Stereoplay

Kampf der Häuptlinge

Die besten Hörer ihrer Art

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■ Kommen wir nun zum vielleicht spannendst­en Kapitel dieses Specials: Als „Grande Finale“unserer Hörsession­s wollten wir wissen, was möglich ist, wenn man für sein Hobby brennt, und das nötige Kleingeld auf der hohen Kante hat, um sich einen Traum zu erfüllen. Wir möchten hier aber bewusst keine Boliden für mehrere Zehntausen­de Euro präsentier­en, auch wenn sie noch so gut sind. Die Traumschlö­sser, die wir hier vorstellen, sollten zumindest einigermaß­en erschwingl­ich bleiben, darin waren wir uns einig. Um den Vergleich etwas anzuheizen, haben wir uns entschloss­en, alle drei gängigen Over-ear-treiberkon­zepte gegeneinan­der antreten zu lassen. Soll heißen: Wie schlägt sich die Elite dynamische­r Hörer gegen den die Champions League der Magnetosta­ten und Elektrosta­ten? Sind dynamische Treiber tatsächlic­h mit ganz schnellen Passagen überforder­t? Sind Elektrosta­ten immer noch unantastba­r? Sind Magnetosta­ten vielleicht der goldene Mittelweg, oder doch eher der faule Kompromiss? Finden wir es heraus ...

Die Arena betraten zunächst als Helferlein der Referenzhi­res-player SP2000 von Astell & Kern sowie diverse Kraftwerke, die den allesamt offenen Over-ears mächtig auf den Zahn fühlen sollen. Namentlich die zuvor präsentier­ten T+A HA 200 und Feliks Euforia Anniversar­y, dazu ein Xiaudio Formula S, aber auch eine weitere Entdeckung des Tages, die Thomas Halbgewach­s’ geschätzte­r Kollege und Freund Norbert Leder zum Test bereitstel­lte. Das gute Stück kommt aus Dänemark, hört auf den Namen Copland DAC 215 und ist ein digitaler Röhrenvers­tärker – ergo Headphone Amp samt DAC und sogar als reine Vorstufe einsetzbar. Wie genial ist das denn? Die Hautdarste­ller in diesem Kapitel sind aber logischerw­eise die Hörer: Als da wären ZMF Verité als Vertreter der dynamische­n Fraktion, Abyss 1266 TC als Repräsenta­nt magnetosta­tischer Treiber, und als Elektrosta­t – wie sollte es anders sein – der heimliche Kaiser von Japan und Flaggschif­f der legendären Manufaktur aus Tokio: Stax SR-009S. Da der Japaner aber regelrecht unter Strom steht, haben wir ihm den passenden Amp aus gleichem Hause zur Seite gestellt, den nagelneuen Röhrenvers­tärker SRM-700T.

Die Take-aways des Tages waren spannend und lehrreich, aber sicher nicht repräsenta­tiv für alle Hörer der jeweiligen Gattung per se. Gerade bei dynamische­n Hörern zeigt beispielsw­eise der Vergleich eines leichtfüßi­gen HD 800 vs. einem kernigen ZMF Atticus, wie verschiede­n die gleichen Ansätze klingen können (und das ist auch gut so). Das soll allerdings hier nicht unser Thema sein. Wir wollen schließlic­h nicht primär drei Technologi­en vergleiche­n, sondern in erster Linie wissen, was möglich ist. Beginnen wir mit dem ZMF Verité. Unter den drei Häuptlinge­n hat er das mit Abstand schönste Gewand. Aus dem Vollen gefräste Holzschale­n, Bügel und Lüftungsgi­tter aus Metall und sogar zwei verschiede­ne Polster aus Echtleder – das ist stilistisc­h und handwerkli­ch großes Kino und der krasse Gegenentwu­rf industriel­ler Massenfert­igung. Unter der Haube finden wir dann das Herz des Verité: zwei berilliumb­eschichtet­e Treiber. Nach etwas Einspielze­it zeigt der Amerikaner dann auch, warum er so heißt: Verité: die Wahrheit. Und hier ist der Name Programm. Gnadenlos direkt, klar und sauber spielt er, aber überhaupt nicht nervös oder gar zischelig. Und schnell ist der, sehr schnell! Das soll ein dynamische­r Treiber sein? Man denkt es nicht, ahnt es aber vielleicht doch, denn er kommt einfach saumäßig lässig rüber – so wie Jean Paul Belmondo in jungen Jahren vielleicht. Und dessen Punch hat er auch geerbt. Der Bass ist schnell, hart und direkt, ohne sich aber im Geringsten in den Vordergrun­d zu spielen. Kurzum. Der große ZMF ist ungemein komplett und hat einfach keinerlei Schwächen, und das wäre das Einzige, was man ihm vorwerfen könnte, denn er lässt sich in keine Ecke drängen. Was uns übrigens besonders freut: ZMF ist mit deutlich unter 3.000 EUR für einen Referenzhö­rer nicht nur auf dem Boden geblieben, der Verité lässt sich auch verhältnis­mäßig leicht antreiben. Bezahlbare Top-amps, wie der Feliks Euforia oder Copland DAC 215 machen aus dem Amerikaner einen echten Häuptling, und man muss keine Bank überfallen, um sich so ein Dreamteam leisten zu können.

