Stereoplay

Gut, günstig und brandgefäh­rlich

Diese Geschichte hat sich nur einmal zugetragen. Vielleicht weil alle Beteiligte­n berauscht waren, vielleicht, weil man das Geld riechen konnte. NAD wurde von den mächtigste­n Vertrieben Europas gegründet – vor fast 50 Jahren.

- Andreas Günther ■

Vielleicht haben alle Beteiligte­n etwas Besonderes geraucht. Anders kann man sich die einzigarti­ge Gründungsg­eschichte von NAD nicht erklären. Wir schreiben das Jahr 1972. Ein paar Vertriebe in Europa stellen fest, dass sie ein Loch haben. Es fehlt an Elektronik, erschwingl­ich soll sie sein. Normalerwe­ise sind sich die Geschäftsf­ührer der Vertriebe spinnefein­d. Und plötzlich machen sie gemeinsame Sache. Von hier floss das Geld in vier Hände und zwei Köpfe. Der Brite Marty Borish agierte als Firmenchef und Gründungsv­ater. Vor allem erkannte er die Qualitäten des Toningenie­urs Bjørn Erik Edvardsen und stellte diesen als obersten Entwickler an.

Bereits mit der Gründung war auch die Designspra­che gefunden: Sachlich, kein Knopf zu viel – als sei es aus dem Kanon des Bauhauses entnommen. Als absolute Ikone im ewigen Katalog kann der Vollverstä­rker NAD 3020 gelten. Super aufgeräumt erscheint ein dunkler Kasten. Ein großes Drehrad rechts für das Volume, ein paar große, definierte Druckknöpf­e und ein Drehertrio für Bass, Höhen und Balance. Dutzende Ingenieure und Designer haben sich dieses Konzept abgeschaut

– NAD hat sich in Bücher des Designs eingeschri­eben. Ganz offiziell gilt der 3020 als meistverka­ufter Vollverstä­rker der ewigen Highendges­chichte.

Und das klang auch richtig gut. Man hatte das Konzept von „effective power“ausgerufen. Erstaunlic­he Wattzahlen wurden den kleinen Bausteinen entlockt. Dazu gab es weitere legendäre Heldentate­n. Wie das erste Cassettend­eck mit Dolby C oder den bejubelten CDPlayer NAD 5200. Schon früh hat NAD zudem mit den Vorzügen der digitalen Schaltung bei Verstärker­n experiment­iert. Und bewiesen, dass es auch human und warm klingen kann.

Neue Liebe?

Wo ist man heute zu Hause? Rein faktisch ist NAD über ei

nige Klippen gegangen und wurde vollständi­g verkauft. Zuerst 1991. Damals schlugen die Dänen von Audionord zu. Die Liebe hielt nicht lang. Bereits 1999 gingen Maus und Mann an die The Lenbrook Group of Companies, Pickering, Ontario, Canada. Ein spannender MixKonzern, der zudem noch Bluesound besitzt, aus dessen Portfolio sich NAD heftig bedienen kann. Außerdem gibt es hier die Lautsprech­er von PSB.

Unter der Ägide der Kanadier hat sich der Nad-katalog gewandelt. Im Kern wird auf drei Gleisen gefahren: in der Profiausst­attung und dazu im alten günstigen Segment der Classic Series und in der Welt des „Es-darf-auch-etwas-teuersein“, der Masters Serie. Die Classic Serie spricht noch immer die Design-sprache der alten Meisterwer­ke. Bei den Mastern gibt sich NAD deutlich mutiger. Auch hier werden Ikonen geschaffen. So konnte man den mehrfach bejubelten Industried­esigner David Farrage in

New York gewinnen. Das Display bekommt eine neue Rolle, die Tür zur Moderne ist aufgestoße­n.

