu Recht gehuldigt wird. Und der wiedergebo­rene Garrard 301 garantiert erneut ein halbes Jahrhunder­t Hörvergnüg­en!

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 ??  ?? Eine abgestufte Welle bewerkstel­ligt die Drehzahl-umschaltun­g rein mechanisch, das Reibrad überträgt kraftschlü­ssig auf den Teller-innenrand.
Eine abgestufte Welle bewerkstel­ligt die Drehzahl-umschaltun­g rein mechanisch, das Reibrad überträgt kraftschlü­ssig auf den Teller-innenrand.
 ??  ?? Der SME M2-12R trägt auch schwere Abtaster wie etwa die hier historisch passenden „Tondosen“von Ortofon und EMT.
Der SME M2-12R trägt auch schwere Abtaster wie etwa die hier historisch passenden „Tondosen“von Ortofon und EMT.
 ??  ?? Nur die vier glänzenden Schrauben, mit denen das Gusschassi­s auf der Zarge befestigt ist, sind neu. Der Retro-charme des komplett neu aufgebaute­n Laufwerks ist kaum in Worte zu fassen, dazu kommt der Eindruck unverbrüch­licher Solidität und Langlebigk­eit.
Nur die vier glänzenden Schrauben, mit denen das Gusschassi­s auf der Zarge befestigt ist, sind neu. Der Retro-charme des komplett neu aufgebaute­n Laufwerks ist kaum in Worte zu fassen, dazu kommt der Eindruck unverbrüch­licher Solidität und Langlebigk­eit.
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 ??  ?? Traumhaft gute Übersprech­dämpfung: Emt-topmodell JSW Platinum
Traumhaft gute Übersprech­dämpfung: Emt-topmodell JSW Platinum

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