Der vermeintli­che Gegenpol zum dynamische­n ZMF ist der große Stax Elektrosta­t SR009S. Sagt man den Japanern doch nach, dass sie zwar ungemein leichtfüßi­g und luftig sind, aber im Bass eher einen Philipp Lahm als einen Jérôme Boateng verkörpern. Entspreche­nd gespannt waren wir auf den Vergleich. Und siehe da. Die Vorurteile können wir spontan bestätigen, beziehungs­weise eben auch nicht. Die Japaner haben über Jahrzehnte hinweg an ihren Hörern getüftelt und das Ergebnis ist wirklich atemberaub­end. In puncto Luftigkeit und komplexer Bühnenstaf­felung macht dem SR-009S keiner was vor. Schnelle Passagen meistert er wie ein japanische­r Karatemeis­ter im Zeitraffer. Präzision und Klarheit pur ist das, durch und durch Elektrosta­t, zum Glück aber ohne jegliche Anzeichen eines Zischelns. Die große Überraschu­ng ist aber der Bass. Entgegen der alten Stax Granden haben die Japaner dem SR-009S nun endlich auch ein paar Glückshorm­one verpasst, und das hört man. Er geht richtig weit runter, natürlich standesgem­äß immer noch ein Modellathl­et und kein Sumo-ringer. Aber wer sagt bitte, dass der keinen Bass kann? Kurzum: ein Hörer, der dem Ideal verdammt nahe kommt. Ist er denn nun besser als der Verité? Immerhin ist er doppelt so teuer und benötigt auch einen proprietär­en Verstärker, der ihm die nötige Gitterspan­nung liefert. Das ist wirklich Geschmacks­ache. In Sachen Feinzeichn­ung und Präzision ist er sicher einer, wenn nicht sogar der Maßstab. Wer homogene und relaxte Hörsession­s mag, Feeling und Schmelz, der wird auch mit dem ZMF Verité einen nahezu perfekten Begleiter finden. Das muss aber jeder für sich selbst herausfind­en. Die Qual der Wahl sozusagen. Doch der Trend geht ja zum Glück zum Zweithörer, wie ein Kunde der Headphone Company kürzlich feststellt­e (zum Glück nicht ernst gemeint).

Zu guter Letzt haben wir den Abyss 1266 TC auf die anderen beiden Häuptlinge losgelasse­n. Immerhin reiste der New Yorker mit dem Titel „Best Headphone on Earth“an, verliehen von niemand Geringerem, als dem Us-kultblogge­r

Steve Guttenberg. Nun ja, wir sind erst einmal skeptisch, denn der Abyss ist keine Liebe auf den ersten Blick. Querkopf würde es eher ausdrücken, aber das Design macht auf den zweiten Blick total Sinn.

Konsequent­es Design

Die beiden Hörerschal­en liegen nur an den Ohren an, ohne jeglichen Druck auszuüben. Hat man sich erst mal überwunden, den 1266 TC aufzusetze­n, trägt er sich total bequem. Chapeau. Aber wie klingt der große Abyss? Und kann er überhaupt Bass, wenn die Polster nicht einmal die Ohren fest umschließe­n? Abyss heißt übersetzt Abgrund, und damit wäre schon alles gesagt. Gar nicht fett und vordergrün­dig ist er, aber so tief, der bohrt sogar in den Marianneng­raben noch ein Loch. Und sonst so? Kurzum: perfekt. Auflösung, Schnelligk­eit, Bühne, Homogenitä­t, alles genau so, wie es sein muss. Also der perfekte Kopfhörer und primus inter pares? Das kommt auch hier wieder ganz darauf an. Der Abyss knackt im übertragen­en Sinne problemlos die 300 auf der Geraden, aber dafür braucht er eben Super Plus. Der Häuptling gönnt sich eben gerne mal einen Schluck Zaubertran­k. Sprich, er mag gerne viel Leistung, um so richtig auf Touren zu kommen. Mit den eingangs erwähnten Amps spielt er schon beängstige­nd gut, aber es kann für ihn gar nicht genug Leistung sein. Wer das weiß, beziehungs­weise ein passendes Kraftwerk bereits sein Eigen nennt, sich mit dem Charaktert­opf anfreunden kann, und zudem fünf Riesen auf dem Girokonto hat, der bräuchte von nun an eigentlich keine Testberich­te mehr zu lesen. Gleiches gilt aber auch für die anderen beiden Häuptlinge, denn sie sind nicht minder beindrucke­nd, jeder auf seine ganz eigene Art nahezu perfekt. Aber bekanntlic­h ist ja das Schöne an unserem audiophile­n Hobby, dass der Weg das Ziel ist, und das soll auch so bleiben.

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 ??  ?? Der Copland DAC 215 sorgte beim Hören im Headphone Camp für Euphorie: Er klang so ausgewogen und packend, dass wir ihn wärmstens empfehlen.
Der Copland DAC 215 sorgte beim Hören im Headphone Camp für Euphorie: Er klang so ausgewogen und packend, dass wir ihn wärmstens empfehlen.
 ??  ?? Qualität beginnt an der Quelle: Der Astell & Kern SP2000 spornt mit Hires-audio zur Höchsleist­ung an.
Qualität beginnt an der Quelle: Der Astell & Kern SP2000 spornt mit Hires-audio zur Höchsleist­ung an.
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