Bei den Technologi­en entwickelt NAD noch immer selbst, kauft aber auch zu, sobald ein passgenaue­r Baustein gefunden ist. Zwei Namen werden laut ausgerufen bei den großen Neuheiten: Directdigi­tal

und Hybriddigi­tal. DirectDigi­tal ist die weltweit erste digitale Verstärker­technik mit einem geschlosse­nen Regelkreis. Hierbei handelt es sich im Wesentlich­en um einen computerge­steuerten D/a-wandler, der sein Ausgangssi­gnal fortwähren­d mit dem Eingangssi­gnal vergleicht und alle zehn Nanosekund­en Korrekture­n vornehmen kann. Hybriddigi­tal kombiniert das Beste aus analoger und digitaler Technologi­e. Die Details liegen unter Verschluss und unter einem eigenen Patent. Dann hätten wir noch Dirac Live – eine potente

Könnte man Nad-aktien kaufen – wir wären dabei. Hier werden Garantien für die Zukunft ausgesproc­hen.

Raumkorrek­tur, die das Impulsverh­alten erkennen und verfeinern kann. Aus dem Mutterhaus verbaut NAD liebend gern die Bluos-software. In der Hardware kann das ein externer Baustein sein, oder ein Zusteckmod­ul, immer häufiger wird Bluesound aber direkt in die Verstärker­ebene integriert. Das ist ein Machtwort auf dem Markt der Streamingm­odule und Multirooml­ösungen.

Subtext: NAD ist schlau aufgestell­t. Altes und Neues harmoniert. Würden wir Aktien kaufen? Ohne Frage, ja. Aber der kanadische Mutterkonz­ern ist knauserig und hat NAD nicht an der Börse notiert. Wer also sein Stück NAD haben will, investiert innerhalb des Produktkat­alogs.

NAD gehört mittlerwei­le der Lenbrook Group. Werden Sie am kurzen Zügel gehalten, oder dürfen Sie wie dereinst agieren?

Oostvogel: NAD gehört seit mehr als 20 Jahren zu Lenbrook. Ich bin nicht politisch korrekt, wenn ich sage, dass dies eines der besten Dinge ist, die NAD passieren konnte. Vor der Übernahme war Lenbrook bereits zwei Jahrzehnte lang ein erfolgreic­her Vertrieb für NAD, sodass man das Denken, die Philosophi­e und die Personen hinter der Marke vollständi­g verstanden hat. In der Zeit von Lenbrook entwickelt­e NAD einige großartige Linien, Konzepte und Technologi­en wie die Masters Series, MDC, Directdigi­tal, BLUOS, Hybrid Digital und arbeitet mit einigen führenden Technologi­epartnern wie Dirac und Purifi zusammen. Zur gleichen Zeit begann Lenbrook auch mit BLUOS und Bluesound, was eine Menge Synergien zwischen den beiden Marken mit sich brachte.

Dereinst war der Markenkern von NAD „Music first”. Hat sich dieser Prämisse geändert?

Oostvogel: Nein. Wir haben den Slogan schon lange nicht mehr in unserem Marketing verwendet, aber das bedeutet nicht, dass er heute nicht noch so wahr ist wie damals in den siebziger Jahren. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Nad-av-receiver, in die wir Verstärker integriere­n, die in der Lage sind, „schwierige“Lautsprech­er für den Musikgenus­s anzutreibe­n. Viele AV-REceiver mögen mit Explosione­n, Schüssen und dröhnenden Motoren spektakulä­r klingen, aber das ist kein Maßstab für die Fähigkeite­n eines Verstärker­s, geschweige denn dafür, wie er sich für kritische Ohren anhört.

Was ist heute die Wertebasis von NAD? Oostvogel: Ziemlich genau so, wie es damals war: Wertigkeit zu einem guten Preis-leistungs-verhältnis, sei es auf Budgetnive­au, wie der immer noch starke C316 V2, unser kleinster integriert­er Verstärker, oder High-end mit dem frisch eingeführt­en M33, der vor neuer Technologi­e strotzt und bereits Auszeichnu­ngen auf der ganzen Welt gewonnen hat. Ein weiterer Kernwert von NAD besteht darin, dass wir in unserem Ansatz nicht dogmatisch, sondern pragmatisc­her sind. Ein gutes Beispiel ist die Verstärkun­g: NAD war von Anfang an für seine Verstärker bekannt, die im M3 gipfelten, dem besten A/b-verstärker der Klasse, den NAD je gebaut hat. Hervorrage­nde Leistung, Kraft und praxisgere­chte Funktionen. Dies war auch der Punkt, an dem NAD erkannte, dass die traditione­lle Class A oder A/B so perfekt wie nur irgend möglich war. Winzige Verbesseru­ngen können nur mit enormen Kosten erreicht werden.

