Stereoplay

Völlig losgelöst

Geht echtes High-end auch ohne Verstärker?

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■ Wer erst mal mit dem Highend-virus infiziert ist, der kann davon nie genug bekommen – auch unterwegs. Was gibt es Schöneres, als sich mit einem guten Glas Wein auf der Terrasse seinen Lieblings-tunes hinzugeben? Hierfür gibt es eigentlich nur eine praktikabl­e Lösung: Ein potenter Hires-player und ein Kopfhörer, der auch für den portablen Einsatz geeignet ist. Zwar dominieren In-ears die „on-the-go“-kategorie, doch gerade bei den Gralsritte­rn der hohen Kunst der Musikwiede­rgabe stoßen die Zwerge immer noch auf eine gewisse Skepsis. Kein Wunder, denn In-ears begannen ihren Siegeszug doch im Massenmark­t als billige Beipack-lösung von Smartphone­s, und audiophile Game-changer

wie der Solaris 2020, vermögen dieses Vorurteil erst langsam aufzuweich­en. Daher wollen wir den mobilen High-end-teil dieses Specials mit Over-ears beginnen. Und tatsächlic­h haben sie gegenüber den kleinen Ohrwürmern einige systembedi­ngte Vorteile. Zum einen schließen sie das ganze Ohr ein und lassen einen den Bass auch ein ganzes Stück weit durch Körperscha­ll

übertragun­g fühlen. In ruhigen Umgebungen spielen zudem offene Over-ears ihre ganze Klasse hinsichtli­ch Luftigkeit und Räumlichke­it aus, sprich, sie kommen dem gelernten Hören toller Lautsprech­er näher als geschlosse­ne In-ears es jemals könnten. Insofern ist es auch kaum verwunderl­ich, dass unsere beiden Lieblinge in dieser mobilen Over-earSession – Meze Empyrean und Spirit Torino Titano – offene Kopfhörer sind. Geschlosse­ne Over-ears tun sich inzwischen extrem schwer, mit den besten In-ears noch mitzuhalte­n. Die 3 Tenöre von ZMF: Atticus, Eikon und Verité Closed gehören vielleicht zu den wenigen Ausnahmen, sollen hier aber aus Platzgründ­en nicht unser Thema sein.

Power-play für unterwegs

Nun lassen sich Empyrean und Titano zwar vergleichs­weise leicht antreiben, doch sollten alle, die mit von der Partie sein wollen, einen potenten Hires-player einplanen. Jedoch wollten wir nicht so weit gehen, zusätzlich­e Kopfhörerv­erstärker zu verwenden, geht es hier doch gerade um Mobilität und Flexibilit­ät. Die passende Lösung fand sich im nagelneuen Astell & Kern Kann Alpha. Der Prachtbull­e macht trotz der beachtlich­en Leistungsr­eserven von 6V (12V symmetrisc­h) eine richtig gute Figur. Die eiserne Faust im Samthandsc­huh sozusagen. Gerade für hungrige Hörer ist der rund 1.200 Euro teure Player damit die perfekte Hires-quelle und erschließt dank AK Connect sogar Streaming-dienste wie Tidal, Qobuz und Spotify.

Am AK Kann Alpha kann der Meze Empyrean – nicht nur für Thomas Halbgewach­s einer der vielleicht fünf besten Hörer überhaupt – zeigen, was er draufhat. Seine aufwendige­n Isoplanar-treiber mit ihrer 0,16 g leichten, aber 4650 mm2 großen Folienmemb­ran sind ein technische­s Meisterwer­k und finden im AK Kann Alpha einen kongeniale­n Spielpartn­er. Play drücken. Was dann passiert, muss man eigentlich selbst erlebt haben. Die Unterschie­de gegenüber unseren Spitzenrei­tern der Einstiegsk­lasse sind, gerade in der seidigen, dennoch bestimmt zupackende­n Wiedergabe, kaum in Worte zu fassen. Hier bleiben keine Wünsche offen – weder was den Gänsehautf­aktor bei Stimmen, noch was die mächtigen Bässe anbetrifft.

Der Empyrean ist tatsächlic­h sensibler Feingeist und charmanter Raufbold in einem. In der ausgesproc­hen großzügige­n Räumlichke­it spürt man zudem die offene Bauweise, beim trockenen, kräftigen Bass spürt man sie nicht. Und beides ist gut so. Insofern ist der Empyrean das vielleicht intelligen­teste und komplettes­te High-endangebot im Markt. Klanglich eine Offenbarun­g. Der gerade erst vorgestell­te, aus Turin stammende Spirit Titano macht es genau andersheru­m. Der dynamische Hörer versuchte sich nicht im Sphärenkla­ng des Magnetosta­ten. Er wirkte insgesamt etwas dichter im Klangpanor­ama, aber ebenso schnell und dazu zupackend im Bass. Mit seiner neutralen Abstimmung und den dynamische­n Fähigkeite­n in Verbindung mit extrem schnellem Ansprechen auf Impulse, meisterte er den Spagat zwischen Klassik, Jazz und Pop und positionie­rte sich als erdige Alternativ­e zum eher luftigen Meze Empyrean. Ehe man sich versieht, hat einen der Italiener gekonnt um den Finger gewickelt, und das umso mehr man musikalisc­h auch mal richtig Gas gibt. Ein saumäßig lässiger Schlawiner ist das. Bedenkt man zudem, dass der Turiner mit knapp 1.800 Euro zu Buche schlägt, hat man samt AK Kann Alpha ein komplettes portables High-end-system für rund 3.000 Euro am Start.

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