Neues aus dem Interpretations-labor
Kurt Wagner ist eine singuläre Erscheinung. Einst aus der Country-szene von Nashville gekommen, hat er mit seinem Langzeit-projekt Lambchop verschiedenste Phasen durchlaufen, von der Big Band über das reduzierte Singer-songwriter-format bis hin zu einem elektronischen Act. Seine gestalterische Handschrift war trotz aller Experimente aber immer klar zu erkennen, und das trifft auch diesmal zu. „Trip“ist eine Sammlung von sechs Coverversionen, die Wagner auf Dimensionen ausbaut, die an die Cover-sinfonien eines Isaac Hayes erinnern. Jedes der sechs Mitglieder von Lambchop durfte sich ein Stück aussuchen, dem sich die Band dann ausführlich widmete. Doch die allgemein gebräuchlichevorstellung der friedlichen Übernahme eines Songs aus fremder Feder ist hier irreführend, da Wagner die Originale ähnlich wie einst Hayes seziert, dehnt, die dadurch entstehenden Lücken mit neuem Material füllt und etwas ganz Neues daraus macht. Etwas Anderes, das nur mit dem Namen Lambchop treffend beschrieben werden kann. Denn die Band geht tief in sich selbst hinein und bringt die Stille zum Schwingen. Airplay- oder gar streamingtauglich ist das so wohl nicht, aber das soll es vermutlich auch gar nicht sein. Individueller Ausdruck anstelle von Formatkompatibilität – das ist es, was man heute allzu oft vermissen muss. Lambchop hält dagegen. Im 13-minütigen Opener „Reservations“verschwindet der Sound immer wieder im Nichts, und der Song erscheint wie eine Hügelkette, deren Gipfel aus dichtem Nebel herausragen. Auf Autotune wird diesmal verzichtet, und das ist gut so. Dieses Tool hat auf die letzten beiden Alben gepasst, ist jetzt aber ausgereizt. Dezente Electronics werden aber beibehalten. Wagner und Co. besetzen auch soundtechnisch neue Felder, indem sie mit den Songs von Stevie Wonder, Michael Jackson oder Wilco gleichermaßen in dievergangenheit abdriften und in die Zukunft aufbrechen.