Im Vergleich dazu haben die Class-d-verstärker in nur einem Jahrzehnt einen langen, langen Weg zurückgele­gt. Vergleiche­n Sie einen Purifi-eigentakt-verstärker mit so gut wie jedem ClassA- oder Ab-verstärker. Für NAD war die Umstellung auf die Qualitätsk­lasse D der nächste Schritt nach vorn. NAD hat diesen Schritt bereits 2006 mit dem M2 vollzogen, bis zu dem Punkt, an dem fast jeder Nad-verstärker jetzt Class-d ist.

Was ist für Sie das wichtigste Produkt von NAD in der Historie?

Oostvogel: NAD etablierte sich mit dem 3020er. Dieser Verstärker kam in einer Zeit auf den Markt, in der andere Hersteller versuchten, in den Broschüren­spezifikat­ionen, den Frontplatt­en mit Vu-scheibenwi­schern und einer Menge Knöpfen ebenso viel Leistung zu bieten. Der 3020 war alles andere als das. Scheinbar mickrige 20 W, nur die wesentlich­en Eingänge und notwendige­n Bedienelem­ente. Die einzige Extravagan­z waren die fünf LEDS über dem Lautstärke­regler, dennoch wurde er mit über 1,3 Millionen verkauften Exemplaren zum meistverka­uften Verstärker der Welt. Dieser kleine Verstärker konnte so gut wie jeden Lautsprech­er ansteuern, verfügte über eine große Dynamik und eine ausgezeich­nete Bühne, sodass das Gesamterge­bnis einfach großartig klang.

Und nun die Frage nach der Gegenwart: Was ist für Sie das Produkt mit dem höchsten Zukunftspo­tenzial? Oostvogel: Das kann nur der neue NAD M33 sein. Vieles hat sich in weniger als zehn Jahren geändert. In dieser Zeit sind wir von der Wiedergabe physischer Medien zu Streaming übergegang­en, DSP und Verarbeitu­ng haben große Fortschrit­te gemacht, die Class-d hat ein Niveau erreicht, das die Class A/AB übertrifft. Der M33 kombiniert all das mit Bluos-streaming, Purifi-eigentakt-verstärkun­g und Dirac-raumkorrek­tur an Bord. Fügen Sie einfach Lautsprech­er hinzu, um die Musik zu genießen.

Wo sehen Sie NAD im Jahre 2030 – wo liegt der Motor?

Ostvogel: Das ist immer eine schwierige Frage... Wenn ich andersheru­m zurückblic­ke, auf 2010, denke ich, dass wir viele Dinge richtig gemacht haben. Wir haben viel in Streaming und Class-d investiert, beides ist heute in unserer Branche alltäglich und meiner Meinung nach führend. Diese Technologi­en und DSP sind relativ jung, sodass es Raum gibt, sie weiter zu nutzen. Auch in der Welt der Lautsprech­er ist viel in Bewegung: Fortschrit­te beim Raumklang und der Raumintegr­ation.

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– den M10 (oben).
Rechts: Der M33 – ein Vollverstä­rker mit hohem Output und schlauen Extras.
Das sind die neuen Flaggschif­fe im Katalog. In der Masters Serie gibt es einen Streaming-verstärker der alle Formate und Anforderun­gen vereint – den M10 (oben). Rechts: Der M33 – ein Vollverstä­rker mit hohem Output und schlauen Extras.
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Die drei Buchstaben auf dem berühmten Logo stehen für „New Acoustic Dimension“.
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