Innensichten
Als das Bandoneon sich mit Astor Piazzolla in der internationalen Musikwelt bemerkbar machte, galt Dino Saluzzi bald als die zweite Autorität des Instruments. Im Unterschied zu dem Star und Pionier der runderneuerten argentinischen Stadtfolklore, ließ er sich aber nur schwer auf eine musikalische Richtung festlegen.tango gehörte zwar zum Repertoire, ebenso aber der Einfluss ländlicher Musiken seiner Heimat, zeitgenössisch klassische Einflüsse und auch eine Prise Jazz, die sich
über verschiedene Elemente der Improvisation in seine Stücke einfügte.
In diesem Jahr nun feiert Dino Saluzzi seinen 85. Geburtstag und das ist für ihn ein Anlass, mit einem Album seine musikalische Welt, seine Entwicklungen, sein Leben zu reflektieren. „Albores“(dt. „Dämmerung“) wurde daher ein Solo-programm, nur der Meister und sein Bandoneon, das ihm mit dem vertrautenwechselspiel aus feingliedriger Leichtigkeit und verhaltenem Pathos folgt. Manchen Kompositionen ist wie „Adiós Maestro Kancheli“der Abschied schon in den Titel eingeschrieben, andere sind wie „Don Caye – Variaciones sobre obra de Cayetano Saluzzi“Verbeugungen vor dem Erbe des musikbegeisterten Vaters, der dem Sohn abseits der Urbanität die Liebe zur Kunst einimpfte.
Saluzzis Stücke sind Meditationen und Mäander, durchdrungen von einem ruhigen Atem der künstlerischen Übersicht, mit dem die Eminenz der stilübergreifenden Inspiration seine persönliche Vielfalt der Erfahrungen zu einem Skizzenbuch der Reflexionen zusammenführt. Es ist Musik, die von Freiheit im Geiste getragen wird, akustisch im Kammerklang, brillant in der Aufnahme bis in die zum Sound dazugehörenden mechanischen Details des Instruments und dessen Bewegung hinein. Am Horizont erscheint der Silberstrahl und der Künstler empfängt ihn mit dem Wohlwollen und gestalterischen Wissen einer lebenslang gewachsenen Passion.
ecm / universal (61:43)